Die Murad-Quattos wohnen auf dem Fasanenhof. Allerdings würden sie es anders nennen. Die zehnköpfige Flüchtlingsfamilie wünscht sich dringend mehr Privatsphäre. Doch das ist nicht so einfach.

Fasanenhof - Dugure ist eine Stadt im Nordirak, die am Fuße des Shingal-Gebirges liegt. 2014 lebten hier noch gut 30 000 Menschen, darunter auch die neunköpfige Familie Murad-Quatto. Es muss damals vermutlich ein Tag wie jeder andere gewesen sein, als auf einmal die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) mit angelegten Maschinengewehren die Stadt überfiel.

 

Sie konnten rechtzeitig entkommen

Die Murad-Quattos, das sind die Eltern Elias (44) und Ghazal (39), die fünf Söhne Hawal (6), Shaker (15), Shaher (18), Maher (20) und Ahmed (22), die Tochter Martina (13) und die Großmutter Lkhan (80). Sie konnten rechtzeitig fliehen und ließen in diesem Moment alles zurück, was sie besaßen. Das Haus, die Arbeit, Freunde, ihr ganzes bisheriges Leben. Von der Türkei über Griechenland kamen sie nach einer zweijährigen Odyssee 2018 in Deutschland an – genauer gesagt in Ellwangen.

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Seitdem wohnten sie in verschiedenen Unterkünften, bis sie zuletzt zwei Zimmer mit je 20 Quadratmetern in dem Flüchtlingsheim an der Bonhoefferkirche auf dem Fasanenhof bezogen, in dem noch eine weitere Familie lebt. Hier wird geschlafen, gekocht, gegessen und gelernt. Die sanitären Anlagen sind in einem Extra Container gegenüber. Gerade in der kalten Jahreszeit ist man immer wieder der Kälte ausgesetzt. „Wir haben uns daran schon ein wenig gewöhnt“, sagt Shaher verhalten lächelnd. Doch der Vater möchte diese Umstände nicht weiter akzeptieren beziehungsweise seiner Familie zumuten und bemüht sich schon seit geraumer Zeit um eine eigene Wohnung.

Einstiger Flüchtling hilft nun anderen

Unterstützt wird er dabei von dem Beratungscenter Metis GmbH in Bad Cannstatt und von einem Freund der Familie, Walid Khalaf. Walid floh einst selbst mit 15 Jahren aus dem Irak und hilft heute anderen Flüchtlingen, hier in Deutschland Fuß zu fassen. Der Jurastudent assistiert bei Behördengängen oder dabei, Formulare auszufüllen. Wo in Deutschland man ihnen eine Wohnung anbieten würde, wäre ihnen egal und sei es am anderen Ende der Bundesrepublik.

„Wir brauchen nicht viel. Wir sehnen uns nur alle wieder nach ein wenig Privatsphäre. Vor allem brauchen die Kinder ein Zimmer, wo sie ungestört lernen können“, erzählt Elias Murad-Quatto. Maher möchte nächstes Jahr seinen Realschulabschluss machen, Shaker strebt eine Karriere als Polizist an. Er will „für Sicherheit in unserer neuen Heimat sorgen“, sagt er. Doch die Wohnungssuche gestaltet sich schwierig, obwohl das Jobcenter, von dem die Familie ihre bisherigen Leistungen bezieht, ihr mehr als 1300 Euro Kaltmiete zuspricht. „Wir glauben aber, dass es einige Vermieter abschreckt, wenn sich eine geflüchtete Großfamilie um eine Vier-Zimmer-Wohnung bewirbt“, schätzt Walid Khalaf.

Familie will sich integrieren

Elias Murad-Quatto kann und will das nicht verstehen. Immerhin würde man von seiner Familie verlangen, dass sie sich, so gut es geht, integriert, sagt er. „Aber wie soll das funktionieren, wenn meine Kinder nicht einmal Freunde von der Schule nach Hause einladen können, weil wir kein eigenes Zuhause haben?“ Im Irak hat Elias als Hausmeister an einer Schule gearbeitet, er ist handwerklich begabt und konnte für seine Familie sorgen. Obwohl er sich auch in Deutschland um Arbeit bemüht und sich dafür, wie er sagt, für einen Deutschkurs angemeldet hat, um die Landessprache genauso gut wie seine Kinder zu beherrschen, macht ihm die Perspektivlosigkeit merkbar zu schaffen. Seinem Frust kann er nur in seiner eigenen Sprache freien Lauf lassen. Walid Khalaf übersetzt die meiste Zeit für ihn.

Die Erlebnisse der Vergangenheit hat die Familie bis ins Mark erschüttert, einige von ihnen sind in psychologischer Behandlung. Aber die Erfahrungen haben die Familie auch fester zusammengeschweißt. „Dass sich die Familie an die Presse wendet und ihre Geschichte erzählt, ist für sie sehr unangenehm“, sagt Khalaf. „Aber das ist die nackte Wahrheit und für sie der letzte Schritt.“