Die Stadtgeschichte ist im digitalen Zeitalter angekommen: Seit Dezember erweitern QR-Codes den Historischen Stadtrundgang durch Bonlanden. Das Pionierprojekt soll nun auch auf andere Teilorte ausgeweitet werden. Wir waren vor Ort und haben die Neuheit getestet.

Bonlanden - Nein, die Lokalgeschichte hat es wahrlich nicht einfach im Ranking der beliebtesten deutschen Freizeitbeschäftigungen. Trotz der andauernden Hochkonjunktur des Heimatbegriffs ist das Kramen in längst vergangenen Zeiten für viele gleichbedeutend mit eingestaubten Büchern und grauer Theorie. Dass selbst Menschen mit einer Jahreszahlenphobie Freude an einer Reise in die Vergangenheit haben können, möchte nun die Stadt Filderstadt beweisen: Das städtische Netz aus Informationstafeln, das interessierte Besucher seit einigen Jahren an die geschichtsträchtigsten Orte der Kreisstadt führt, soll mit einer digitalen Ergänzung in die Zukunft katapultiert werden. Künftig ziert jede der 70 Tafeln ein QR-Code, der mit Hilfe eines Handys ausgelesen werden kann und per Mausklick neue Geschichtswelten erfahrbar machen soll. Einen ersten Blick auf das Projekt lässt sich in Bonlanden erhaschen, wo im Dezember alle 23 Stationen des Historischen Stadtrundgangs aufgerüstet wurden.

 

Die Form stimmt – beim Inhalt gibt es Nachholbedarf

Was gleich zu Beginn positiv auffällt, ist die einfache Bedienbarkeit der Online-Plattform: Der Sticker am Rande jedes Schildes muss mit der Kamera nur eingescannt werden, schon lädt eine Verlinkung auf die Webseite der Stadtverwaltung zum Stöbern ein. Neben einem Fließtext hält der mobile Guide Bilder und multimediale Inhalte bereit. So gibt es am Geburtshaus des berühmten Bonländer Tenors Alfons Flügel die Möglichkeit, mit Originalaufnahmen tiefer in das Lebenswerk des Opernsängers einzutauchen.

Gleichzeitig fällt aber auf: Solche kreativen Ansätze bleiben beim Rundgang durch die Gemeinde deutlich in der Unterzahl. Auf dem Smartphone dominiert eine Bleiwüste aus Informationen, von Einspielern, Grafiken oder anderen modernen Erzählformen fehlt jede Spur. Das macht das historisch umfassende Angebot auf dem Bildschirm nicht schlecht, wirft aber die Frage auf, ob es dann nicht auch umfassendere Tafeln getan hätten. Für lange Texte braucht es keine mobilen Endgeräte – vor allem nicht, weil sich in den digitalen Medien eine schier endlose Flut an Möglichkeiten versteckt.

Ein Stadtspaziergang mit Tücken

Auf dem Wanderweg gesellen sich zu dieser vertanen Chance analoge Problemstellen, die den Stadtspaziergang immer wieder erschweren: So war während unseres Tests aufgrund einer Sanierung eine Informationstafel nicht zu finden, an anderen Stationen wiederum vereitelten Gestrüpp oder eine viel zu hohe Anbringung des QR-Codes das problemlose Einscannen. Eine integrierte Karte hätte ebenfalls gut getan: Die gibt es zwar auf der Startseite des Online-Auftritts, ist dort aber nur sehr umständlich zu lesen. Vorerst mutiert der Historische Stadtrundgang für Auswärtige deshalb zur Schnitzeljagd.

Entsprechend gemischt ist das Fazit: Wer beim Wochenendausflug etwas Neues ausprobieren möchte, dem bietet der erneuerte Stadtrundgang einen guten Anlass, die Reise nach Bonlanden anzutreten. Ob die text- und zahlenlastige Umsetzung Spaziergänger spontan zu mehr Geschichtsbewusstsein anregt, ist jedoch zu bezweifeln: Dafür wagt der Rundgang schlicht zu wenig Traditionsbrüche. Wenn alte Inhalte nur auf neue Formate übertragen werden, kann das kaum als Revolution der Lokalgeschichte gewertet werden.