Auch die Autoren der Filder-Zeitung haben während ihrer Jugend in den Ferien gejobbt . Und sie erinnern sich mehr oder weniger gern an diese Arbeit zurück.

Filder - Geld für das Studium oder den Führerschein – ein Ferienjob ist für Schüler und Studenten eine gute Möglichkeit, um schnell Geld zu verdienen. Die Filder-Zeitung begleitet während der Sommerferien junge Menschen, die als Ferienarbeiter tätig sind. Zum Auftakt der Serie berichten die Mitglieder der Redaktion von ihren Erfahrungen.

 

1000 Meter unter der Erde

Es ist eng und dreckig, es stinkt und es ist heiß. Aber der Lohn ist richtig gut. Fast 2500 Mark netto bekomme ich 1978 für vier Wochen Arbeit auf der Zeche Ewald Fortsetzung in Oer-Erkenschwick. Ein Golf kostet rund 12 000 Mark.

1000 Meter unter der Erde (der Fernsehturm ist 217 Meter hoch) geht es laut zu. Kohlehobel brechen Gestein aus den Wänden, Belüftungssysteme pfeifen, Bohrhämmer wummern, Männer brüllen. Und überall Staub, Kohlenstaub.

Es sind 37 Grad bei tropischer Luftfeuchtigkeit. Das blauweißgestreifte Grubenhemd ist wenige Minuten nach Schichtbeginn durchgeschwitzt. Unterm Helm läuft mir die Brühe in die Stirn, in die Augen, in den Nacken. Die Sicherheitsausrüstung baumelt rechts am Gürtel, der Akku der Grubenlampe links.

Mein Job: Hydraulische Metallstützen abbauen und Holzstützen setzen. Das Flöz (so heißen die kohleführenden Stollen) wird geräumt, verfüllt und zum Schluss geflutet. Ich zerre die mehr als einen Zentner schweren Teile durch den Dreck. Ich versuche, die Holzstütze mit einem schweren Hammer in die Senkrechte zu bringen. Und ich scheitere, bis Recep kommt. „Lass mich dat ma machen, Kleiner“, grunzt er, nimmt den Hammer, spannt die Muskeln, und mit anatolischer Gelassenheit steht die Holzstütze nach fünf Schlägen senkrecht. Irgendwann habe ich es auch raus. Es ist nicht nur eine Frage der Kraft, sondern vor allem eine der Technik.

Nach viereinhalb Stunden ist Feierabend. Die Schicht dauert zwar acht Stunden, aber die Zeit wird von der Einfahrt bis zur Ausfahrt aus dem Schacht gemessen. Die Wege zählen mit. Und die sind lang: erst 900 Meter gebückt in dem 1,60 Meter hohen Flöz bis zu einem Nebenschacht, dann 13 Kilometer mit der Grubenbahn zum Hauptschacht; mit dem Förderkorb geht es nach oben. Und der ist schnell. Mit mehr als 40 Kilometern in der Stunde rauschen wir hinauf. Es rumpelt, es kracht. Aber das nimmt keiner zur Kenntnis.

Oben geht es in die Kaue (Umkleideraum und Dusche der Bergleute). Ich schaue in den Spiegel, und mich starrt ein tiefschwarzes Gesicht an – bis auf das Weiße in meinen Augen. Ich stehe mit den anderen unter den heißen Wasserstrahlen. Ich schrubbe, ich schmirgele mir fast die Haut ab, um den Dreck loszuwerden. Die anderen machen das auch.

Dann gehen die Kollegen nackt raus, greifen sich eine Peter Stuyvesant, später noch eine und qualmen vor sich hin. Anschließend duschen sie ein zweites Mal. Ich fühle mich sauber, gehe nicht wieder in die Dusche, sondern ziehe mich an und warte vor dem Zechentor auf die Kollegen.

Es ist heiß, ich schwitze. Jetzt kommen die Kumpels raus, schauen mich an und prusten vor Lachen. Daheim vor dem Spiegel weiß ich, warum. Ich sehe aus wie ein Zebra. Der zweite Schweiß hat mir den Kohlenstaub nach dem Duschen aus den Poren getrieben. Daher die beiden Peter Stuyvesant und das Nachduschen der Kollegen. Jetzt weiß ich es auch – und muss mir wohl das Rauchen angewöhnen. Hauptsache die Kollegen hatten ihren Spaß – auf meine Kosten. (gun)

Brötchen, so weit das Auge reicht

Mit Laugenbrötchen, Herrenwecken, Kirschnudeln und Bienenstich verbringe ich einen Sommer, während die Klassenkameraden im Freibad in der Sonne brutzeln. Doch mir bleibt nichts übrig. Das Studium beginnt im September, und dazu braucht man Geld. Was sich in der Bäckereifiliale im abgelegensten Winkel Ulms wirklich leicht verdienen lässt, da dort in den Sommerferien kaum Kunden einkaufen.

Eingestellt werde ich als Urlaubsvertretung. Der Arbeitstag ist in zwei Schichten aufgeteilt. In der Morgenschicht muss ich den Laden für den Verkauf vorbereiten: Backwaren einsortieren, Brezeln schmieren und die Brötchenlieferungen für die umliegenden Hotels vorbereiten. Um 7 Uhr wird die Filiale geöffnet. Eine Stunde später herrscht der größte Kundenandrang. Anschließend muss ich die Backwaren durchgehen und fehlende Produkte nachbestellen. Während ich auf Kunden warte, muss ich Weckmehl in Tüten abwiegen oder den Verkaufsraum kehren. Um 12 Uhr kommt die Kollegin der Mittagschicht, um gemeinsam mit mir die Einnahmen und das Wechselgeld zu zählen. Die Frühschicht endete um 13 Uhr.

Die Mittagschicht beginnt meist wie die Frühschicht – mit wenigen Kunden und ebenso wenig Arbeit. Ab und an kommt eine ältere Dame aus den Seniorenwohnungen vorbei und kauft sich ein oder zwei Stücke Kuchen für den Nachmittagskaffee mit ihren Freundinnen. Um 17 Uhr kehre und wische ich den Laden. Hier sammle ich Erfahrungen fürs Leben. Denn auch Wischen will gelernt sein. Eine Kollegin bringt mir die Kniffe des richtigen Wischens bei. Wenn gegen 19 Uhr die Bäckerei schließt, ist mein Arbeitstag noch nicht vorbei: Die nicht verkauften Brötchen und Plunderstücke müssen in Lieferkörbe verpackt werden. Diese werden je nach Art entweder zu Weckmehl verarbeitet oder entsorgt. Der Fahrer wird sie am nächsten Morgen holen und dafür frische Brötchen bringen. Die beste Vergünstigung für Mitarbeiter in einer Bäckerei ist der Rabatt auf die Produkte. In meiner Aushilfsjob-Zeit dort habe ich allerdings die Lust auf Apfeltaschen und Kirschplunder verloren und etwa sechs Kilogramm zu genommen. (maw)

Schnittkunst im Schenkel

Das war aber auch eine einmalig blöde Aktion. Das Holzstück in der linken, der Elektrohobel in der rechten Hand; das konnte nicht gut gehen. Nachher ist man immer schlauer, heißt es. Aber das hätte ich vorher wissen müssen. Jedenfalls saust der Hobel in meinen Daumen und ich sause anschließend einhändig zum Notarzt. Der Finger ist noch dran, und wenn ich ihn jetzt so betrachte, kann ich die Narbe auch nur mit viel Fantasie erkennen. Die Narbe in meiner Seele angesichts dieser Dummheit schmerzt mich allerdings noch heute.

Anekdoten dieser Art kann ich viele erzählen. Die Jahre als Bodenleger während meines Studiums versorgen mich mit reichlich Stoff. Eine weitere Kostprobe gefällig? Aber Vorsicht, die macht sich nicht gut auf leeren Magen.

Die Protagonisten dieser Geschichte sind ein Hakenmesser und mein Schenkel. Neben dem Verlegen von Teppich, Linoleum und Holzparkett verdiene ich vor allem in der Anfangszeit viel Geld mit Kork. Ende der Neunziger ist das ein hipper Bodenbelag , wohngesund und natürlich, der nicht nur die ökologisch bewusste Klientel anspricht. Das beste daran: Kork lässt sich auch mit dem Messer bearbeiten.

Ein Hakenmesser hat eine gebogene Klinge, wie ein Enterhaken, nur eben auch höllisch scharf. Ein solches Messer muss man nicht von oben drücken, es zieht sich praktisch selbst immer tiefer in das hinein, was geschnitten werden soll. Und als ich mit dem Ding abrutsche, ist das halt mein Schenkel. Das Loch ist feinsauber, nicht recht lang, dafür wirklich tief. Das neugierige Sezieren eröffnet mir ungewohnte Einblicke in die Fettschicht der Haut und das darunter liegende Muskelgewebe. Und es bedeutet meinen nächsten Besuch in der Notfallpraxis.

Das Bodenleger-Dasein hat aber auch gute Seiten. Wer Bodenausgleichsmasse säckeweise in den fünften Stock schleppt, wird unweigerlich fit. Reumütig denke ich heute daran zurück. Die drei Stockwerke von der Cafeteria in die Redaktion mit Kaffeetasse in der Hand bringen mich nämlich arg ins Schnaufen. (ott)

Putzfrau mit 17

Was tut man nicht alles für den Führerschein? Der kostet nun mal eine ganze Menge Geld, und das wollen Mama und Papa nicht einfach spendieren. Mit 17 sollen Kinder so langsam begreifen, dass, wer was haben möchte, dafür arbeiten muss. In diesem Fall in einer Videothek.

Das klingt einfach: Als Urlaubsvertretung hinter dem Tresen stehen, die Marken der Kunden lächelnd entgegen nehmen und die Videos raussuchen. Dann alles einscannen, damit der Computer auch weiß, wer welchen Film wann ausgeliehen hat. Doch Pustekuchen. Ich hätte daran denken sollen, dass in einer Videothek nicht rundum die Uhr Betrieb ist. Genau genommen kommen fast alle Kunden in den Abendstunden. Am späten Abend darf oder soll ich als 17-Jährige aber gar nicht arbeiten. Doch was tut man vormittags um 11 Uhr in einer Videothek? Die zurückgegebenen Videos, die am Vorabend von den Mitarbeitern nicht mehr an ihren Platz gebracht worden sind, sind schnell einsortiert.

Und dann? Weiße Regale und bunte Videokassetten stauben schnell ein. Besonders die, die nicht regelmäßig ausgeliehen und so von den Fingern der Kunden gereinigt werden. So eingestaubt sehen die Kassetten und Regale hässlich aus, findet meine Chefin. Sie gibt mir Putzeimer und Lappen. Die Videothek ist groß. Und ich brauche fast die gesamten Ferien, bis ich über jede Plastikhülle und jedes Holzbrett einmal drüber gewischt hatte. Das ist hart verdientes Geld. Zumindest empfinde ich das als 17-Jährige so. Aber der Führerschein ist gesichert. Und eine Videothek habe ich seit diesem Ferienjob nie wieder betreten. Aus Prinzip. (atz)

Die Vesperpause ist heilig

Ein Fünfer-BMW für den Mitarbeiter, der nach Oberfranken auf Montage muss, ein Zimmer im Best-Western für den Dienstreisenden in den amerikanischen Südstaaten, ein Flug ins Reich der Mitte. Was ich gerne für mich selbst gebucht hätte, darf ich bei meinem Ferienjob bei Bosch für die Mitarbeiter veranlassen. Drei Sommer lang helfe ich im Sekretariat und in der Reisemittelorganisation aus. Eine Arbeit, die vorwiegend am Computer stattfindet und meist leicht von der Hand geht – wenn ich nicht gerade zwecks einer vereinfachten Buchung nach den Kreditkartennummern der Mitarbeiter fragen muss. Dann ist das Theater groß. Schließlich will keiner einer wildfremden Schülerin seine Daten verraten. Sonst lässt es sich im klimatisierten Büro aushalten. 35-Stunden-Woche, gutes Geld, pünktlich um 9.15 Uhr Vesperpause und um 12 Uhr Mittag. Daran gibt es nichts zu rütteln.

Das Prüfen von Büromaterial-Bestelllisten und Rechnungen läuft nebenher; Hotel-, Flug- und Mietwagenbuchungen machen fast schon Spaß. Der Höhepunkt meines Ferienjobs ist der Tag, an dem ich – gerade seit einem halben Jahr im Besitz eines Führerscheins und bislang nur Opel Corsa, Baujahr 1997, gefahren – einen riesigen Fünfer-BMW für einen Mitarbeiter von der Fahrzeugstelle abholen darf. Dass ich das schwarze Diesel-Monstrum direkt beim ersten Startversuch abwürge, darf nicht überraschen. Umso mehr allerdings, dass ich das Schiff ohne Korrekturzüge in die vorgesehene Parkbucht manövriere.

Sportliche Betätigung finde ich bei der Nummerierung der Büroausrüstung. Das Etikettiergerät und ich werden schnell beste Freunde. Gemeinsam sausen wir durch die Großraumbüros. Rechner, Bildschirme, Drucker, Scanner – alle bekommen eine Nummer aufgeklebt, die sie den jeweiligen Mitarbeitern beziehungsweise Abteilungen zuordnet. Vielleicht habe ich nicht die Welt bewegt, aber eines gelernt auf jeden Fall: Die Vesperpause ist heilig, egal, wie oft das Telefon klingelt. (shi)