Fahrverbote für Dieselautos der Euro-4-Norm trifft die Eigentümer hart. Gerade in Randgebieten wie die Filder. Die Einfahrsperre gilt zwar für viele, nicht aber für alle. Die Landeshauptstadt arbeitet mit Hochdruck an einer Stellungnahme.

Filder - Das Dieselfahrverbot ab 1. Januar für Dieselautos mit Euro-4-Norm im gesamten Stuttgarter Stadtgebiet – das ja mit der Umweltzone identisch ist – löst Empörung und Verunsicherung aus. Das wird auch nicht abgemildert durch die Tatsache, dass Menschen, die in Stuttgart ihren Wohnsitz haben, ihr Auto noch bis zum 31. März 2019 fahren dürfen. Viele Dieselfahrer fühlen sich von Land und Stadt enteignet, vor allem Dieselfahrer in den Fildervororten, die sich nicht für die schlechten Feinstaubwerte am Neckartor verantwortlich fühlen.

 

Nun haben der Bürgerverein Schönberg, der Bürgerverein Plieningen und der Bürger- und Kulturverein Birkach einen offenen Brief an den Verkehrsminister Winfried Hermann geschrieben und ihn darin gebeten, zu prüfen, ob es wirklich sinnvoll sei, die Fahrverbotszone auf den kompletten Stadtkreis Stuttgart auszudehnen.

Wie andere unserer Leser weist auch der ehemalige Schulleiter Hansbert Bertsch darauf hin, dass es in Vaihingen und Möhringen Gebiete gebe, von denen aus der Weg zu Haltestellen des öffentlichen Nahverkehrs für ältere Menschen zu weit sei. In seinem Sinne argumentierte die CDU am Dienstag im Ausschuss für Umwelt und Technik des Gemeinderats. Fahrverbote in der gesamten Stadt seien „nicht verhältnismäßig“. Auch die Freien Wähler plädierten für die räumliche Eingrenzung des Fahrverbots. Die FDP lehnt Verbote ganz ab, der Linken gehen sie nicht weit genug. „Ohne Freude“ sagte der SPD-Fraktionschef Martin Körner, stimmten die Sozialdemokraten zu, und auch die Grünen sind für die Verbote. Die Gemeinderatsmehrheit für die Verbote, die nach Auffassung von Oberbürgermeister Fritz Kuhn „unabweisbar“ sind, zeichnet sich ab.

Fahrverbote sind seit Langem im Gespräch

Überrascht von den Verboten dürfte im Grunde niemand sein. Seit Langem sind die Fahrverbote Thema der Berichterstattung. Dass die Stadt hier nicht mehr als Stellungnahmen abgeben kann, steht auch außer Zweifel, weil nicht sie, sondern das Land der Herr des Verfahrens ist. Dem Land wiederum setzt die Justiz die Daumenschrauben an, denn die Rechtssprechung hat im Sinne der Gesundheit der Bürger für die Fahrverbote entschieden.

Bald droht auch noch einer anderen Gruppe von Dieselfahrern Ungemach: Von September 2019 an könnte auch ein Verbot für Euro-5-Diesel folgen, falls dies in den Luftreinhalteplan aufgenommen wird. Die Landesregierung verweigert dies bisher, aber in einem Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim droht ihr ein Zwangsgeld, denn das Gericht will das Verbot schon ab September 2019, wenn die Grenzwerte für Stickstoffdioxid überschritten werden. OB Fritz Kuhn sträubt sich gegen das Verbot und hofft, dass die Grenzwerte nicht überschritten werden.

Nun gilt es aber zu klären, welche Euro-4-Dieselfahrer mit einer Ausnahmegenehmigung rechnen dürfen. Die Stuttgarter Stadtverwaltung arbeitet zurzeit noch an einem Konzept: „Es ist gerade in der Umsetzung, die Ämter, die daran beteiligt sind, arbeiten unter Hochdruck“, sagt eine Sprecherin der Stadt. Die Genehmigungen würden erst erteilt, wenn der Luftreinhalteplan nach der Auslegung und der Aufarbeitung der Einwände und Ergänzungsvorschläge in Kraft trete.

Nach dem vorliegenden Plan des RP werden Ausnahmen per Allgemeinverfügung oder im Einzelfall erteilt. Generell vom Fahrverbot ausgenommen sind mobile Maschinen und Geräte, Arbeitsmaschinen, Zugmaschinen für die Land- und Forstwirtschaft, zwei- und dreirädrige Kraftfahrzeuge, Krankenwagen, Arztwagen mit Kennzeichnung, Autos mit denen Menschen fahren oder gefahren werden, die außergewöhnlich gehbehindert, hilflos oder blind sind und dies durch die im Schwerbehindertenausweis eingetragenen Merkzeichen „aG“, „H“ oder „BI“ nachweisen. Auch für Fahrzeuge der Bundeswehr, der Nato, der Feuerwehr, Post, Eisenbahn, Straßenreinigung oder Bauarbeiter gelten Sonderrechte.

Der Katalog der Ausnahmegenehmigungen ist lang

Ansonsten gibt es Ausnahmegenehmigungen, die je nach Anlass maximal für ein Jahr befristet sind. Diese Genehmigungen müssten gut sichtbar im Fahrzeug, das vor dem 1. Januar 2019 auf den Halter zugelassen sein und der Schadstoffgruppe 4 mit der Grünen Plakette entsprechen muss, angebracht werden. Beantragt werden können dann Fahrten für die Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Gütern, Belieferungen von Märkten, Jahrmärkten oder Volksfesten. Zudem gibt es Ausnahmen für die Versorgung der Einwohner mit lebenswichtiger Dienstleistung, Fahrten von Spezialfahrzeugen mit hohen Anschaffungskosten und geringen Fahrleistungen, darunter Schwerlasttransporter, Zugmaschinen von Schaustellern und als Arbeitsstätte genutzte Fahrzeuge mit festen Auf- oder Einbauten, Linienbusse, Fahrten mit Wohnmobilen zum Urlaub, Leichenwagen oder Carsharingfahrzeuge.

Auch Fahrten zu bestimmten Einrichtungen sind möglich. Dies betrifft zum Beispiel Dialysepatienten, die nicht auf Bus und Bahn ausweichen können, oder medizinische Notfälle, Fahrten zu notwendigen regelmäßigen Arztbesuchen oder Schwerbehinderte, die dies mit dem im Schwerbehindertenausweis eingetragenen Merkzeichen „G“ nachweisen können. Auch Menschen mit außergewöhnlichen Gehbehinderungen oder Blinde, die den EU-weit einheitlichen blauen Parkausweis haben, können Ausnahmegenehmigungen bekommen. Auch für unternehmerische Härtefälle gelten Ausnahmen vor allem für Kleinbetriebe, zum Beispiel für Taxiunternehmen. Ein Steuerberater oder ein Wirtschaftsprüfer muss allerdings nachweisen, dass die Ersatzbeschaffung eines Fahrzeugs die Existenz des Unternehmens gefährdet.