Die Grenzschutzagentur soll weggesehen haben, wenn Flüchtende in ihren Booten auf das Mittelmeer zurückgeschleppt wurden. Diese Enthüllung steht in einer Reihe von mehreren Skandalen.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Die Vorwürfe gegen Frontex stehen seit Jahren im Raum. Nun scheinen sie sogar durch einen internen EU-Bericht bestätigt. Die EU-Grenzschutzagentur habe weggesehen, wenn die griechische Küstenwache Flüchtlinge in ihren Booten wieder aufs Meer zurückgedrängt habe, heißt es in dem 129 Seiten starken Papier über die sogenannten Pushbacks.

 

Die Europaabgeordnete Cornelia Ernst (Die Linke) forderte am Freitag, die EU-Kommission müsse „unverzüglich Vertragsverletzungsverfahren gegen Griechenland einleiten, unter Androhung der Kürzung von EU-Mitteln“. Die Politikerin gehört dem Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) im Europaparlament an, dessen Mitglieder den vertraulichen Bericht der EU-Betrugsbekämpfungsbehörde Olaf zu den sogenannten Pushbacks von Migranten einsehen konnten.

Ausweichende Antwort der EU-Kommission

Die Erklärungen der EU-Kommission angesichts des Berichtes sind eher ausweichend. „Wir arbeiten eng mit den griechischen Behörden zusammen“, heißt es von der Kommissionssprecherin Anitta Hipper. Die EU müsse ihre Außengrenzen schützen, der Respekt der Menschenrechte sei dabei jedoch grundlegende, betont sie.

Konfrontiert mit den Pushback-Vorwürfen, erklärte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock bei einem Besuch in Athen am Donnerstag, dass die EU die gemeinsame Außengrenze schützen müsse, die „europäischen Werte“ dabei aber weiter gelten müssten. Sie wiederholte auch ihre Forderung nach einer gemeinsamen europäischen Seenotrettung, um Flüchtende vor dem Ertrinken zu bewahren. Derzeit übernehmen Hilfsorganisationen diese Aufgabe. Baerbock betonte: „Mittelfristig muss diese Aufgabe wieder zu einer staatlichen Aufgabe werden.“

Griechenland weist die Vorwürfe zurück

Die griechische Regierung hat Berichte über Pushbacks immer wieder zurückgewiesen. Migrationsminister Panagiotis Mitarachi erklärte zu den aktuellen Vorwürfen: „Ich habe den Bericht nicht gelesen, sondern nur die Zusammenfassung.“ Dort werde Griechenland nicht direkt beschuldigt, etwas Falsches gemacht zu haben. Und Mitarachi betonte: „Wir haben das Recht unsere Grenzen zu schützen.“ Er könne allerdings auch nicht ausschließen, dass bei den Einsätzen der griechischen Marine individuelles Fehlverhalten gebe.

Der EU-Bericht über die Pushbacks steht in einer Reihe von Enthüllungen über die Arbeit von Frontex. Im April dieses Jahres musste nach schweren Vorwürfen im Zusammenhang mit illegalen Zurückweisungen von Migranten im Mittelmeer sogar der langjährige Exekutivdirektor Fabrice Leggeri zurücktreten. Führungskräfte von Frontex sollen vertuscht haben, dass griechische Grenzschützer Flüchtlingsboote auf offene Meer zurückschleppten.

Verfehlungen und Führungsprobleme

Nur Tage zuvor hatte das Europaparlament die Haushaltsentlastung von Frontex verweigert. Dabei sei es allerdings nur um nicht aufgearbeitete „interne Verfehlungen und weitreichende Führungsprobleme“ im Haushaltsjahr 2020 gegangen, betonte die Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses, Monika Hohlmeier (CSU). Doch schon damals machten die internen Ermittlungen wegen der Pushbacks die Runde. Man habe den entsprechenden Bericht nicht einsehen können und sei deshalb nicht in der Lage, eine sachkundige Entscheidung zu treffen, hieß es noch Anfang April. Der Grünenabgeordnete Daniel Freund, auch er Mitglied im Haushaltsausschuss, ahnte allerdings die Tragweite. Er betonte, die Grenzschutzagentur dürfe „mit der Beteiligung an illegalen Pushbacks“ nicht durchkommen.