Beim Thema Feinstaub geben die Experten der Leopoldina keine Entwarnung. Auch unterhalb der Grenzwerte könne die Gesundheit leiden.

Stuttgart - Am Stuttgarter Neckartor hat es bis zum Ende der Feinstaub-Alarmperiode an diesem Montag, 15. April, mehr Tage mit einer Überschreitung des von der EU gesetzten Tagesmittelwertes gegeben als im Vorjahr. Vom 1. Januar bis zum Brandanschlag auf die Messstelle am 6. April wurden 21 Überschreitungen der zugelassenen 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft gezählt, 2018 waren es bis 15. April 16 gewesen. Insgesamt zulässig sind pro Kalenderjahr 35 Überschreitungstage. Im Jahr 2018 konnte Stuttgart diese Vorgabe erstmals überhaupt einhalten. Die Vorhersage des Deutschen Wetterdienstes für die Überschreitungen erwiesen sich als treffsicher, nur eine lag außerhalb eines Alarms.

 

Kuhn: Ich bleibe zuversichtlich

Trotz der Zunahme gegenüber 2018 zeigt sich OB Fritz Kuhn (Grüne) nicht unzufrieden. „Ich bleibe zuversichtlich“, sagte er. Der 2016 eingeführte Alarm habe die Menschen für das Thema Luftreinhaltung sensibilisiert, die Stadt habe viel unternommen, um die Werte zu senken. Die finanziell aufwendigste ist die Tarifreform im Verkehrsverbund (VVS), wo die Zonenzahl am 1. April bei gleichbleibenden Fahrpreisen radikal auf fünf Ringe reduziert wurde. Zuvor waren mit dem Kinderticket an Alarmtagen und dem vergünstigten Tagesticket während der Alarmsaison besondere Angebote gemacht worden. „Wir gehen angesichts der Tarifreform nun eher davon aus, dass es in der nächsten Alarmperiode kein zusätzliches Angebot geben wird“, so VVS-Geschäftsführer Horst Stammler auf Anfrage. Im Gemeinderat werden aktuell auf Antrag der SPD ein 365-Euro-Jahresticket für Schüler und Senioren und auf Antrag von SÖS/Linke-plus die kostenlose Fahrt für jene debattiert, die ihr Dieselauto ohne Ersatzkauf abgeben.

Leopoldina warnt

Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina hatte im Auftrag von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vergangene Woche der Bundesregierung ihre Einschätzung zu den Wirkungen von Stickstoffdioxid und Feinstaub abgegeben. Saubere Luft sei „ein lebenswichtiges öffentliches Gut. Der Kampf gegen Luftverschmutzung gehört zu den vorrangigen Aufgaben einer verantwortungsvollen Umwelt- und Gesundheitspolitik“, schreiben die Wissenschaftler. Entwarnung haben sie in ihrem Kurzgutachten nicht gegeben.

Ein besonderes Problem bestehe bei Schadstoffen „ohne bekannte untere Wirkungsschwelle, wie es besonders bei Feinstaub offenbar der Fall ist“, heißt es im Bericht. In diesen Fällen müssten „auch unterhalb dieser Grenzwerte mit gesundheitlichen Effekten gerechnet werden.“ Langfristige Belastungen zeigen „erhebliche Folgen für die menschliche Gesundheit“. Die Leopoldina folgt damit Aussagen der schon im Jahr 2008 von der EU verabschiedeten Luftqualitäts-Richtlinie, die Feinstaubpartikeln „erhebliche negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit“ zuschreibt.