Ein Fest! Im Theaterhaus fügen Brigitta Luisa Merki und ihre Kompanie Flamencos en route aus dem Können von 13 Künstler-Individuen ein faszinierendes Tanz-Mosaik.

Stadtleben/Stadtkultur/Fildern : Andrea Kachelrieß (ak)

Stuttgart - Ein Mosaik ist ein Bild, das sich aus vielen Einzelstücken zusammenfügt. Vor allem von antiken Exemplaren ist man das Fragmentarische gewohnt: Im Lauf der Zeit gingen Steinchen verloren, Fehlstellen erzählen von der Fragilität dieses ehemaligen Ganzen. Und so könnte das Mosaik auch als Motiv stehen für eine diffuse Sehnsucht nach diesem intakten Ganzen, nach einer Homogenität, die uns auch in anderen Bereichen verloren ging.

 

„Mosaico“ nennt Brigitta Luisa Merki das neue Tanzstück für ihre Kompanie Flamencos en route also nicht nur deshalb, weil sie es wie einen Flickenteppich aus vielen bunten Fundstücken gefügt hat. Im Tanz-Mosaik der Schweizer Choreografin schwingt in den sich zu Beginn der einzelnen Teile eng drängenden Gruppen immer auch die Sehnsucht nach diesem Ganzen mit, das harmonisch und schön ist, aber auch schwer herzustellen. Denn eines ist klar: 13 Künstler-Individuen, wie sie „Mosaico“ zusammenbringt, sprengen jeden Rahmen, fordern Raum für ihre Kunst – und finden doch immer wieder zusammen.

Starke Stimme: Karima Nayt

Hautnah zu erleben ist das derzeit bei der deutschen Erstaufführung von „Mosaico“ beim Gastspiel der Schweizer Tänzer im Stuttgarter Theaterhaus, wo sie noch bis zum 20. Januar auftreten. Klassische Musik trifft hier auf Elektrosound, das Vertikale des Flamenco auf die expressiven Bodengänge des zeitgenössischen Tanzes, Leidenschaft auf Melancholie, harter Flamenco-Tritt auf barfüßige Expressivität, rauhe Stimme auf zarten Gesang. Sehr abwechslungsreich ist das, auch wenn die Übergänge zwischen den Mosaik-Teilen oft hart und scharfkantig ist, nur selten fügen sich einzelne Stücke zu einem größeren Bild.

Stand bei den letzten beiden Gastspielen von Flamencos en route die bildende Kunst – von Mirò, von Zurbaràn – im Vordergrund, treibt nun der Dialog von Tanz und Musik, das Zusammenspiel von ganz unterschiedlichen Künstlern den Abend an. Mit dem Choreografen David Coria und zwei zeitgenössischen Tänzern öffnet Merki auch eine neue Sicht auf den Flamenco, dessen Bild von selbstbewussten, unabhängigen Frauen in „Mosaico“ besonders beeindruckt.

Die dunkle, starke Stimme der algerischen Sängerin Karima Nayt (die übrigens fast so gut tanzt wie singt), dazu die brüchige rauhe von Vicente Gelo, begleitet von einem Perkussionisten und zwei Gitarren-Virtuosen: die Musik hält dieses Mosaik zusammen. Schade zwar, dass der charmant-forsche „Bolero“ des Ensembles Chaarts vom Band kam. Trotzdem nimmt man tolle Bilder von einer Kompanie mit, die nach 34 Jahren so jung wie schon lange nicht mehr aussieht.