„Ich hätte heute auch auf dem Friedhof liegen können“, sagt Hedwig Kittelberger aus Filderstadt. Die 83-Jährige hat Covid-19 überwunden. Nach sieben bangen Wochen. Ihren Mitmenschen gibt sie einen guten Rat.

Filderstadt - Vieles ist im Krankenhaus an Hedwig Kittelberger einfach vorbeigerauscht. Diesen einen Moment wird sie aber nie vergessen. „Als alles fertig war, haben die Schwestern mich in einen Rollstuhl gesetzt, über den Flur gefahren und gesungen: Sie hat’s geschafft, sie hat’s geschafft!“ Die Seniorin aus Harthausen hat das Coronavirus besiegt. Mit 83 Jahren. Selbstverständlich ist das nicht. „Ich hätte heute auch auf dem Friedhof liegen können“, sagt sie.

 

Einige Zeit ist Hedwig Kittelberger schon wieder daheim in Harthausen. Sie sitzt mit Tochter und Schwiegersohn im gemeinsamen Garten unterm Sonnenschirm, trägt ein T-Shirt mit Glitzersteinen. „Ha ja, es geht so weit“, sagt sie. Net g’schimpft isch g’lobt genug. Eigentlich ist es ihr auch etwas unangenehm, dass jemand von der Zeitung da ist. Im Vordergrund stehen, das ist nicht ihr Ding. Doch dann haben sie und ihre Tochter Gaby Brenken sich doch dazu entschlossen, die Geschichte zu erzählen. Um andere davor zu warnen, die Pandemie auf die leichte Schulter zu nehmen. Und um Mut zu machen. Auch Patienten im hohen Alter können dem Virus die Stirn bieten.

An die erste Zeit hat sie kaum Erinnerungen

Hedwig Kittelbergers Geschichte beginnt Ende März. Gaby Brenken muss den ersten Teil schildern, denn ihre Mutter hat kaum Erinnerungen. Von einem Tag auf den anderen hatte Hedwig Kittelberger nur noch schlafen wollen und nichts mehr gegessen. Zunächst kein Fieber, kein Husten. „Ich habe sie immer wieder gefragt: Tut was weh?“, erzählt die Tochter. Nichts. Als die Mutter nach einigen Tagen kaum mehr ansprechbar war, rief Gaby Brenken einen Arzt an. Ein Krankenwagen kam, nahm die Seniorin mit. Ein Abschied für gut und gerne sieben Wochen. Denn in der Filderklinik stellten die Ärzte fest: Es ist Covid-19. Der Zustand war kritisch. Hedwig Kittelberger litt an einer Lungenentzündung. Zunächst war fraglich, ob sie sogar beatmet werden muss. „Das ist nicht einfach, da denkt man viele Sachen“, sagt sie im Nachgang.

Die sorgenvollen Wochen sitzen bei Gaby Brenken noch tief. Wenn sie daran zurückdenkt, dass sie nicht zu ihrer Mutter auf die Isolierstation und später in die Reha konnte, füllen sich ihre Augen mit Tränen. Kein gemeinsames Ostern, kein Muttertag, „das war schon schlimm“. Gleichwohl lobt die 59-Jährige das Personal der Filderklinik. Alle hätten sich bestens gekümmert – um die Patientin, aber auch telefonisch um die Angehörigen. „Ich habe mich sicher gefühlt, die haben alles gemacht, was möglich war“, sagt auch Hedwig Kittelberger, und die Reha danach habe ihr geholfen, wieder auf die Beine zu kommen. Täglich habe sie auf dem Fahrrad oder beim Treppensteigen geübt. Am Schluss habe sie sieben Runden mit dem Rollator im Garten geschafft, erzählt sie und strahlt dabei.

Jeden Morgen Atemübungen für die Lunge

Hedwig Kittelberger ist geheilt. Jeden Morgen trainiert sie mit Atemübungen ihre Lunge. „Die Ärzte sind zufrieden, es ist alles in Ordnung“, sagt sie. Nur ein bisschen wackelig auf den Beinen ist sie noch. Zur Sicherheit stützt sie sich beim Gehen auf einen Stock. Viel Besuch hat sie bis heute erhalten. Der Garten hinterm Haus bietet ausreichend Platz. Alle wollen wissen, wie es ihr geht und wie das so war mit dem Coronavirus.

„Wir rätseln bis heute, wo sie es herhatte“, sagt Gaby Brenken, die gemeinsam mit ihrem Mann negativ getestet worden war. Eine Antwort wird die Familie wohl nie bekommen. Aber eigentlich zählt auch nur eines: Die Oma ist wieder daheim. Hedwig Kittelberger sitzt im Garten unter dem roten Sonnenschirm und lächelt. „Die Schwestern haben zum Abschied gesagt: Frau Kittelberger, wir werden Sie nie vergessen.“