Ein Betrügerpärchen (Christian Bale, Amy Adams) geht dem FBI ins Netz. Ein ehrgeiziger Beamter schlägt einen Deal vor: die Profitrickser sollen ihm helfen, korrupte Politiker zu überführen. „American Hustle“ erzählt von einem wahren Fall und ist für 10 Oscars nominiert.

Stuttgart - Manche Geschichten sind einfach zu bunt und zu abstrus, um für wahr gehalten zu werden. Zu tief sind die Verstrickungen der Personen in Schuld und Betrug, zu ausgeklügelt ihre Täuschungsmanöver, zu abgebrüht ihre Reaktionen darauf. Trotzdem kann so eine Geschichte wahr sein. Aktuell beweist das Leonardo DiCaprio als gieriger Börsenmakler Jordan Belfort in „The Wolf of Wall Street“.

 

Der sogenannte Abscam-Skandal ist dafür aber ein ebenso gutes Beispiel: In den späten Siebzigern arbeitete ein Trickbetrüger mit dem FBI zusammen, um Politiker der Korruption zu überführen. Über eine Scheinfirma mit einem falschen arabischen Scheich boten sie Amtsinhabern Geld für politische Gefälligkeiten. So konnten sechs Mitglieder des Repräsentantenhauses, ein US-Senator und weitere Lokalpolitiker überführt werden.

Plauze und Halbglatze für den Ex-Batman

Vor dieser Folie spannt der Regisseur David O. Russell seine Gaunerkomödie „American Hustle“ auf. Und damit der Zuschauer den Plot nicht sofort als allzu dreist erdachtes Komödienspiel verwirft, heißt es gleich zu Beginn: „Einiges davon ist tatsächlich passiert.“ Interessant ist jedoch weniger, wie detailgetreu Russell den Abscam-Skandal nachzeichnet, sondern was er seiner Fiktionalisierung hinzufügt.

Da wäre zum Beispiel die sensationelle Besetzung: Christian Bale spielt den Trickbetrüger Irving Rosenfeld. Er ist physiognomisch kaum wiederzuerkennen: Nach seiner Hungerhakenrolle in „The Machinist“ und nach der muskelbepackten „Dark Knight“-Reihe fläzt er jetzt mit imposanter Plauze und mühsam toupierter Halbglatze im Sessel seines Kunsthändlerbüros. Bale hat nach eigenen Angaben binnen zwei Monaten 20 Kilo zugenommen für diese Rolle, ein Fettanzug kam für ihn nicht infrage.

Irving mag äußerlich eher wie eine kauzige Witzfigur erscheinen, aber er hat es faustdick hinter den Ohren. Als Kreditbeschaffer streicht er Provisionen für Kredite ein, die seine Kunden niemals erhalten. Sein Motto: „Ich betrüge lieber selbst, bevor ich betrogen werde.“

Würstchen mit Locken

Hilfe bekommt er dabei von Sydney Prosses, gespielt von Amy Adams. In reizende 70er-Kostüme geschlüpft, gibt sie die adelige Verführerin, die Irving dabei hilft, Verzweifelte auszunehmen. Dass die beiden gut miteinander können, entdecken sie ausgerechnet in einer Reinigung, in der sie zwischen einfolierten Kleidungsstücken turteln. Bald wird es für die beiden auch darum gehen, ihre Weste wieder weiß zu waschen.

Irving und Sydney werden von einem FBI-Agenten überführt und zur Kooperation gezwungen. Der ehrgeizige Beamte Richie DiMaso (Bradley Cooper), ein kleiner Fisch im Behördenapparat, ein Würstchen mit Lockenwicklerfrisur, das noch bei Mama wohnt, will durch einen Coup ganz groß rauskommen.

Irving und Sydney sollen den Bürgermeister von Camden (Jeremy Renner) der Korruption überführen. Irving nimmt den FBI-Jungspund aber gleich zur Seite und erklärt ihm anhand eines meisterlich gefälschten Rembrandts, wie der Hase im Betrügergeschäft läuft: „Die Welt ist nicht schwarz oder weiß, sondern extrem grau.“ Soll heißen: Wer von uns ist hier überhaupt der Schurke?

All die Zukurzgekommenen

Hier beginnt im Grunde erst der richtige Plot, mit so vielen Überraschungen, dass man nichts weiter verraten möchte. Nur so viel: irgendwann treibt die Eifersucht einen Keil in das Trio, Irvings labile Frau Rosalyn (grandios gespielt von Jennifer Lawrence) droht die ganze Operation zu ruinieren, und dann taucht auch noch die Mafia auf, in Gestalt eines kaum wiederzuerkennenden Robert de Niro.

Dazwischen liefern die Protagonisten einander ein derart skurril-chaotisches Masken- und Intrigenspiel, dass man bald nicht mehr weiß, wer hier wen und warum hintergeht. Irgendwann wird es selbst dem FBI-Agenten zu viel, und er schreit gegen die hämmernden Töne einer Disconacht an: „Ich will echt sein, verdammt!“

Kriminell, aber sympathisch

Der Regisseur David O. Russell widmet sich wie in seinen Filmen „The Fighter“ und „Silver Linings“ wieder jenen Charakteren, die im Leben zu kurz gekommen sind und das ändern wollen, indem sie sich neu erfinden. Koste es, was es wolle. Und irgendwie wirken diese Kleinkriminellen dadurch auch sympathisch.

Dazu kommt, dass der Film detailverliebt die Disco-Ära wieder aufleben lässt: Kostüme, so bunt wie die Story, Frisuren, die höher stapeln als ihre Träger, und goldgelbe Tapeten. Vergessen geglaubte wahnwitzige Kamerafahrten auf die Darstellergesichter erleben ihre Wiedergeburt.

Der hervorragende Soundtrack unterlegt so viele Szenen im Film mit Titeln von Donna Summer, Tom Jones oder den Bee Gees, dass sich der Vergleich mit einem anderen Film aufdrängt, der ebenfalls das Thema Mafia und kriminelle Exzesse behandelt, mit „Casino“ von Martin Scorsese. Und kaum zu glauben: auch dieser Film basiert auf einer wahren Begebenheit. Die Welt ist bunter, als man denkt.

American Hustle. USA 2013. Regie: David O. Russell. Mit Christian Bale, Amy Adams, Bradley Cooper. 138 Minuten. Ab 6 Jahren