Bereits vor dem ersten Feinstaubalarm klingeln im Stuttgarter Rathaus die Alarmglocken: Bis heute ist nicht geklärt, ob die Umsteiger vom Auto auf die Schiene kostenlos auf dem Wasen parken dürfen.

Stuttgart - Bereits vor dem täglich möglichen ersten Feinstaubalarm auf freiwilliger Basis klingeln im Stuttgarter Rathaus die Alarmglocken: Denn bis heute ist nicht geklärt, ob die Umsteiger vom Auto auf die Schiene an schadstoffträchtigen Tagen kostenlos auf dem Wasen parken dürfen. Dort sollen sie auf die Stadtbahnlinie U 11 umsteigen, die in diesem Fall tagsüber als Shuttleverbindung in die City eingesetzt wird. Zudem sollen die S-Bahnen auf den Linien S 1, S 2, S 3 und S 5 auch außerhalb der Hauptverkehrszeiten als Langzüge verkehren.  

 

Die Züge der SSB stehen bereit – die kostenlosen Parkplätze für die Umsteiger hingegen nicht. „Diese wichtige Frage ist noch nicht geklärt, das wurde schlichtweg vergessen“, heißt es in der Verwaltung.

Stadt arbeitet noch an einer Lösung

Diese Ansicht kann Andreas Kroll, Geschäftsführer der städtischen Veranstaltungstochter In Stuttgart, nur bestätigen. „Ich bin zum ersten Mal am Dienstag darauf angesprochen worden, dass auf dem Wasen bei dem Alarm umsonst geparkt werden soll.“ Für den „völlig überraschten“ Veranstaltungsmanager stellt sich nun die Frage, ob die Feinstaub-Parker überhaupt noch auf den „an 250 Tagen im Jahr intensiv genutzten Stellplätzen“ auf dem Wasen untergebracht werden können – und das auch noch kostenlos. Seit dem 1. Januar betrage die Parkgebühr laut einem Beschluss des Gemeinderates sechs Euro am Tag, so Kroll. „Und daran haben wir uns natürlich auch zu halten.“ Die Parkgebühren seien für In Stuttgart schließlich ein wesentlicher Einnahmeposten.

„Aktuell arbeiten wir mit den SSB und In Stuttgart an einer Lösung“, heißt es im Rathaus. Man wolle die Autofahrer nicht doppelt für Park- und Fahrschein zahlen lassen. Da die Möglichkeiten auf dem Wasen beschränkt seien, werde man mit der SSB diskutieren, wie an den „freien Tagen“ dort das Parken möglich sein könne.

U 11-Einsatz kostet die SSB täglich fast 10 000 Euro

Auch beim Shuttle-Einsatz der SSB mit der Linie U 11 im Feinstaub-Ernstfall ist die finanzielle Frage offenbar noch nicht geklärt. Ein Betriebstag koste knapp 10 000 Euro am Tag, heißt es bei der Nahverkehrstochter. Da das Umweltamt im Laufe des Jahres mit bis zu zehn Feinstaub-Alarmfällen rechnet, von denen jeder zwischen zwei und neun Tagen dauern kann, kommt eine größere Summe zusammen. Es sei klar, dass diese Kosten nicht durch Ticketeinnahmen gedeckt werden könnten.

Für den Verkehrsklub Deutschland (VCD) dürfen die Kosten aber nicht an der SSB hängenbleiben. „Dann würden ja die VVS-Stammkunden diese besonderen Einsätze gegen die dicke Luft bezahlen“, kritisiert der VCD-Vorsitzende Matthias Lieb. Damit würden Pendler bestraft, die sich schon lange umweltgerecht verhielten. Es stelle sich aber auch die Frage, ob es sinnvoll sei, bei dicker Luft die Autofahrer erst am Wasen umsteigen zu lassen. Bei einem Park-and-ride-System gelte der Grundsatz, dass ein kurzer Weg mit dem Auto und ein langer mit Bus oder Bahn zurückgelegt werde.

Gericht: Keine Alternative zu Verkehrsbeschränkungen

Auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisiert die schadstoffträchtigen Stuttgarter Verhältnisse. Sie will am 28. Januar auf einer Pressekonferenz über die Schadstoffsituation in Stuttgart informieren. Bereits im November hat sie wegen der dicken Luft eine Klage gegen Stadt und Land eingereicht. Die Umweltschützer sehen sich durch ein Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden in ihrer Haltung bestätigt. Die Wiesbadener Richter hatten einer DUH-Klage stattgegeben und das Land Hessen aufgefordert, in Wiesbaden in den nächsten neun Monaten einen Luftreinhalteplan zu verabschieden. Dabei bestehe zu verkehrsbeschränkenden Maßnahmen „keine Alternative“, so das Gericht. Für die DUH gehören dazu auch Fahrverbote für Diesel und eine Citymaut.

Der VCD erwartet auch in Stuttgart ein vergleichbares Szenario wie in Hessen. Hierzulande gebe es beim Thema Luftreinhaltung ebenfalls eine Verzögerungstaktik. „Das Wiesbadener Urteil dürfte auch die Landesregierung ins Schwitzen bringen“, so Lieb. Denn nun sei klargestellt, dass die Einhaltung der Grenzwerte im Interesse des Gesundheitsschutzes nicht der Beliebigkeit der Entscheider obliegt.