Mit ihrer gewaltigen Stimme mischt Cristina Scuccia die Castingshow „The Voice of Italy“ auf. Die 25-jährige Nonne steht im Finale und hat außer dem Sieg jetzt nur noch einen Wunsch: den Papst zu treffen.

Rom - Einer größten Wünsche ist noch offen: Der Papst hat noch nicht angerufen. Aber trotzdem: sie zieht das durch. Und wie. Am Donnerstagabend steht Cristina Scuccia, die 25-jährige Nonne, beim italienischen Gesangswettbewerb „The Voice of Italy” im Finale. Das Publikum trägt sie auf Händen – oder besser: auf emporgereckten Daumen. Im „televoto“, also der Abstimmungsmaschinerie der Zuschauer von zu Hause aus, haben die anderen drei Kandidaten keine Chance mehr.

 

Dabei ist bei diesem Star so gar nichts mit knappen Glitzerkleidchen und hochhakigen Schuhen. Cristina rockt in ihrer schwarzen Ordenstracht, dass der Schleier fliegt und das silberne Brustkreuz gleich mit. Und an den Füßen trägt sie flache, unförmige schwarze Gesundheitstreter, so wie der Papst eben auch. Seit der ersten öffentlichen Runde des italienischen „The Voice“ im März ist Schwester Cristina der Hit. Das allererste Video, jenes, auf dem sie das Lied „No One” von Alicia Keys so fulminant auf die Bühne bringt, dass es unter den Juroren selbst den wild tätowierten Rapper J-Ax zu Tränen rührt, ist auf Youtube mehr als 50 Millionen Mal geklickt worden. In der „New York Times“ hat Cristina es schon auf die Titelseite geschafft. Und Kylie Minogue hat es sich zur Ehre angerechnet, Seit’ an Seit’ mit der Nonne aufzutreten. „Ich habe eine Gabe, und die will ich weiterschenken”, sagt die gebürtige Sizilianerin. Und aus dem Vatikan, von Kardinal Gianfranco Ravasi kam über Twitter der öffentliche Segen dafür: „Recht so! Mögen viele das tun!“

Der Vatikan gibt Schwester Cristina seinen Segen

Berührungsängste hat Schwester Cristina nicht. Vor lasziven Titeln wie „Girls just wanna have Fun” von Cindy Lauper ebenso wenig wie vor Bon Jovi, mit dem sie sich am Mittwochabend ins Semifinale rockte. Gut: „Living on a Prayer”, das war dem Titel nach ja fast ein geistliches Heimspiel für die Ordensfrau. Und hinter der Bühne rockten gleich ein paar ihrer Mitschwestern begeistert mit. Die sind ja auch nicht ohne: Der vor knapp 500 Jahren gegründete Ursulinenorden, dem Cristina Scuccia angehört, hat sich von Anfang an als weltoffene, moderne und emanzipatorische Erziehungseinrichtung für Frauen und Mädchen verstanden. In Rom unterhalten sie heute die Star Rose Academy, eine Schauspiel-, Gesangs- und Musikschule, die zu den führenden in einem Land gehört, wo es der Traum der meisten jungen Mädchen ist, ins Fernsehen zu kommen. Geleitet wird die Talentschmiede übrigens von der Schauspielerin Claudia Koll, die ihre erste Berühmtheit aus tendenziell wenig bekleideten Auftritten in Erotikfilmen bezog – unter anderem mit Tinto Brass –, bevor sie sich zum katholischen Glauben und moralverträglichen Rollen bekehrte.

Der Star Rose Academy verdankt Schwester Cristina auch ihre eigene, ihre Musical-Ausbildung. Und danach blieb sie bei den Ursulinen hängen. Aber nicht der Bühne wegen. Es ging eher in die entgegengesetzte Richtung: von der Bühne weg. Cristina trat in den Orden ein, machte in Brasilien ihr zweijähriges Noviziat, legte ihre Gelübde ab – der Armut, der Ehelosigkeit und des Gehorsams. Deswegen nennen sie sie in Italien ja auch nicht „die Nonne, die singt“, sondern „die Sängerin, die Nonne geworden ist“. Und, im Hauptberuf, Kindergärtnerin für Mädchen in Mailand.

Sie sagt, Jesus habe ihren Traum erhört

Natürlich: ruhig arbeiten kann sie da nicht mehr. „Sie kennen mich jetzt alle, und auf der Straße halten mich die Leute auf, um mir zu sagen, wie viel Freude ich ihnen gemacht hätte”, sagt Schwester Cristina. „Aber das ist recht so. Ich möchte in die Herzen der Menschen eindringen.” Ihr Mädchentraum sei es schon in der sizilianischen Provinz gewesen, Sängerin zu werden: „Jesus hat das gehört und mir den Traum gemäß seinem Willen zu erfüllen geholfen“, sagt sie. „Es ist ein ganz neues Leben. Das hätte ich mir früher nie vorstellen können, und jetzt gebe ich die Freude, die Leidenschaft, die er mir gibt, an die anderen weiter.“

Der Rapper und Juror J-Ax übrigens stürmte, als er am ersten Abend seine grenzenlose Verblüffung überwunden hatte, auf die Bühne, schlug die tätowierten Arme eng um Schwester Cristina und wirbelte sie durch die Luft. Dann erklärte er sich bereit, ihr Coach zu werden. „Wir sind wie der Teufel und das Weihwasser”, sagte J-Ax. Tja, man sieht: es klappt bestens.