Weil immer mehr Menschen in Discountern und Baumärkten Blumen kaufen, haben es die Floristen auf der Filderebene in Stuttgart nicht leicht. Viele benötigen zusätzliche Einnahmequellen, um zu überleben. Wir haben mit Inhabern von Fachgeschäften gesprochen.

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Filder - Ingeborg Müller, Inhaberin des einzigen Blumengeschäfts in Stuttgart-Birkach, klingt desillusioniert: „Es wird immer schlimmer“, sagt sie. Kaum mehr ein Birkacher kaufe Pflanzen und Blumen beim Fachmann, sagt sie. „Als ich vor 35 Jahren angefangen habe, gab es in Birkach keinen Supermarkt. Da kamen alle Birkacher zu mir, wenn sie Blumen gebraucht haben.“ Nun hätten ihr die Discounter und Baumärkte den Rang abgelaufen.

 

Zwischen 10 000 und 12 000 Blumenläden gibt es derzeit in Deutschland, vor zehn Jahren waren es laut dem Fachverband Deutscher Floristen noch um die 15 000. Der Rückgang liegt nicht darin begründet, dass die Menschen weniger Blumen kaufen als früher – sie kaufen diese aber anderswo. Heutzutage bekommt man nicht nur in jedem Baumarkt, sondern auch in beinahe allen Supermärkten Blumen. Das spüren auch die Floristen in Stuttgart und auf der Filderebene.

Manchmal kommen Kunden mit Blumen vom Discounter

Es ist nicht nur einmal passiert, dass Menschen mit Blumen vom Discounter in das Birkacher Geschäft von Ingeborg Müller kamen: „Die Kunden wollen, dass ich die Blumen nur noch schön aufbinde und mit etwas Grün dekoriere“, sagt Müller. In solchen Fällen wisse sie nie, ob sie dafür Geld annehmen solle oder nicht. „In der Regel mache ich es umsonst – in der Hoffnung, dass die Menschen beim nächsten Mal in meinem Laden statt im Discounter ihre Blumen kaufen.“

Da das Geschäft seit einer Weile nicht mehr so gut läuft, wurde Ingeborg Müller Mitglied bei dem Konzern Fleurop. Anfangs noch mittels Telegrafie, mittlerweile per Telefon, Fax oder über das Internet können Menschen innerhalb von wenigen Minuten Blumen bestellen und zu sich nach Hause oder einer anderen Person liefern lassen. Jeden Sonntag, wenn ihr Laden geschlossen hat, liefert Ingeborg Müller Blumen in Haushalte in ganz Stuttgart und Kornwestheim. Spaß macht ihr das nicht, das Herumgefahre stresse sie. „Ich kann unmöglich überall ein Parkticket lösen, also sause ich innerhalb von zwei, drei Minuten die Treppen hoch in den Häusern, gebe die Blumen ab und fahre weiter. Und die Wege verändern sich permanent, weil so oft Straßen gesperrt werden oder die Regelungen verändert werden.“ Sie sehnt sich zurück nach den Zeiten, als die Menschen bei ihr im Laden ihre Blumen kauften.

In Sillenbuch läuft es besser

Bei Meike Treiber, die seit sechseinhalb Jahren einen Blumenladen an der Tuttlinger Straße in Sillenbuch betreibt, klingt die Situation weniger dramatisch – obwohl ihr Laden abgelegener ist als der Blumenladen Müller in Birkach: „Ich habe den Eindruck, dass wir in Sillenbuch auf der Insel der Seligen sind, weil wir keinen Baumarkt in der Nähe haben.“ Das Geschäft laufe nach wie vor gut: „Ich habe vor Ostern sehr viele Pflanzen eingekauft und war schon unsicher, ob ich die alle losbekomme“, sagt sie. Doch am Dienstag nach den Osterfeiertagen ist ihr Laden wie leer gefegt, so fleißig haben die Sillenbucher Blumen besorgt.

Meike Treiber glaubt, dass Individualität das Zauberwort ist, wodurch kleine Blumenläden überleben können: „Ich habe keine Mitarbeiter, ich mache alles selbst. Ich habe selbst einen riesigen Garten und bin eine leidenschaftliche Blumenhändlerin. Wenn ich im Blumenladen stehe, dann bin ich mit meiner ganzen Person voll da. Ich probiere gar nicht erst, Massenware anzubieten, sondern setze auf Qualität und besondere Blumen.“ Generell würden bei ihr vor allem Stammkunden Blumen kaufen, die die besondere Ware schätzten.

Supermärkte bestellen oft aus dem Ausland

Ähnlich beschreibt auch Anja Kukulinus, eine Mitarbeiterin vom Blumenladen Beilharz in Degerloch, die Lage. „Die Menschen, die heutzutage im Supermarkt Blumen kaufen, sind auch früher nicht zu uns gekommen“, glaubt sie. Wer im Discounter oder im Baumarkt Blumen kaufe, lege keinen Wert auf Qualität und auf die Herkunft der Gewächse. „Supermärkte bestellen in der Regel Massenware aus dem Ausland. Wir unterstützen Stuttgarter Gärtner und greifen nur dann auf Blumen aus dem Ausland zurück, wenn wir in der Region nicht fündig werden.“

Weil das Geschäft in einem Blumenladen nicht das ganze Jahr über gleich gut läuft, ist die Familie Beilharz bereits seit der Gründung ihres Ladens im Jahr 1948 Mitglied bei Fleurop. Mittlerweile beliefern sie Kunden in ganz Stuttgart und im Kreis Esslingen. Dieser Service bedeutet eine zusätzliche Einnahmequelle zum Ladengeschäft. Außerdem hofft Anja Kukulinus auf die Einsicht der Kunden, die im Discounter oder Baumarkt Blumen kaufen: „Dort werden Blumen verkauft, die noch nicht blühen und oft nur sehr kurz blühen. Und das Fachpersonal und die Beratung fehlen einfach.“ Wer einige Male die Erfahrung mache, dass die Ware aus dem Discounter nichts tauge, werde vielleicht doch einmal den Fachhandel ausprobieren – und überzeugt werden.