Diese „Frauenwelten“ sollen nach dem Wunsch der Organisatorinnen auch Männer locken: Ausgezeichnete Filme und Diskussionen mit Filmemachern, Schauspielern und Aktivisten stehen beim Filmfest in Tübingen im Mittelpunkt. Doch auch die politische Botschaft kommt nicht zu kurz.

Tübingen - An diesem Mittwochabend startet das 15. Frauenfilmfestival Frauenwelten der Menschenrechtsorganisation Terre des femmes in Tübingen. Festivalleiterin Irene Jung gewährt schon vorab Einblicke.

 
Frau Jung, was legen Sie zuerst fest – die Themen des Festivals oder die Filme?
Normalerweise lassen wir uns bei der Themenfindung von den Filmen leiten, die es bereits gibt. Filmemacher haben oft ein gutes Gespür dafür, welche Konflikte in der Gesellschaft gerade unter der Oberfläche schwelen – deshalb ist häufig ein bestimmtes Thema in mehreren Filmen vertreten und oft früher, als die Politik es wahrnimmt.
Welche Themen sind auf diese Weise dieses Jahr in den Fokus gerückt?
Das Thema Recht auf Bildung für Mädchen weltweit. Im Film über die Friedensnobelpreisträgerin Malala geht es darum, wie Mädchen aus fundamentalistisch-religiösen Gründen am Schulbesuch gehindert werden. In „Lilet Never Happened“ geht es um eine Kinderprostituierte in Manila, die aufgrund ihrer schwierigen wirtschaftlichen Lage nicht in die Schule kann. Weitere Schwerpunktthemen sind das Recht auf Abtreibung und der Kampf gegen Frühehen – ein Schwerpunktthema von Terre des femmes in diesem Jahr.
Aus über 30 Ländern stammen die Filme in diesem Jahr – was ist bei der Auswahl wichtig?
Wir lassen uns in erster Linie von unserer eigenen Reaktion auf Filme leiten – wie sehr spricht ein Film uns an? Uns ist es wichtig, dass sich die Zuschauer empathisch mit den Protagonistinnen identifizieren können. Gleichzeitig achten wir darauf, dass es keine grausamen Gewaltdarstellungen gibt. Die Filme sollen Frauen nicht nur in der Opferrolle zeigen, sondern auch ihre Stärke darstellen und Hoffnung vermitteln. All das ist wichtig, damit die Zuschauer auch eine Bereitschaft entwickeln, aktiv zu werden und sich solidarisch zu engagieren.
Welchen Herausforderungen müssen Sie begegnen?
Das Finanzielle ist eine große Herausforderung, wir müssen Zuschussgeber finden, und die Antragsstellung wird stetig komplizierter. Wir sind außerdem ein extrem kleines Team aus sechs Leuten. Ohne die vielen Ehrenamtlichen – auch zahlreiche Männer –, die uns unterstützen, wäre das gar nicht machbar. Trotz aller Schwierigkeiten ist das Filmfest, das ursprünglich anlässlich des 20-Jahr-Jubiläums von Terre des femmes stattfand, in diesem Jahr bereits zum 15. Mal in Tübingen. Wir hoffen, dass noch mehr Männer kommen, denn die machen leider meist nur rund 20 Prozent der Besucher aus.
Warum sollten die Besucher zum Frauenfilmfestival gehen?
Zunächst einmal, weil wir viele ausgezeichnete Filme zeigen und viele interessante Filmemacher, Schauspieler und Aktivistinnen zu Gesprächen bereitstehen. Und zum ersten Mal haben wir in diesem Jahr auch ein kabarettistisches Rahmenprogramm, unter anderem mit Bloggerin Ninia LaGrande.
Das Frauenfilmfestival verfolgt aber auch eine politische Botschaft.
Die Menschen sollten sich bewusst machen, dass auch in Deutschland noch nicht alle Probleme in Bezug auf Frauenrechte gelöst sind. Häusliche Gewalt gibt es nach wie vor. Auch Zwangsprostitution findet vor unserer Haustür statt und betrifft vor allem in Stuttgart viele Roma-Mädchen aus Osteuropa.
Das Festival endet am 25. November, dem Internationalen Tag für die Beseitigung von Gewalt gegen Frauen. Was sind die Ursachen solcher Gewalt?
Tatsächlich führt das Filmfestival auf diesen Tag hin und zeigt dann auch entsprechende Filme. Gewalt gegen Frauen gründet sich nicht in erster Linie auf religiöse, sondern auf patriarchale Gesellschaftsstrukturen. Frauen müssen sich zusammentun, um dem zu begegnen. Gleichzeitig schwindet in Gesellschaften, in denen bestimmte Rechte bereits erkämpft wurden, das Bewusstsein dafür, dass diese Errungenschaften verteidigt werden müssen. Mit dem Erstarken konservativer Strömungen sind aber Rechte wie etwa das auf körperliche Selbstbestimmung und Abtreibung erneut bedroht.