Christina Frank von Verdi hilft, Schlecker-Filialen zu Dorfläden zu machen. In Stuttgart sieht sie aber keine Chancen.

Stuttgart - Gut ein Jahr ist es her, dass das Schlecker-Imperium zusammengebrochen ist. Die bundesweit 5500 Filialen des einstigen Drogeriemarkt-Riesen machten dicht, 46 davon auf Stuttgarter Gemarkung. Auch in den Bezirken unter dem Fernsehturm traf die Schließung seinerzeit sieben Schlecker-Märkte.

 

Mit allem, was zu der Pleite gehört und was dann folgte, kennt sich Christina Frank aus. Die Gewerkschaftssekretärin, die bei Verdi für die Sparte Einzelhandel zuständig und überdies für die Linkspartei aktiv ist, hat sich als Kämpferin für die Interessen der Schlecker-Frauen einen Namen gemacht. Nun war sie zu Gast bei den Naturfreunden im Sillenbucher Waldheim.

„Stuttgart schafft ein feindliches Umfeld“

Dort hat sie ein Konzept vorgestellt, das zumindest einem Teil der Schlecker-Frauen Hoffnung gibt – das der Drehpunkt-Märkte. Dabei gründen frühere Schlecker-Angestellte mit Unterstützung eines Trägervereins Mini-GmbHs und betreiben eine Art Dorfladen, oft am alten Standort. Dies soll die Nahversorgung sichern und den arbeitslosen Schlecker-Frauen wieder zu einem Job verhelfen. In zehn Fällen hat das Projekt, das Frank maßgeblich vorangetrieben hat, schon funktioniert: Unter anderem in Erdmannhausen und Hoheneck im Kreis Ludwigsburg haben erste Drehpunkte eröffnet.

Auch die beiden ehemaligen Schlecker-Filialen in Plieningen und Heumaden waren noch vor wenigen Wochen im Gespräch für solche Drehpunkt-Läden gewesen. Doch daraus wird laut Frank aller Wahrscheinlichkeit nach nichts: „Es gibt derzeit keine Pläne für Drehpunkt-Märkte in den Stadtbezirken.“ Das liege am „feindlichen Umfeld“, das Stuttgart schaffe. „Die Stadt fördert den Bau großer Einkaufszentren und nimmt damit in Kauf, dass die Kaufkraft aus den Bezirken abfließt“, sagte Frank. In der Konsequenz rate sie interessierten Frauen, die in den alten Schlecker-Filialen in Stuttgart einen Drehpunkt-Markt einrichten wollten, von ihren Plänen ab: „Ich kann niemandem guten Gewissens empfehlen, einen Laden zu eröffnen, wenn die Stadt keine Strukturen schafft, damit sich diese Läden dann auch halten.“

Die Banken stellen sich oft quer

Zudem übte Frank harsche Kritik an den städtischen Wirtschaftsförderern. Die versuchten, ihre Aufgaben in Sachen ehemalige Schlecker-Filialen an sie abzudrücken. „Aber es ist doch nicht meine Aufgabe, das zu lösen.“ Für Frank steht fest: „Solange die Stadt Stuttgart keine Bürgschaften übernimmt, nehme ich den Ball nicht auf.“

Abgesehen davon gestalte sich die Eröffnung der Drehpunkte überall schwierig, sagte die Verdi-Frau. Die Banken stellten sich oft quer bei der Finanzierung,. Insgesamt sei ein Umfeld nötig, das der Idee des kleinen Geschäfts vor Ort gegenüber aufgeschlossen sei. „Ein Laden braucht Fans. Der einzige Weg, die Nahversorgung zu erhalten, ist, wenn die Bürger es wollen“, fasste Frank ihre Erfahrungen zusammen.

„Die Zusammenarbeit mit Verdi ist gut“

Die städtische Wirtschaftsförderin Ines Aufrecht zeigt sich auf Nachfrage verwundert über Franks Kritik. Die Zusammenarbeit mit Verdi sei gut, „ich schätze das Engagement der Beteiligten sehr“, sagt Aufrecht. Die Einrichtung von Drehpunkten im Stadtgebiet sieht sie keineswegs als abgehakt an. Vielmehr sei es so, dass die Verwaltung derzeit einige von Verdi vorgeschlagene sowie eigene Standorte prüfe, die für solche Läden in Frage kommen. Aufrecht schätzt, „dass im Ergebnis vielleicht sechs übrig bleiben“. Die will Aufrecht erst nach Rücksprache mit Verdi nennen – deshalb ist derzeit nicht klar, ob Plieningen und Heumaden Drehpunkte werden könnten oder nicht. Franks Kritik, dass die Stadt durch den Bau neuer Center zu viel Kaufkraft aus den Bezirken abziehe, hält die Wirtschaftsförderin zudem für zu pauschal: „Das ist mir zu wenig differenziert.“ Es liege in der Natur der Sache, dass sich die Drehpunkt-Läden in kleinen Dörfern besser realisieren ließen als in der Stadt, wo sich in Sachen Einzelhandel viel bewege.

Für die weiteren Standorte in den Bezirken unterm Fernsehturm scheidet die Möglichkeit der Drehpunkte wohl aus. Die Eigentümer der früheren Schlecker-Immobilien waren alle von der Wirtschaftsförderung angeschrieben worden, nur rund die Hälfte hatte sich gemeldet. Teilweise sind die Räume der alten Schlecker-Filialen auch schon anderweitig belegt. In Birkach etwa ist ein Geschäft für Wolle und Bodenbeläge in die Räume an der Birkheckenstraße gezogen, an der Epplestraße in Degerloch hat eine Boutique eröffnet.