Wie es sich wohl angefühlt hat, aus der damaligen DDR zu fliehen? Wie verhalte ich mich in einem Flüchtlingslager? Rawand Ahmad will solche Fragen in einem Computerspiel beantworten. Das Vorhaben ist eine Gratwanderung.

Ludwigsburg - Als Kind ist Rawand Ahmad mit seiner Familie aus dem Irak geflohen. Seitdem, sagt er, muss er im Alltag immer wieder Rede und Antwort stehen - nicht nur über die eigene Flucht, sondern auch über die von Anderen. Heute sitzt Ahmad in einem Büro in Ludwigsburg am Schreibtisch und bastelt an einer Figur für sein Computerspiel. Ziel des PC-Games: einen Fluchtweg meistern.

 

Eine Idee, die in die Zeit passt und die ankommt: Ahmad macht sich Hoffnung auf eine Auszeichnung der Bundesregierung. Er ist mit dem Spiel für den Titel „Kultur- und Kreativpiloten“ nominiert, der an diesem Mittwoch vergeben wird. „Für mich ist das ein Zeichen der Anerkennung“, sagt Ahmad.

Ernsthafte Spiele bringen auch Chancen

Ein so emotionales und komplexes Thema in ein Spiel zu verwandeln, sei eine schwierige Angelegenheit, räumt der 32-jährige Entwickler ein. Es sei eine dauernde Gratwanderung zwischen Spiel und Ernsthaftigkeit. Spiele über ernste Themen (engl.: Serious Games) könnten schnell geschmacklos werden, sagt auch Jan Michael Boelmann, Experte für Computerspiele an der Hochschule Freiburg.

Aber die ernsthaften Spiele bringen auch Chancen mit sich: „Wenn wir spielen, gehen wir ein paar Schritte in den Schuhen anderer Menschen und verstehen damit die Welt ein bisschen besser“, sagt Boelmann. So könne eine Situation, die für viele Menschen unvorstellbar ist, zugänglich werden. Und dafür seien Spiele oft besser geeignet als klassische Medien, sagt auch Felix Falk vom Verband der deutschen Games-Branche.

Sogar ein eigenes Unternehmen gegründet

Anders als beim Film müsse man beim Computerspiel nämlich selbst Entscheidungen treffen - und auch die Folgen ausbaden. „Man versucht ja immer, ein guter Mensch zu sein und das richtige zu tun. Aber manchmal ist es nicht immer eindeutig, was gut und was schlecht ist“, sagt der Kurde. Besonders während einer Flucht sei das so gewesen. „Und wenn man stirbt, ist man tot“, sagt er. Das gelte auch für sein Spiel.

Noch ist „The Way Ahead“ (deutsch: Der Weg voraus) mitten in der Entwicklung. Am Ende soll es um vielfältige Fluchterfahrungen und -wege gehen, egal, ob aus Syrien oder aus der früheren DDR, ob als Mann oder Frau. Für die künftigen Spieler hat Ahmad aber schon einen Tipp: „Information ist die wichtigste Ressource auf einer Flucht. Die Entscheidung zwischen Wasser oder einem Telefon sollte eindeutig auf Letzteres fallen.“

Dass er momentan noch kein Geld mit dem Projekt verdient, sei für ihn nicht so wichtig: „Für mich ist es das wert. Ich will etwas entwickeln, womit ich etwas bewirken kann“. Dafür hat der Spieleentwickler aus Ludwigsburg jetzt sogar ein eigenes Unternehmen gegründet. Bald will er auch Themen wie psychische Gesundheit oder die Konflikte rund um den Klimawandel in Spielen aufarbeiten.