Die Stadt Filderstadt veranstaltet wieder die alljährlich Streubstbörse. Leider gibt es aber fast kein Obst. Der Frost im April hat ihm den Garaus gemacht.

Filderstadt - Würde Wilhelm Tell jetzt und auf den Fildern leben, dann müsste sein berühmter Schuss auf den Apfel ausfallen. Auch Eva würde es schwer fallen, ihren Adam in den paradiesischen Streuobstwiesen rund um Bonlanden mit dem Apfel zur Erbsünde zu verführen, denn es gibt so gut wie kein Streuobst auf den Wiesen. Im April sind nach einigen warmen Tagen die Blüten bei Temperaturen um minus acht Grad erfroren. Dennoch lädt die Stadt auch in diesem Jahr zur Streuobstwiesen-Börse ein. Dabei können Eigentümer von Obstbäumen, denen die Ernte zu mühsam ist, ihre Früchte ernten lassen, damit sie nicht verfaulen.

 

Streuobstbörse ohne Obst

„Es gibt in diesem Jahr wirklich sehr wenig Streuobst, man sieht, dass nicht viel davon auf den Bäumen hängt“, sagt Simone Schwiete, die städtische Umweltreferentin. Man sei davon ausgegangen, dass es weniger Leute gebe, die Obst anbieten, also solche, die Angebote suchen. „Wir haben die Aktion dennoch gemacht, falls jemand tatsächlich etwas anbieten will“, sagt Simone Schwiete.

Der Bonländer Streuobstwiesenexperte Walter Hartmann ist ein promovierter Biologe, der auch im Ruhestand noch an der Uni Hohenheim arbeitet. „Die Börse hat in diesem Jahr keinen Sinn, es hängt zu wenig Obst auf den Bäumen“, sagt er. Bei Birnen, die noch empfindlicher gegen Frost seien, gehe die Ernte „gegen Null.“ Bei Äpfeln hätten nur „ein paar Spätblüher“ die Kälte überlebt. Auch die Zwetschgen seien überwiegend erfroren.

Das schwüle Wetter begünstigt das Faulen

Was an Streuobst den Frost überstanden hat, sagt Walter Hartmann, leide in diesem Jahr weiter. „Ich habe selbst zehn Obstbäume. Weil es so warm war, haben die Vögel die Früchte angehackt und auch die Obstmade sitzt in den Früchten. Deshalb ist fast alles madig und faulig.“ Nicht nur Zwetschgen, auch Äpfel hätten Wurmstiche: „Diese Stellen beginnen bei schwülem Wetter sofort zu faulen.“ Weil der Stadt, sagt der Experte, liegt höher als die Filder. „Dort hängen die Obstbäume brechend voll, weil die Blüten erst nach dem Frost gekommen sind“, sagt Hartmann.

Rindviecher produzieren Mist. Darunter leidet jeder Betrieb, nur Landwirte freuen sich darüber, denn Mist ist Dung. Produziert wird er auf den Fildern nicht mehr, weil dort die meisten Bauern seit längerer Zeit weder Kühe noch Schweine halten. „Streuobstwiesen leiden, weil sie nicht gedüngt werden“, sagt Walter Hartmann. In der Schweiz, wo die lila Kühe, mit denen eine Schokoladen-Marke wirbt, auf den Wiesen herumstehen, ist dies wohl noch ganz anders. „Dort werden Obstbäume nach der Devise ‚Wer Obst hat, der muss auch Vieh haben’ mit dem nährstoffreichen Stallmist gedüngt“, sagt Hartmann.

Ernten lohnt sich wegen des niederen Obstpreises nicht

Außer dem fehlenden Dung, moniert Hartmann, litten die Streuobstweisen unter geringer Pflege. „Der Mistelbefall setzt den Obstbäumen zu“, sagt Hartmann. Einige Bäume hängen schon so voll mit der Schmarotzerpflanze, dass sie bald sterben. Ein Mangel an den so genannten Frühbestäubern, Bienen und Hummeln, die für die Befruchtung der Blüten zuständig sind, sei in Filderstadt nicht zu erkennen: „Es gibt hier immer mehr Imker mit Bienenstöcken. Das ist sehr erfreulich.“ Außerdem gebe es in den ländlichen Gebieten Filderstadts noch viele Wildbienen.

All dies seien aber nur äußere Faktoren. Grundsätzlich gebe es ein wirtschaftliches Problem: „Obst kostet zu wenig. Es auf Streuobstwiesen anzubauen ist nur für jemanden geeignet, der dies als Hobby betreibt.“ Walter Hartmann, ein renommierter Zwetschgenzüchter, der auch als „Zwetschgenpapst“ bezeichnet wird, gönnt sich gerne selbst gemachten Apfelsaft. „Ich weiß aber nicht, woher ich in diesem Jahr das Obst dafür bekomme.“