60 angehende Pädagogen der PH Ludwigsburg haben ein Ferienprogramm für Kinder aus dem Boden gestampft, die von der Corona-Krise besonders gebeutelt waren. Als Lernbrücke hat das Kultusministerium das Programm allerdings nicht anerkannt.

Ludwigsburg: Susanne Mathes (mat)

Ludwigsburg - Gerade sieben ist Najim (Name von der Redaktion geändert) – und hat doch schon viel mehr hinter sich als andere Siebenjährige. Aus Syrien geflüchtet, in Italien gelebt, jetzt ist er in Deutschland. Gerade sitzt er mit der Grundschullehramt-Studentin Larissa Millich vor einer Fensterfront der Pädagogischen Hochschule auf einer Bank und versucht anhand von bunten Bildern auf einem iPad, ein paar Worte auf Deutsch hervorzubringen. Auf den Bildern schreckt eine Katze einen Vogel auf einem Baum auf. Katze, Vogel, erschrecken, Baum: Für Najim ist alles neu. Millich nimmt sich viel Zeit für den Jungen. Geduldig und aufmunternd artikuliert sie die schwierigen Wörter mit ihm.

 

Dass Najim und knapp 250 weitere Sechs- bis 13-Jährige – darunter manche mit Wurzeln in anderen Ländern und Sprachproblemen, teils auch einfach Kinder, deren berufstätigen Eltern Ferienbetreuungsangebote wie Zeltlager oder Stadtranderholungen wegbrachen – zwei Wochen lang Tapetenwechsel und Input an der PH geboten bekommen, ist jungen Frauen und Männern zu verdanken, die dort pädagogische Fächer studieren. Ihnen schwante schon im März, dass wegen Corona viele Kinder im Sommer womöglich ganz besonderen Zuwendungsbedarf haben würden.

Manche Familien wurden gezielt angestupst

„Wir wissen aus den Schulen, wie schwer es war, manche Schüler zu erreichen. Uns war früh klar, dass im Shutdown gewisse Kinder auf der Strecke bleiben würden“, sagt der 21-jährige Leo Buchholz, der mit Jennifer Haiges (27 Jahre) und Sebastian Meinhof (29) das Projekt angestoßen hat.

Schnell fanden sich ambitionierte Mitstreiter, um das Camp zu konzipieren, das schwerpunktmäßig das Selbstvertrauen der Kinder stärken und ihre schulischen Kompetenzen für den Wiedereinstieg nach den Ferien stärken soll.

Schulsozialarbeiter, Rektoren, Lehrer oder der Kinderschutzbund rührten die Werbetrommel für das Projekt auf dem Campus am Favoritepark, manche Familien wurden auch gezielt angestupst und auf das Angebot aufmerksam gemacht. Der Preis für die zwei Wochen wurde mit zehn Euro Materialkosten bewusst niedrig gehalten.

Der Ansturm war enorm

Der Ansturm auf das „Summer Camp“ war enorm: Allein 80 Kinder standen noch auf der Warteliste, berichtet Arndt Jeremias, Leiter des Teams Kinder- und Jugendförderung beim städtischen Fachbereich Bildung und Familie, „wenn man alle Anfragen dazurechnet, wären es an die 500 gewesen.“ Doch schon mit 250 Kindern sei das Camp in Sachen Organisation und Hygienekonzept eine Herausforderung. Die Stadt hat die Trägerschaft für das Projekt übernommen und unterstützte die Initiatoren bei der Planung und Umsetzung. Jeremias ist voll der Anerkennung über die Initiative der Studenten und über den Standort an der PH. „So viele engagierte Menschen, so tolle Ideen: Das Summer-Camp ist jetzt schon ein Erfolg“, findet er.

In festen Gruppen von fünf bis 20 Kindern, die sich untereinander nicht begegnen, kommen die Kinder nun unter Gleichaltrige – und nehmen in Projekten wie Theater, Tanzen, Kultur, Natur oder Kunst, auf die sie sich festgelegt haben, viel Anregendes mit. Zielgruppe im Film-Projekt, in dem Najim mitmacht, sind Kinder, die Deutsch nicht als Muttersprache sprechen und deren Sprachkompetenz gefördert werden soll. Die Kinder beschäftigen sich mit Themen wie „Vulkane“ oder „Katzen“, lernen Recherchewege im Internet kennen und drehen kleine Filme dazu.

Schwenk von der digitalen in die reale Welt

Eine andere Gruppe ist unter dem Motto „Abenteuer vor der Haustür“ unterwegs, erforscht den Wald oder macht Vertrauensübungen und Kooperationsaufgaben. „Viele waren zuletzt sehr digital unterwegs. Bei uns geht’s jetzt mit erlebnispädagogischen Elementen darum, wie man zusammenarbeitet und gemeinsam Aufgaben löst. Das braucht man ja auch in der Schule“, erzählt der angehende Realschullehrer Timo Seus. „Manchmal ganz schön anstrengend“ findet er die sechs Stunden mit den vom Bewegungsdrang erfüllten Kindern, „aber egal wie anstrengend es ist, man geht jeden Tag mit einem Lächeln nach Hause. Kinder erfüllen einen immer“, sagt er.

Dass das Summer-Camp zur Ludwigsburger Lernbrücke wird – mit diesen Nachhilfe-Angeboten will das Kultusministerium Lücken stopfen, die in der Corona-Hochphase entstanden – hat indes nicht geklappt. „Die Hochschule hätte es sehr begrüßt, wenn das Summer-Camp innerhalb der Lernbrücken gelaufen wäre“, sagt Jörg Keßler, Prorektor für Forschung und Internationales an der PH.

„Eine politische Entscheidung“

Doch ein Vorstoß, das Camp als zentrale Lernbrücke in Ludwigsburg zu verankern – was es Schulen erspart hätte, ihre eigenen Lernbrücken auf die Beine zu stellen, und die Camp-Finanzierung erleichtert hätte –, scheiterte: Studenten waren vom Kultusministerium als Lehrpersonal nicht erwünscht. „Eine politische Entscheidung“, kommentiert der Prorektor knapp. Auch dass sich Schulamtsleiter Hubert Haaga dafür einsetzte, fruchtete nicht.

Stattdessen gab’s Geld von den Studierenden selbst: Das Studierendenparlament der PH spendete 1500 Euro für das Camp. Die 60 Studenten bekommen kein Geld für ihren Einsatz, können sich aber Punkte für soziales Engagement während der Corona-Zeit gutschreiben lassen. Und auch als Thema für Abschlussarbeiten dürfte das Projekt Potenzial haben.