Frauen gehen andauernd zum Frisör? Ein Besuch bei einem Barbier in Filderstadt an einem Freitagabend lässt Zweifel aufkeimen an diesem weitverbreiteten Gerücht. Aber lesen Sie selbst.

Filderstadt - Wer den Barbershop von Mando Hussein in Bernhausen betritt, dem sticht eines sofort ins Auge: Helligkeit. Zahlreiche LED-Strahler hängen von der Decke und tauchen den luftigen Raum in weißes Licht. Das nächste, was auffällt, ist die laute Musik, die aus den Boxen dröhnt. Gerade läuft Rihanna in voller Lautstärke. In einer Ecke spielen zwei Jugendliche an einer Spielekonsole Fußball. Es ist Freitagabend, fünf Barbiere sind am Werk. Sie hantieren mit Messer, Kamm und Faden, um die Augenbrauen der Kunden in Form zu bringen. In regelmäßigen Abständen greifen die jungen Männer zu ihrem Energydrink, bevor es weitergeht.

 

Unter den Kunden ist an diesem Abend der 25-jährige Sultan, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen möchte. Er kennt den Inhaber Mando Hussein schon lange. „Radikal. So würde ich die Haarschnitte hier bezeichnen“, sagt er. „Das meine ich überhaupt nicht negativ. Ich mag die Art, wie hier die Haare in Form gebracht werden.“ Sultan erzählt, dass die Haare vergleichsweise günstig geschnitten würden. Und die Qualität sei gut. „Hier werden auch Nasen- und Ohrhaare entfernt. Das ist natürlich ein super Extra-Service“, sagt er. „Deshalb komme ich auch mindestens einmal pro Woche, manchmal sogar zweimal.“

Der Barbier mache keinen Unterschied bei der Herkunft

Rihanna wurde mittlerweile vom R’n’B-Künstler Timberland abgelöst. Während der nun mit wummerndem Bass durch den Laden schallt, betritt ein Kunde nach dem anderen den Barbershop. Die fünf Plätze sind durchgehend belegt. Sie betrachten ihre neue Frisur in den runden Spiegeln vor ihnen mit prüfendem Blick. Die Spiegel hängen an einer Wand, die mit Fototapete überzogen ist, Typ Backstein. Es unterstreicht das urbane Flair.

Omar Josef ist heute gekommen, um seinen Haaren einen neuen Schnitt zu verpassen. Auch er sucht den Barbier in Bernhausen wöchentlich auf. „Die Mischung aus Qualität, Freundlichkeit und günstigem Preis ist der Grund, warum ich nicht zu einem klassischen Frisör gehe“, erklärt der 56-Jährige. Besonders mag er, dass die Barbiere keinen Unterschied bei der Herkunft der Kunden machen würden. Jeder sei gleich, das sei nicht selbstverständlich. „Zwischendurch den Bart stutzen lassen. Das geht hier immer“, sagt er. „Auch meinen Sohn bringe ich regelmäßig mit.“ Der Sielminger berichtet, dass sogar zwei Bekannte aus Zuffenhausen regelmäßig nach Filderstadt fahren würden, um dort die Haare gemacht zu bekommen.

Die Freundschaftlichkeit gehört dazu wie die Haare auf dem Boden

Und wieder der Griff zum Energydrink. Zwischendurch werden die Messer desinfiziert, bevor damit die letzten Barthaare entfernt werden. Fast alle Sofas sind besetzt, die Kunden scheinen sich zu kennen, und auch die Barbiere kennen die Kunden offenbar gut. Viele begrüßen sich mit einer Umarmung, zumindest aber per Handschlag. Und mittendrin Mando Hussein, der Betreiber.

Der freundschaftliche Umgang gehört zum Geschäft wie die Haare auf dem Boden. „Auf jeden Fall“, sagt Hussein. Die Konkurrenz unter den Barbieren sei groß, sie sprießen wie Bartstoppeln. Was sicher auch daran liegt, dass es fürs Bärtestutzen keine einschlägige Ausbildung braucht – fürs Haareschneiden indes schon. Wer den Kunden das Haar friesiert will, braucht mindestens einen Meister im Salon.

Der 34-jährige Hussein hat derweil noch eine andere Erklärung: „Das Klischee, Frauen würden dauernd zum Frisör rennen, stimmt so nicht mehr“, sagt er. „Zumindest machen es ihnen die Männer nach oder rennen sogar noch öfter zum Barbershop.“ Bis zu viermal wöchentlich würden dieselben Kunden vor ihm auf dem Drehstuhl Platz nehmen. „Manchmal weiß ich gar nicht, was ich überhaupt noch schneiden soll. Die Menschen kommen teilweise schon mit perfekt sitzender Frisur in den Laden.“ Oft gehe es aber auch vor allem ums Reden. Dann unterhalte man sich einfach ein bisschen, trinke zusammen einen Kaffee, und nebenbei werde eben der Bart leicht nachgestutzt.

Manche Kunden kommen mehrmals die Woche

Ein Phänomen, dass dem 34-jährigen Barbier ebenfalls auffällt: dass sich Kunden bei ihm für die Party oder Disco aufbrezeln lassen. Leute, die sich schon unter der Woche tagsüber die Haare haben schneiden lassen, kommen am Freitag- oder Samstagabend noch mal, um sich vor der bevorstehenden Bar- oder Clubtour ein frisches Styling abzuholen.

Mando Hussein liebt seinen Job, wie er erklärt. Zuvor war er in Stuttgart als Barbier tätig. Nachdem ihn immer mehr Kunden gefragt hätten, wann er denn endlich seinen eigenen Laden aufmachen will, reifte in ihm die Idee heran. Mitte September vergangenen Jahres ging es los, und Hussein bereute die Entscheidung bislang noch an keinem einzigen Tag.

Dann ist es so weit: Eigentlich hat der Barbershop schon seit einer Stunde geschlossen, als Mando Hussein den letzten Kunden verabschiedet und die Kasse für diesen Tag schließt. Die Spielekonsole wird ausgeschaltet, und auch David Guetta wird der Saft abgedreht. Die plötzliche Ruhe ist beinahe schon laut.