Sie bezeichnet sich als größten Kasper der Welt und hängt an einem Kran: das bizarre Figurentheaterstück „Punch Agathe“ hat den Marienplatz verzaubert.

Stuttgart - Alles beginnt an einem Gleis. An der U-Bahn-Haltestelle Österreichischer Platz stehen Menschen und warten. Plötzlich ertönt eine Trompete. Da ist sie: Punch Agathe, die Titelfigur der „globalen Volksoper“ des Fitz, hüpft die Treppe hinunter und umkreist das Publikum, ihr Kostüm ist skurril und doch vertraut. Dann steigen alle in die U-Bahn zum Marienplatz und werden an der Haltestelle schon von zwei apokalyptischen Götterfiguren erwartet, die einen Tanz aufführen und dann tot umfallen. Es geht weiter. Vor der Rolltreppe stehen Musiker mit Guerillakostümen und Megafonen. „Guck mal, Mama, ein Maulwurf!“ Entsprechende Fantasiewesen huschen durchs Publikum. Sie lassen sich streicheln oder zucken zusammen, wenn man sie berührt. Schon geht es nach draußen, dort warten ein Kran, eine Rockband und die Polizei.

 

Niemand auf dem Marienplatz weiß so richtig, was hier passiert. Es entstehen kleine Szenen zwischen den Charakteren, es wird gekämpft, getanzt und geschlichtet. Doch der Star der Performance ist unbestritten die Riesenversion von Agathe, die scheinbar schlummernd mitten auf dem Platz unter dem Kran liegt. Sie atmet ein paar Mal auf, verklanglicht durch die Trompete, und zwischen ihren Beinen hüpfen zwei menschengroße Brüste hervor. Kaum jemand aus dem Publikum versteht, was hier vor sich geht, aber irgendwie scheint es auch egal zu sein. So ein Spektakel wie hier erlebt man selten.

Jungfräulich in den Himmel

Dabei ist die Geschichte der heiligen Agatha, welche die Performer im Arbeitsprozess zu ihrer Riesenpuppe recherchiert haben, eine traurige. Der Überlieferung nach lehnte sie den Heiratsantrag des Statthalters ab, um jungfräulich in den Himmel zu gehen. Zur Strafe ließ er ihr die Brüste abschneiden. Die Puppe allerdings hat dunkle Haut und trägt ein afrikanisches Gewand. Wie geht das zusammen?

„Die Puppe wurde deshalb Agathe getauft, weil unser Techniker eine Agathe geheiratet hat“, sagt Stefanie Oberhoff, welche die Idee zu diesem Figurentheaterprojekt hatte. „Die Studenten sind dann auf die Legende gestoßen und haben daraus die Performance mit den Brüsten entwickelt.“ Entstanden ist das Projekt im kongolesischen Kinshasa – und während die erste Agathe in Afrika noch so groß wie eine Stecknadel war, ist sie jetzt größer als ein Haus: Unter großem Krawall seitens der Band steht Agathe schließlich auf und tanzt. Bewegt wird sie von acht Spielern, die unter vollem Körpereinsatz an fingerdicken Stricken ziehen. Nach einer Stunde legt sich Agathe zu Faurés „Pie Jesu“ wieder schlafen. Das Publikum ist begeistert.