Die Leute sind sensationsgeiler geworden, sagt Wolfgang Benz, der Stadtkommandant der Freiwilligen Feuerwehr Leinfelden-Echterdingen – sie blockieren Rettungswege und behindern Helfer. Und noch weitere Probleme bereiten ihm Sorgen.

Filderzeitung: Rebecca Anna Fritzsche (fri)

L.-E. - Als Wolfgang Benz die Tür des Feuerwehrhauses am Marktplatz aufmacht, um den Besuch einzulassen, ist in der Ferne schon ein Donnergrollen zu hören. Er schaut zweifelnd nach oben und sagt: „Ich hoffe, das zieht an uns vorüber.“ Wird es nicht: Das Donnergrollen wächst sich später am Abend zu einem Unwetter aus, das über den Landkreis Esslingen zieht und 192 Einsätze wegen Starkregen nötig macht, Keller laufen voll, die B 27 ist in Teilen überflutet.

 

Dabei hat der Tag für Wolfgang Benz schon mit einem Einsatz begonnen: Um 4.30 Uhr morgens muss er los, der Brandmeldealarm eines Bürogebäudes hat angeschlagen. Danach ist er zur Arbeit gefahren, und abends muss er dann wegen des Unwetters noch mal los.

Alles ganz normal für den Stadtkommandanten der Freiwilligen Feuerwehr, Wolfgang Benz. Seit 1981 ist er bei der Feuerwehr, seit 2013 ist er im Amt, seit März auf weitere fünf Jahre wiedergewählt. „Ich habe immer gesagt: ich mache es, solange es mir Spaß macht“, sagt er. Und das tut es – auch wenn das Ehrenamt großes Engagement erfordert.

Die Schaulustigen müssen gebeten werden, doch Platz zu machen

Umso frustrierender ist es da, dass Benz und seine Leute oft bei ihren Einsätzen behindert werden, sei es von Gaffern, Leuten, die Brände mit ihrem Handy filmen wollen, oder von Autofahrern, die auf der Straße keine Rettungsgasse bilden und keinen Platz machen für die Einsatzfahrzeuge. „Ich verstehe es nicht“, sagt er und schüttelt den Kopf. „Die Hemmschwelle wird immer niedriger, die Leute sind viel sensationsgeiler geworden.“

Bekämpft die Feuerwehr einen Brand, müsse er oftmals die Schaulustigen mit ihren Handys bitten, doch ein paar Schritte zurückzugehen – zu ihrer eigenen Sicherheit und um den Einsatzkräften den nötigen Raum für ihre Arbeit zu geben. „Anstatt Platz zu machen, geben die Leute noch Widerworte“, sagt Benz. Manchmal müsse dazu die Polizei gerufen werden – Übergriffe habe es aber bisher keine gegeben. „Es ist schon merkwürdig: Wir sind froh, wenn wir die Bilder im Kopf wieder loswerden, andere können nicht genug von Handyfotos bekommen“, sagt Benz.

Der leitende Hauptbrandmeister kann diese Doppelmoral nicht nachvollziehen. „Solange solche Leute selbst keine Hilfe brauchen, ist es ihnen egal. Aber wenn sie selbst einen Notfall haben, wird gleich geschrien: Warum seid ihr jetzt erst da? Wenn wir sagen: niemand hat uns Platz gemacht, wir sind nicht durchgekommen, wird das nicht akzeptiert.“

222 aktive Mitglieder hat die Freiwillige Feuerwehr Leinfelden-Echterdingen derzeit, verteilt auf vier Abteilungen und Standorte in den Stadtteilen. „Wir müssen die Leute feuerwehrtauglich halten“, erklärt Benz, also auch für Weiterbildung und Führungsausbildung sorgen, „wie in einer Firma auch“. Beim Nachwuchs könne man sich nicht beklagen: „Aus der Kinder- und Jugendwehr kommt der Nachwuchs nach, es gibt auch viele Quereinsteiger.“

Für die Tagesschichten braucht es Kollegen, die in der Nähe arbeiten

Auf seine „Feuerwehrfamilie“ lässt Benz nichts kommen. „Früher hieß es über uns immer: Du musst stark sein, hart wie Stein.“ Ein Bild, das sich gewandelt hat. Dass Feuerwehrleute nicht mehr alles wegstecken, auch Betreuung von Notfallseelsorgern brauchen, ist längst anerkannt. Ebenso die Tatsache, dass sich immer mehr Frauen engagieren, bei der Feuerwehr L.-E. sind es aktuell 18.

Schwierig sei es derzeit, Leute für die Tagesschichten einzuteilen: „Viele unserer Leute wohnen in L.-E., arbeiten aber nicht dort. Wenn wir unsere Tagesschichten besetzen, brauchen wir Leute, die in der Nähe arbeiten und in kürzester Zeit am Feuerwehrhaus sein können.“ Um dieses Problem zu lösen, möchte Benz verstärkt auf die ortsansässigen Firmen zugehen, nach Gesprächen mit Oberbürgermeister Roland Klenk sind auch schon Feuerwehrleute aus der Stadtverwaltung rekrutiert worden. „Die Arbeitgeber haben Vorteile davon, wenn bei ihnen ausgebildete Feuerwehrleute sitzen“, erklärt Wolfgang Benz. „Sollte es einmal brennen, sind wir innerhalb weniger Minuten da.“

Dass die Aufgaben für die Feuerwehr eher mehr statt weniger werden, liegt auch daran, dass die Stadt L.-E. fleißig wächst. „Jede Firma, die sich hier ansiedelt, installiert ein Brandalarmsystem. Momentan haben wir 110 davon hier im Ort“, rechnet Wolfgang Benz vor. „Wenn jedes nur einmal im Jahr losgeht, sind das schon 110 Einsätze für uns.“