Haas-Pilot Romain Grosjean übersteht beim Großen Preis von Bahrain einen Feuerunfall nahezu unverletzt, dank der Sicherheitsstandards und des schnellen Einsatzes der Streckenkräfte. Lewis Hamilton siegt.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Bahrain/Stuttgart - „Ich danke der Rettungscrew, die echt schnell war. Die Streckenposten und die Leute bei der Fia haben einen tollen Job gemacht“, sagte Günther Steiner und atmete tief, ganz tief durch, „das war Glück im Unglück, muss man sagen. Ich hatte eine solche Angst, bis ich gesehen habe, dass Romain raus ist.“ Der Haas-Teamchef war gezeichnet, er hatte wenige Minuten zuvor um das Leben eines seiner Piloten gebangt. In diesen Sekunden hatte die gesamte Formel-1-Gemeinde paralysiert die Luft angehalten. Romain Grosjean war kurz nach dem Start mit etwa 180 km/h rechtwinklig in die dreifache Leitplanke eingeschlagen, das Auto wurde in der Mitte auseinandergerissen, das Benzin entzündete sich – und inmitten dieser Flammenhölle saß der französische Haas-Fahrer. Nach 27 Sekunden tauchte er aus den Flammen auf, sprang über die Leitplanke und wurde von Medical-Car-Fahrer Alan van der Merwe gestützt. „So ein Feuer habe ich seit zwölf Jahren nicht bei der Formel 1 erlebt“, sagte van der Merwe, „dass er da aus eigener Kraft aus dem Auto rausgekommen ist, das ist wirklich erstaunlich.“

 

Grosjean saß 27 Sekunden in der Flammenhölle

Und eigentlich noch viel erstaunlicher: Der 34 Jahre alte Grosjean zog sich in diesem Inferno von unglaublichen Kräften von 53 g (das 53-fache des eigenen Gewichts) beim Einschlag und heißen Flammen lediglich Rippenprellungen sowie leichte Verbrennungen an den Händen und Füßen zu. Der Haas-Pilot erreichte das Medical-Car auf eigenen, allerdings recht weichen Beinen. „Du siehst die Flammen und weißt nicht, was genau passiert ist“, erzählte McLaren-Fahrer Carlos Sainz seine Eindrücke später, „als er schließlich da raus war, waren wir alle unglaublich erleichtert.“ Dem Formel-1-Tross steckte trotz der ersten Entwarnung der Schock in den Gliedern. Rekordweltmeister Lewis Hamilton blickte in seiner Mercedes-Garage auf die Bilder des Horrorcrashs, der Erinnerungen an den Feuerunfall von Niki Lauda 1976 auf dem Nürburgring weckte, und schüttelte entsetzt den Kopf. „Es ist ein Wunder, dass er da in einem Stück rausgekommen ist“, sagte Ex-Weltmeister Damon Hill als TV-Experte: „Es sah aus, als wäre das Chassis durch die Wand durchgegangen. Diese Bilder schaut sich niemand an und spricht danach von zu viel Sicherheit in der Formel 1.“

Der Feuerunfall von Niki Lauda war der Auslöser, der in der Hochgeschwindigkeitsbranche dazu führte, dass über mehr Sicherheit für die Fahrer diskutiert – und Maßnahmen ergriffen wurden. 1979 wurde die feuerfeste Unterwäsche verpflichtend eingeführt als Reaktion auf Laudas Inferno-Crash. Auch für Romain Grosjean war die aus der Faser Nomex hergestellte Sicherheitsunterbekleidung eine wichtige Überlebensversicherung im Nachtrennen von Bahrain. Die drei Lagen der feuerfesten Haut müssen 35 Sekunden lang einem Feuer widerstehen, dessen Flammen Temperaturen von bis zu 840 Grad erzeugen. Heißer dürfte es in der Hölle nicht sein. Auch die stets verschärften Vorgaben beim Crashtest des Chassis’ machen das Spektakel für die Hauptdarsteller in den Cockpits sicherer.

Hohe Sicherheitsstandards retten Grosjean

Mittlerweile müssen 15 verschiedene Crashtests bestanden werden, erst dann erhält das Auto die Formel-1-Zulassung des Weltverbandes Fia. Der sogenannte Halo (Heiligenschein), der den Kopf des Piloten schützt, muss einen Druck von 116 Kilonewton von oben aushalten (das entspricht fast 12 Tonnen), 46 Kilonewton vorne (4,7 Tonnen) und 93 Kilonewton von der Seite (9,5 Tonnen). Alle Tests gelten für eine Dauer von fünf Sekunden. Der Bügel selber ist dabei nicht das Problem, sondern eine genügend widerstandsfähige Verankerung. „Man muss der Fia danken, dass sie ihn so schnell rausgeholt haben“, sagte Ex-Pilot Jean Alesi, der 56-jährige Franzose war sich sicher, dass der lange Zeit in der Branche umstrittene Cockpitschutz Halo Grosjean „das Leben gerettet“ habe. Ohne diesen Schutz hätte sich der Haas-Pilot wohl schwerste Kopfverletzungen zugezogen, als er im Auto die Leitplanken durchbrach. Letztlich rettete das Zusammenspiel aller Maßnahmen Grosjean wohl das Leben. Die Sicherheitsbestimmungen sowie der schnelle, koordinierte Einsatz der Rettungskräfte. „Es ist super zu sehen, dass alles funktioniert hat“, sagte Medical-Car-Fahrer van der Merwe.

Das Rennen wurde mit 85-minütiger Verzögerung erneut gestartet, dabei überschlug sich gleich zu Beginn Lance Stroll bei einer Kollision mit Daniil Kwjat (der bestraft wurde) und am Ende rollten der Autotross hinter dem Safety-Car über die Ziellinie, weil Sergio Perez’ Motor Feuer gefangen hatte – es siegte Lewis Hamilton vor Max Verstappen. es war ein denkwürdiger Grand Prix. Zum Fahrer des Großen Preises wurde von den Formel-1-Fans mit überwältigender Mehrheit Romain Grosjean gewählt. Der wird dieses Rennen garantiert nie vergessen.