Beim TSV Schmiden beruht das Behandlungskonzept auf drei Säulen: Mobilität, Stabilität und Kräftigung.

Schmiden - Sabrina Wörner schlägt die Augen auf. Der Schmerz ist wieder da. Ein Stechen im Rücken, ähnlich einem Muskelkater – doch so schlimm, dass sie nicht aufstehen kann. Sie wartet, hofft, dass der Schmerz abklingt. Erst eine halbe Stunde später schafft sie es aus dem Bett, und nach einer Weile verschwindet das Stechen mit der Bewegung.

 

Sie pumpte sich mit Schmerzmitteln voll

Sabrina Wörner litt zwei Jahre lang unter chronischen Rückenschmerzen. Es begann mit der Schwangerschaft ihres zweiten Kindes und flaute nicht ab, als es geboren wurde. Der Arzt diagnostizierte einen Bandscheibenvorfall und empfahl ihr, Sport zu treiben. Sie pumpte sich mit Schmerzmitteln voll.

Rückenschmerzen ist die zweithäufigste Einzeldiagnose für Krankschreibungen. Wer deshalb zum Arzt geht, bekommt meist Physiotherapie oder Schmerztabletten verschrieben. Das verspricht kurzfristige Linderung, doch die Betroffenen sitzen immer noch im Büro, heben schwer oder falsch. Und die anfängliche Motivation, regelmäßig zu Hause Sport zu treiben, verpufft schnell; längere Aufbaukurse gibt es kaum.

Aus den Lautsprechern tönt Wonderwall von Oasis

Deshalb eröffnete beim TSV Schmiden im April 2018 das Reversus – das Rückenkompetenzzentrum, eine Art Fitnessstudio mit festen Kursen. Ein einjähriges Programm soll eine Straße vom Reha-Angebot des Vereins zum Fitnessstudio Activity bilden. Wer nach einem Reha-Kurs noch Anleitung braucht und nicht weiß wohin, der landet beim Fitnessökonomen und Sportmanager Robin Vogt. Der 22-Jährige arbeitete schon während seines dualen Studiums beim TSV Schmiden und baute das Reversus mit auf.

Jetzt leitet er die Teilnehmer des Programms an, darunter auch Sabrina Wörner. Robin Vogt, dunkelgrünes T-Shirt, weiße Trainingssocken, sitzt vor einem Spiegel, um ihn herum pinke Yogamatten. Aus den Lautsprechern tönt Wonderwall von Oasis, es riecht nach Gummi.

Robin Vogt erklärt beim Stabilitätstraining, wie die Geräte funktionieren. Foto: Sarah Bioly
„Geht in einer Dreier- und einer Vierergruppe zusammen, nehmt eure Therabänder und knotet sie an einem Ende zusammen“, sagt er. Beim Mobilitätstraining wird die Beweglichkeit trainiert. Die Teilnehmer führen ungewöhnliche Bewegungen aus, um ihre Flexibilität zu erhöhen. „Ich komme mir vor wie eine Balletttänzerin“, sagt Sabrina Wörner, als sie am freien Ende des Therabandes zieht und versucht, ihren linken Fuß kreisen zu lassen. Sie ist dreiunddreißig. Sie trägt eine kurze Hose und ein T-Shirt. Sie wankt ein wenig.

Das Konzept des Reversus beruht auf drei Säulen – Mobilität, Stabilität und Kräftigung. Nach der Gruppenübung, die eine Stunde dauert, trainiert deshalb jeder noch über eine Stunde mit seinem Trainingsplan an den Geräten. So soll die Rumpfmuskulatur gestärkt und die Wirbelsäule stabilisiert werden. Sabrina Wörners linke Rumpfrotation hat sich seit der ersten Messung zu Beginn bis zur zweiten Messung ein halbes Jahr später von 33 auf 36 Grad, die rechte von 36 auf 50 verbessert.

85 Leute trainieren derzeit im Reversus

Jetzt kramt sie im Aktenschrank nach ihrem Trainingsplan. Robin Vogt erneuert diesen im Schnitt alle sechs Wochen und trägt auch das Befinden seiner Teilnehmer ein. Wie haben sie geschlafen, wie fühlen sie sich. Vor einem Jahr waren die Balken bei Sabrina Wörner noch orange, jetzt sind sie hellgrün, manchmal sogar dunkelgrün. Seit Eröffnung kommt sie zwei bis dreimal wöchentlich. Von Montag bis Donnerstag werden immer abends Kurse angeboten, am Freitag kann frei trainiert werden. Die Rückenschmerzen von Sabrina Wörner sind seit einem halben Jahr verschwunden, Schmerztabletten nimmt sie keine mehr. Anders ist das bei Jan Matzka. Auch der 34-Jährige meldete sich mit der Eröffnung des Zentrums an, doch ab und zu fährt der Schmerz immer noch in seine Lende. „Würde ich zum Mobilitätstraining kommen, dann würde es sich vielleicht bessern“, meint er.

Sie sollen ihren Patienten von dem Angebot erzählen

85 Leute trainieren derzeit im Reversus, 41 Mitglieder gibt es, der Rest sind Mitarbeiter oder Mitglieder anderer Angebote des TSV Schmiden wie dem CrossFit oder Capoeira. Doch Robin Vogt möchte noch mehr Teilnehmer. Deshalb kontaktiert er vor allem Ärzte. Sie sollen ihren Patienten von dem Angebot erzählen – auch weil ein Großteil der Betroffenen mit der Aussage vom Arzt, sie sollen Sport treiben, nichts anfangen kann. So ging es auch Sabrina Wörner. Sie joggte, doch damit baute sich die Rückenmuskulatur nicht auf. Sie probierte es im Fitnessstudio, doch nach ein paar Wochen wurde sie zur Karteileiche. Beim Reversus war das anders. Die festen Trainingszeiten und die kleinen Gruppen motivierten sie. Jetzt könnte sie ins Fitnessstudio Activity wechseln, hätte dadurch mehr Trainingsflexibilität, aber eine weniger intensive Betreuung. Doch sie will bleiben. „Jetzt kann ich endlich Hangeln“, erzählt sie stolz. Ihr nächstes Ziel ist ein Klimmzug.