Alles ziemlich verdreht: Die 37-jährige Schwäbin Nina Rausch arbeitet seit 17 Jahren in den Vereinigten Staaten als Schauspielerin und stellt nun für den deutschen Markt in „Wendezeit“ eine Amerikanerin dar.

Ingersheim - Erst Vorzeigedeutsche, jetzt Vorzeigeamerikanerin. Ja, was denn nun? Nina Rausch lebt in Los Angeles und arbeitet dort als Schauspielerin, und gerade zu Beginn ihrer Karriere wurde sie gern als typisch deutsches Mädchen gebucht, das sein mittelmäßiges Englisch nur mit hartem Akzent über die Lippen bringt. „Heute bin ich den meisten nicht mehr deutsch genug“, sagt sie lachend, und tatsächlich befallen sie nach knapp 17 Jahren in den USA Verständigungsschwierigkeiten.

 

Wie heißt das auf Deutsch, fragt sie dann. Die Konsequenz: Jetzt spielt sie in ihrer ersten großen Rolle für den deutschen Markt eine CIA-Agentin. Gecastet wurde die Ingersheimerin für „Wendezeit“ nach Gehör, danach, wie es klingt, wenn die Deutsche Deutsch mit amerikanischem Akzent spricht.

Vom Workshop zum Casting

Alles durcheinander. Aber es passt zu Nina Rausch. Ihr Leben ist turbulent. Gerade kommt sie aus Atlanta zurück, wo sie Schauspiel-Workshops gegeben hat, gleich steht ein Werbe-Casting an, und bald heißt es: Koffer packen. Heimat. Roter Teppich. Weltpremiere von „Wendezeit“. Der Film eröffnet am 21. August das 15. Festival des deutschen Films in Ludwigshafen. Der Thriller wird im Oktober im Ersten laufen – anlässlich 30 Jahre Mauerfall. Im Zentrum steht eine Doppelagentin (Petra Schmidt-Schaller), die sowohl für die Stasi als auch die CIA arbeitet und deren Tarnung mit dem Ende der DDR aufzufliegen droht.

Interview mit Nina Rausch: Von „Mad Men“ bis „Grey’s Anatomy“ – Der Dauergast in US-Qualitätsserien

Produziert wurde der Streifen von Moovie, einer Constantin-Tochter, in Koproduktion mit Rundfunk Berlin-Brandenburg und der ARD-Tochter Degeto. Regie führte der gebürtige Tübinger Sven Bohse („Ku’damm 59“), Produzent war Iris Berbens Sohn Oliver Berben.

Gespräche mit Zeitzeugen zur Vorbereitung

Und Mittendrin: Nina Rausch. Die war zwar schon in Hochglanz-Serien wie „Grey’s Anatomy“, „Orange is the new black“, „Mad Men“ oder „Criminal Minds“ zu sehen, hatte aber zuvor keine Erfahrung mit dem deutschen Film. „Am ersten Drehtag war ich sehr nervös, ich wusste gar nicht, wie es abläuft.“ Direkt nach dem Schulabschluss spielte sie zwar noch in Produktionen der Filmakademie Baden-Württemberg mit, ging dann aber als blutjunges Ding in die USA. Seit elf Jahren lebt Nina Rausch in L.A. Zweimal die Woche gibt sie Schauspielunterricht, schreibt Filme, dreht. Von der Zusammenarbeit mit den deutschen Promis war sie sehr positiv überrascht, wie sie sagt, „die waren alle so locker“. Die Arbeit von deutschen und US-Teams unterscheide sich kaum. „in Deutschland geht nur alles schneller. Die Amerikaner nehmen sich mehr Zeit zum Beleuchten“.

Nina Rausch ist 37. Den Mauerfall hat sie als Kind erlebt. „Aber ich weiß noch genau, wo der Fernseher stand und wie die Leute auf der Berliner Mauer saßen. Ich habe nicht verstanden, worum es geht, aber ich erkannte an der Stimmung meiner Eltern, dass es etwas Wichtiges war.“ Als Vorbereitung auf „Wendezeit“ hat sich sie Zeitzeugen-Gespräche geführt und das Berliner Spionagemuseum besucht. Und ganz viel Hauptstadt-Luft geschnuppert. Sie lacht. „Es war das erste Mal, dass ich in Deutschland allein gelebt habe, dass ich hier allein für mich eingekauft habe.“

Das Image der schaffigen Deutschen haftet ihr an

Zur Premiere in Ludwigshafen kehrt Nina Rausch gern zurück. Die Familie hat sich angekündigt, „das ist schön, denn in L.A. können sie nie dabei sein“. Das Image der schaffigen Deutschen aus der schwäbischen Kleinstadt, die es in der Traumfabrik geschafft hat, wird ihr wohl immer anhaften, doch sie macht sich das gern zunutze. Jüngst war Nina Rausch auf dem Titel des Reisemagazins „Discover Germany“. Worum es in der Geschichte ging? Schon klar. Doch das Californian Girl hat Blut geleckt. „Durch dieses Projekt ist Deutschland wieder viel interessanter geworden“, sagt sie. Neue Engagements in good old Germany? Von ihr aus gern. Wenn ihr Erlebnisse wie zuletzt an Weihnachten erspart bleiben. Da hat sie sich selbst im deutschen Fernsehen gesehen. In einer Folge der Krimiserie „Navy CIS“ – synchronisiert. Nina Rausch muss lachen. „Ich dachte nur: So piepsig klinge ich doch gar nicht.“