Zwei Gebäude, bis zu 720 Flüchtlinge: In den kommenden Tagen sollen weitere Flüchtlinge nach Feuerbach kommen. Sie ziehen bis Ende September 2016 auf das Hahn-und-Kolb-Gelände und das Leitz-Areal im Feuerbacher Gewerbegebiet.

Stuttgart-Feuerbach - In zwei kurzen Sätzen hat die Stadt vor etwa einer Woche per Pressemitteilung verkündet, dass schon Ende November/Anfang Dezember bis zu 720 weitere Flüchtlinge in Feuerbach eine neue Bleibe finden werden. 450 Asylbewerber sollen im ehemaligen Gebäude von Hahn & Kolb an der Borsigstraße von Dezember bis September 2016 untergebracht werden. Zudem ist angedacht, dass im Gebäude H auf dem Leitz-Areal zwischen der Siemens- und der Sieglestraße 270 Plätze für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) geschaffen werden. Sie sollen auf dem Gelände von Ende November bis September 2016 wohnen. Viel mehr ist vom Amt für Liegenschaften und Wohnen sowie vom Sozialamt bisher nicht zu erfahren.

 

Markus Rehm, Mitarbeiter des Ersten Bürgermeisters Michael Föll, kann auch noch nicht viel mehr sagen: „Die Gespräche mit der Daimler AG, der das Hahn-und-Kolb-Gelände gehört, laufen noch. Wir haben das Gelände auch noch nicht angemietet, aber in den kommenden zwei Wochen sollen die Flüchtlinge einziehen.“ Ein paar Details zur Immobilie kann Markus Rehm noch nachliefern: Es sei geplant, die Flüchtlinge in dem neungeschossigen Bürotrakt unterzubringen. Der müsse nun kurzfristig ertüchtigt werden. „In diesem Zusammenhang wird derzeit geprüft, ob, wie und welche sanitären Anlagen zusätzlich zu den bestehenden zur Verfügung gestellt werden müssen. Diese Prüfung bezieht sich auch auf die Fragen nach der Verpflegung.“ Möglich sei eine Essensversorgung durch einen Lieferdienst und/oder die Nutzung der vorhandenen Großküche in einem Obergeschoss, schreibt Rehm auf Nachfrage.

Klar ist jedoch schon, dass der Malteser Hilfsdienst die Hausleitung und die soziale Betreuung übernehmen wird. „Wir werden natürlich ausschließlich mit Fachpersonal vor Ort sein. Durch den Betreuungsschlüssel haben wir 5,8 Stellen für die Einrichtung zur Verfügung“, sagt der Landesgeschäftsführer der Malteser, Klaus Weber. Man bringe reichlich Erfahrung mit nach Feuerbach. Unter anderem begleite man derzeit in vier Stuttgarter Unterkünften schwangere Damen im Alltag. In vier Einrichtungen kümmere man sich um die Verpflegung, und in weiteren vier Unterkünften habe man die medizinische Versorgung übernommen. „In Feuerbach wollen wir nun dazu beitragen, dass die Flüchtlinge gut versorgt und integriert werden“, sagt Weber. Selbstverständlich sei der Standort im Industriegebiet eine Herausforderung. Allerdings habe das Gebäude auch einige Vorteile. Dadurch, dass die Menschen auf mehreren Stockwerken untergebracht werden, sei die Situation auf jeden Fall besser als in einer Turnhalle, wo viele Flüchtlinge auf engstem Raum zusammenleben müssten. Zudem könne man mit der Fläche, die zur Verfügung steht und einigen Räumen, die es für die Sozialarbeiter und Ehrenamtlichen geben wird, einiges anfangen. „Wir wollen natürlich auch den Freundeskreis aus Feuerbach einbinden. Das ist sehr wichtig“, sagt Weber.

Am 7. Dezember findet eine Infoveranstaltung statt

Der Sprecher des Freundeskreises Flüchtlinge Feuerbach (FFF), Wolf-Dieter Dorn, hat von den neuen Unterkünften in Feuerbach aus dem Bezirksrathaus erfahren: „Wir haben zum Glück relativ stabile und belastbare Strukturen im Freundeskreis. Wir wollen natürlich helfen. Gerade an so einem Standort ist es wichtig, dass die Menschen von der Tristesse im Industriegebiet abgelenkt werden.“ Dorn hat schon das Gespräch mit dem Präsidenten der Sportvereinigung Feuerbach, Rolf Schneider, gesucht. Zudem werde man versuchen, Sprachkurse vor Ort anzubieten und schauen, was sonst noch möglich ist.

Seit wenigen Tagen kümmert sich der FFF um weitere rund 70 Flüchtlinge, die den zweiten Systembau im Gebiet Schelmenäcker-Süd bezogen haben. „Da sind viele Menschen dabei, die aus den Turnhallen rausgenommen wurden“, sagt Dorn. Doch trotz des großen Engagements in Feuerbach brauche der FFF noch weitere Helfer. Deshalb wird es am Montag, 7. Dezember, eine Infoveranstaltung im Bezirksrathaus, Wilhelm-Geiger-Platz 10, geben. Ab 19.30 Uhr werden der Malteser Hilfsdienst, Bezirksvorsteherin Andrea Klöber, Wolf-Dieter Dorn und Lucas-Johannes Herzog vom Jugendamt Rede und Antwort stehen. Herzog ist bei der Stadt Abteilungsleiter Erziehungshilfen. Er und seine Mitarbeiter werden sich um die maximal 270 UMF auf dem Leitz-Areal kümmern. „Der Vermieter hat schon viel gemacht. Aber der Vertrag ist noch nicht unterschrieben. Dennoch bereiten wir den Einzug vor. Geplant ist, dass das Gebäude am Montag an uns übergeben wird“, sagt Herzog.

Im Mai hat die 1A Immobilien AG das 19 000 Quadratmeter große Leitz-Areal erworben. Die hohe Nachfrage an Gewerbe- und Wohnimmobilien würden diese Immobilie so interessant machen, hieß es damals in einer Presseerklärung. Nun wird der Gebäudeteil H allerdings erst einmal bis zum 30. September 2016 an die Stadt vermietet. Nähere Details waren bei der 1A Immobilien AG in den vergangenen Tagen nicht zu erfahren.

Es werden weitere Freizeitbeschäftigungen gesucht

„Die 270 Jugendlichen sind aber die absolute Obergrenze an diesem Standort. Und wir hoffen nicht, dass wir alle Plätze belegen müssen“, sagt Herzog. Insgesamt werden bis Jahresende wohl rund 1100 UMF in 2015 nach Stuttgart gekommen und in Obhut genommen worden sein. Kinder und Jugendlichen, die ohne familiäre Anbindung größtenteils nach ihrer Ankunft von der Polizei aufgegriffen werden, kommen zunächst in eine Notunterkunft, wie sie auf dem Leitz-Areal nun eingerichtet wird. „Dann wird eine Alterseinschätzung vorgenommen, weil die Mädchen und Buben meist keine Papiere dabei haben. Zudem machen wir eine gesundheitliche Untersuchung. Auch eine polizeiliche Erkennung wird vorgenommen“, sagt Herzog. „Das muss in den ersten sieben Tagen passieren.“ In einem zweiten Schritt werde der Bildungsstand der Jugendlichen ermittelt, die direkt vor Ort Sprachkurse bekommen und erfahren, wie sie im Alltag in Stuttgart zurecht kommen. Ziel ist es, dass die UMF in Jugendhilfeeinrichtungen, Pflege- oder Gastfamilien unterkommen. „Zunächst einmal brauchen die Kinder und Jugendlichen aber Sicherheit und eine Perspektive. Sie müssen ankommen“, sagt Herzog.

Dazu sollen nicht nur Ehrenamtliche beitragen, sondern vor allem auch das Fachpersonal vor Ort. „Wir werden maximal 50 UMF pro Stockwerk haben und dazu zwischen zwei und vier Mitarbeiter rund um die Uhr im Dienst haben“, sagt Herzog. Es werde Gemeinschaftsräume mit Tischkicker und Tischtennisplatten geben. Auf die Suche nach weiteren Freizeitmöglichkeiten und der Anbindung an die Mobile Jugendarbeit oder das Jugendhaus werde er sich noch begeben. Er sei aber frohen Mutes, dass alles klappen werde.