Der afghanische Flüchtlingsjunge Hamid Wafaee hat sich in den Kopf gesetzt, die Kunst der Magie zu erlernen. Unterstützung erhält der 13-Jährige von zweien, die’s schon können: dem 15-jährigen Finn Bollheimer aus Birkach und dem Zaubermeister Eberhard Riese aus Bernhausen.

Filder - Die Moderation ist noch ausbaufähig. Wortlos mischt Hamid Wafaee die Karten – aber das, was dann geschieht, macht einen sowieso sprachlos. Der junge Bursche hat doch tatsächlich jenes Ass aus dem Stapel gefischt, das sein Gegenüber zuvor im Geheimen bestimmt hatte. Wenn das mal keine Magie ist. Der 13-jährige Hamid grinst zufrieden. So hatte er sich das wohl stets vorgestellt: Tricks zeigen und dann die verdutzten Gesichter genießen. Zaubern, das wollte der Teenager schon immer. Und wie er es dann gelernt hat, das ist eine zauberhafte Geschichte.

 

Vor zwei Jahren floh er aus Afghanistan

Hamid Wafaee lebt seit bald anderthalb Jahren als Flüchtling in der Unterkunft an der Kurt-Schumacher-Straße in Möhringen. Aus seiner Heimatstadt Kundus in Afghanistan ist er vor mehr als zwei Jahren geflohen, zusammen mit seiner Tante und seinem Onkel. Schon daheim, erzählt er, hat er sich mit Freunden gern Zauber-Fernsehshows und Internetvideos angeschaut, Karten oder andere Utensilien hatte er aber nie. Erst in Deutschland sah er die Möglichkeit, seinen Traum wahr werden zu lassen – und fragte, mit einem Zauberbuch unterm Arm, die Sozialarbeiterin Sarah Koch, ob sie ihm helfen könne. Die war erst mal baff. „Er ist der erste Junge, der das gesagt hat“, erklärt sie lächelnd. Wie und wo lernt man überhaupt den ganzen Hokuspokus?

Im Internet fand sie schließlich Eberhard Riese aus Bernhausen. Ein Glücksgriff, denn der hat massig Erfahrung mit Zauberlehrlingen. Der Präsident des Magischen Zirkels von Deutschland hat an seiner früheren, gar nicht so übersinnlichen Wirkungsstätte, dem Paracelsus-Gymnasium Hohenheim, als Lehrer etliche Talente entdeckt und zu Stars der Szene gemacht. Der bekannteste ist Topas, der mit seiner Ehefrau Roxanne, einer ehemaligen Mitschülerin, heute große Hallen füllt. Seit einem Jahr ist Eberhard Riese Pensionär, die Zauber-AG leitet er aber noch. Auftreten will er indes nicht mehr. Junge Leute ausbilden, das ist sein Ding. „Ich bekomme häufig Anfragen per E-Mail“, sagt der 66-Jährige, aber aus diesem Kulturkreis, da sei Hamid bislang der Einzige.

Ein Junge aus Stuttgart-Birkach hilft auch beim Magietraining

Seit einem Vierteljahr wird alle drei Wochen in der Flüchtlingsunterkunft geübt. An Eberhard Rieses Seite schwingt der 15-jährige Finn Bollheimer aus Birkach den Zauberstab. Sie haben bereits gemeinsam die Zauber-AG am Paracelsus-Gymnasium geleitet – „Er war eine richtige Entlastung“, sagt der Illusionist über seinen Zögling –, und immerhin verblüffte Finn bereits mit sechs Jahren mit Tricks aus dem Zauberkasten. Als Duo bringen sie Hamid nun bei, wie er andere unterhalten kann.

Ein paar Kartentricks hat er schon gelernt. Zuvor musste er erst mühsam Begriffe wie Bube, Dame und Pik büffeln, und das neben dem normalen Unterricht an der Pestalozzischule in Stuttgart-Vaihingen. „Er stellt sich gut an und ist begierig, Neues zu lernen“, lautet das Urteil von Nachwuchs-Lehrer Finn. Und das, was der mit dem Zauberwürfel kann, der sich auf ein Fingerschnipsen zu drehen scheint, oder mit den Gummibändern, die sich urplötzlich entwirren, will Hamid auch bald können. Per Videounterhaltung möchte er zudem seinen Eltern, die im Iran leben, alsbald ein paar Tricks zeigen. Dann in seiner Muttersprache Persisch, so fällt auch die Moderation leichter. Ob er später Berufsmagier möchten werde, so wie sein Zauberkumpel Finn? Hamid Wafaee schüttelt den Kopf. „Doktor“, sagt er bestimmt. Immerhin: Was Mediziner können, grenzt auch manchmal an Zauberei.