Jungunternehmer wie Vaamo und Ginmon machen Banken und Versicherungen mit kostengünstigen Online-Lösungen Konkurrenz. Fintechs werden die jungen Unternehmen genannt.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Stuttgart - Am Montag soll es so weit sein: Dann beginnt die Testphase für ein neues Online-Bezahlverfahren, an dem die deutsche Kreditwirtschaft seit Monaten arbeitet. Als erstes Institut werde die Hypo-Vereinsbank zusammen mit einem Online-Möbelhändler das System Paydirekt erproben, enthüllte kürzlich das „Handelsblatt“. Im November soll das System dann marktreif sein.

 

Eine Revolution ist allerdings nicht zu erwarten, denn nach allem, was bisher über die Pläne bekannt wurde, wird Paydirekt ähnlich funktionieren wie der bekannte Online-Bezahldienst Paypal. Bei dem US-Anbieter sind heute schon 16 Millionen deutsche Kunden registriert. Die deutsche Finanzbranche sah jahrelang zu, wie die Kalifornier den Markt aufrollten.

Eine süffisante Frauenstimme verspottet die Banken

Und längst formieren sich weitere Angreifer aus dem Netz. Fintechs werden die jungen Unternehmen genannt, die mit Online-Lösungen den klassischen Angeboten von Banken und Versicherungen Konkurrenz machen. Ein Beispiel ist die Frankfurter Firma Vaamo, die kürzlich mit einem Radiowerbespot auf Kundenfang ging. „Danke für die falschen Produkte und die hohen Gebühren“, spottete darin eine süffisante Frauenstimme an die Adresse der „lieben Banken“.

Die Attacke kam aus der zweiten Etage eines Hinterhauses, einige Kilometer von den Banktürmen entfernt. Hier teilen sich die beiden Vaamo-Gründer Oliver Vins und Thomas Bloch und ihre 16 Festangestellten ein Großraumbüro. Die Belegschaft besteht zur Hälfte aus IT-Experten, klassische Anlageberater gibt es nicht. Bei Vaamo gibt der Kunde seine Daten vielmehr in eine Online-Maske ein. Auf Basis von Anlagesumme, Risikoneigung und Anlagedauer stellt das Programm ein Depot aus verschiedenen Fonds zusammen. Seit dem Start der Website im Oktober habe sich eine „vierstellige Zahl“ von Kunden eingefunden, berichtet Vins. Vor der Gründung von Vaamo arbeitete der 38-Jährige acht Jahre lang als Berater bei McKinsey mit Banken zusammen. „Damals hat sich dort für Digitalisierung noch niemand interessiert, ich sah da einen Riesenbedarf.“

Lars Reiner war von der Deutschen Bank enttäuscht

Ganz ähnliche Motive bewegten die drei Gründer des Fintechs Ginmon, Lars Reiner, Raphael Vosen und Ulrich Bauer. Reiner arbeitete nach dem Studium drei Jahre lang in der internen Strategieberatung der Deutschen Bank. Dort sei „eine transparente und kostengünstige Online-Beratung“ nicht durchzusetzen gewesen, sagt der 27-Jährige. Auch Ginmon bietet seinen Kunden die Zusammenstellung eines Fondsdepots auf Basis eines interaktiven Fragebogens an, die Website ist seit Mai öffentlich zugänglich.

Ganz neu ist die Idee nicht: Die kleine Berliner Quirin Bank verfolgt mit ihrem Online-Ableger Quirion schon seit Ende 2013 ein ähnliches Konzept, allerdings nur für Kunden mit Anlagesummen von mindestens 10 000 Euro. Die meisten etablierten Institute bieten nichts Vergleichbares. Ein Wertpapier- oder Fondsdepot online zu eröffnen ist zwar bei vielen Banken möglich, aber deren Kunden bleiben bei der Zusammensetzung ihrer Depots sich selbst überlassen – oder müssen eben ganz klassisch einen Berater aufsuchen.

Der Service ist natürlich nicht umsonst

Ginmon-Gründer Raphael Vosen erinnert sich an seine eigenen Erfahrungen als Kunde einer Direktbank: „Ich habe Nächte gebraucht, um aus dem Wust an ETFs (Exchange Traded Funds, deutsch: börsengehandelte Fonds, Anm. d. Red.) und Sparplänen ein sinnvolles Portfolio zusammenzustellen.“ Das Ziel von Ginmon sei, die Hürden zu senken: „Für die allermeisten Menschen eröffnen wir überhaupt erst diesen Markt, weil sie sich da selbst überhaupt nicht herantrauen“, sagt Vosens Kompagnon Reiner. Diesen Service gibt es natürlich nicht umsonst. Sowohl Ginmon als auch Vaamo und Quirion berechnen für ihre Dienste einen Anteil an der Anlagesumme, der unter einem Prozent liegt. Die Einrichtung des Depots bei der jeweiligen Partnerbank ist darin bereits inbegriffen.

Die Anlagestrategie folgt in allen drei Fällen dem gleichen Grundprinzip: Eine Verteilung der Kundengelder über verschiedene Fonds mit Tausenden einzelner Aktien und Anleihen, um die Gefahr von Verlusten zu minimieren. Die in den Online-Fragebögen erhobenen Angaben zu Alter, Anlagedauer und Risikobereitschaft des Kunden dienen dazu, das Verhältnis zwischen schwankungsanfälligen Aktien und wertstabileren Anleihen zu bestimmen. Als Hilfestellung wird bei Ginmon und Quirion neben der erwarteten Rendite auch der maximal zu befürchtende Verlust angezeigt – beides auf Basis der historischen Entwicklung des Depots. Welches Risiko er für angemessen hält, entscheidet der Kunde dann letztlich selbst.

Der Professor zweifelt am Mehrwert einer Beratung

Wer zusätzlich eine persönliche Beratung wünscht, kann diese bei Quirion telefonisch gegen ein Zusatzhonorar bekommen. Vaamo und Ginmon verfügen hingegen über keine Beraterlizenz, ihr telefonischer Kundenservice beschränkt sich deshalb auf allgemeinere Hinweise: „Statt einer individuellen Anlageberatung am Telefon bieten wir den Kunden für typische Fragen wie ,Was muss ich beachten, wenn ich in ein paar Jahren ein Eigenheim bauen möchte?‘ oder ‚Wie viel Geld sollte ich monatlich für meine Altersvorsorge mit Ginmon zurücklegen?‘ allgemein gültige Hinweise in Form von Blogartikeln, E-Books und Infografiken“, erläutert Ginmon-Gründer Vosen.

Andreas Hackethal, Professor für Finanzen an der Uni Frankfurt und Aufsichtsratschef von Vaamo, zweifelt am Mehrwert einer persönlichen Beratung für die Zusammenstellung eines Fondsdepots. „Selbst wenn der Berater sehr viele Fragen stellt, muss er sie am Ende doch in ein Musterportfolio umsetzen“, sagt Hackethal, der bei der Entwicklung der Online-Plattform durch seine ehemaligen Doktoranden Vins und Bloch Pate stand. Im Wesentlichen gelte es zwei Dinge zu berücksichtigen: die breite Streuung und das Anlageziel. „Schließlich ist für die Frage, wie hoch das Risiko sein darf, entscheidend, wann und wie schnell ich das Geld wieder brauche.“

Der Kunde sieht jederzeit, ob er noch auf Kurs ist

Bei Vaamo können die Kunden bei Eröffnung ihres Depots ganz konkrete Sparziele festlegen, beispielsweise den Kauf eines Eigenheims oder die Finanzierung der Ausbildung ihrer Kinder. Auf der Website können sie dann jederzeit nachschauen, ob sie noch auf Kurs sind. „Das übersetzt für Privatanleger die Bedeutung einzelner Marktbewegungen“, erläutert Vaamo-Gründer Vins. Als Beispiel nennt er die jüngsten Turbulenzen infolge der Griechenland-Krise: Trotz der Kurseinbrüche an der Börse seien bei Vaamo kaum besorgte Anrufe eingegangen, „weil die Kunden sehen konnten, dass ihre langfristigen Sparziele nicht gefährdet sind“.

Das Angebot sei noch ausbaufähig, räumt Vins ein. „Wir überlegen, wie wir den Kunden noch stärker an die Hand nehmen können – zum Beispiel bei der Frage: ‚Wie groß ist meine Vorsorgelücke eigentlich?‘“ Auch die Ginmon-Gründer denken in Richtung langfristige Finanzplanung, „inklusive der Berechnung sinnvoller Sparraten für die Kunden“. „Wir sehen uns als lebenslanger Anlageberater“, sagt Vosen.

Versicherungen kommen schwer an junge Leute heran

Ganz ähnliche Ambitionen verfolgt Christopher Oster mit seiner Online-Plattform Clark – allerdings für den Versicherungssektor. Die im Juni gestartete Website geht über die bekannten Preisvergleichs-Plattformen hinaus: Sie bietet Verbrauchern an, ihre bestehenden Versicherungsverträge mit Blick auf ihre Lebenssituation zu analysieren und Verbesserungsvorschläge zu machen – auch bezüglich der Kosten. „Wir haben getestet: In unserem Team könnte bei den Sachversicherungen jeder 40 Prozent sparen“, sagt Oster. Clark kann nach seinen Angaben Verträge bei 95 Prozent aller Versicherungsunternehmen in Deutschland vermitteln. Die Gesellschaften seien an einer Kooperation sehr interessiert: „Die Versicherungen wissen, dass sie an junge Leute nicht gut herankommen.“ Die 25- bis 35-Jährigen verfügten heute über deutlich weniger Verträge, als es in dieser Altersgruppe noch vor zehn Jahren der Fall gewesen sei.

Auch bei den Banken ist das Interesse an einer Zusammenarbeit mit Fintechs inzwischen groß. So plant die Deutsche Bank drei „Innovationslabors“ in Berlin, London und im Silicon Valley. Dort will man „gemeinsam mit Start-ups und akademischen Einrichtungen“ an neuen technischen Lösungen arbeiten. Die Commerzbank gründete schon Ende 2013 den „Main Incubator“, um Fintechs mit Kapital, Knowhow und Zugang zu den Commerzbank-Kunden zu unterstützen. Aktuell ist der Main Incubator an zwei Startups beteiligt: Gini aus München bietet eine Software an, die mit dem Smartphone fotografierte Dokumente analysieren und verarbeiten kann. So kann das Programm Daten aus einer Rechnung automatisch in eine Buchungssoftware einlesen. Noch vor den Münchnern nahm der Main Incubator die Firma Traxpay unter seine Fittiche. Das Frankfurter Startup hat ein Online-Bezahlsystem für Unternehmen entwickelt. Dessen Funktionen gehen weit über die von Paypal hinaus – und dürften auch das neue System Paydirekt ziemlich alt aussehen lassen.

Die Angreifer aus dem Netz

Fintechs

Der Begriff Fintechs setzt sich aus den Wörtern Finanzen und Technik zusammen und kommt aus den USA. Dort entstanden noch vor Erfindung dieser Bezeichnung die ersten Unternehmen, die Finanzdienstleistungen für das Internet entwickelten. Das Paradebeispiel ist das Online-Bezahlverfahren Paypal. Während der US-Konzern inzwischen mehr als 10 000 Menschen beschäftigt, sind die meisten Fintechs noch sehr klein. Auch in Deutschland gibt es aber bereits eine Erfolgsgeschichte: Die vor 15 Jahren gegründete Devisenhandelsplattform 360T wurde Ende Juli für 725 Millionen Euro von der Deutschen Börse übernommen.

Leistungen

Einige Fintechs besetzen Nischen, die etablierte Banken ganz bewusst meiden. Ein Beispiel sind Crowdfunding-Plattformen, die Kapital für soziale Projekte oder Gründer einsammeln – ein Geschäft, das vielen klassischen Geldhäusern zu riskant ist. Auch Kreditplattformen richten sich teilweise an eine Klientel, die Banken zu unsicher ist. Doch längst dringen Fintechs auch in Geschäftsfelder wie die Anlageberatung vor. Die Start-ups deckten „offene digitale Flanken traditioneller Banken“ auf, warnt der Deutsche-Bank-Experte Thomas Dapp in einer Branchenanalyse.