Mehr als 400 Flüchtlinge leben derzeit in Korntal-Münchingen. Aus Sicht der Stadtverwaltung sind sie gut eingebettet. Trotzdem ist nicht alles rosig.

Korntal-Münchingen - Ob Bildung, Arbeitsmarkt, soziale Integration und Teilhabe oder Wohnen: Die Korntal-Münchinger Integrationsmanagerin Victoria Ater und Matthias Rees, der Leiter des Sachgebiets Jugend und Integration, stellen der Stadt ein positives Zeugnis für die Integration aus. Menschen mit Fluchthintergrund seien gut eingebettet in Korntal-Münchingen, schreiben sie im Integrationsbericht. Anhand der Fakten und Erfahrungen der hauptamtlichen Rathaus-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter könne sehr wohl die Rede davon sein, dass die Menschen auf einem guten Weg seien.

 

Im Mai lebten laut der Stadtverwaltung 411 Flüchtlinge in der Stadt. Das sind gut zwei Prozent der Gesamtbevölkerung. Mehr als die Hälfte wohnt in Korntal (238), 165 Personen sind in Münchingen heimisch, acht im kleinsten Stadtteil Kallenberg. Der Anteil der ausländischen Bevölkerung lag laut dem Statistischen Landesamt im Jahr 2019 bei knapp einem Fünftel.

„Immense Rolle“ der vielen Ehrenamtlichen

Dass die Integration in Korntal-Münchingen vorankommt, hat laut Victoria Ater und Matthias Rees mehrere Gründe. Da sind einmal die pädagogischen Einrichtungen – Schulen, Kindergärten, Bibliotheken, die Volkshochschule – die bereits „integrationsfördernde Rahmenbedingungen“ bieten würden. Auch spielten die vielen Ehrenamtlichen eine „immense Rolle“ und zählten damit zu den „zentralen Akteuren der Integrationsarbeit“.

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Mittlerweile beschäftigt die Stadt zudem fünf Integrationsmanager und eine Integrationsbeauftragte. Ihre Aufgaben umfassen alle Belange der Migrations-und Flüchtlingsarbeit – von der Erstberatung beim Zuzug in die Stadt bis hin zur Unterstützung bei Anträgen oder der Beratung bei sozialen Schwierigkeiten. Der Landkreis empfiehlt, dass sich ein Integrationsmanager um rund 120 Geflüchtete kümmert.

Befristete Stelle entfristet

Dass das städtische Personal das Integrationsmanagement übernimmt, es nicht dem Landkreis überlasst, sehen Victoria Ater und Matthias Rees als großen Vorteil: Daher hätten die Integrationsmanager gute Kontakte zu Vereinen, Schulen, Kirchen und sonstigen Einrichtungen vor Ort, was sich positiv auf die lokale Integrationsarbeit auswirke.

Kurz vor der Sommerpause hat der Gemeinderat zugestimmt, eine 100-Prozent-Stelle zu entfristen. Er hatte wegen steigender Flüchtlingszahlen eine zusätzliche Stelle zum Januar 2020 abgesegnet, befristet auf zwei Jahre. Die Stadtverwaltung stellte daraufhin eine Integrationsmanagerin mit 75 Prozent für Korntal ein und einen Integrationsmanager für die Betreuung im Kallenberg mit 25 Prozent. Die Stadtverwaltung geht davon aus, dass die neue Unterkunft dort mit Platz für bis zu 90 Menschen nächstes Jahr voll ist.

Mehr Flüchtlinge könnten Deutschkurs besuchen

Seit dem Jahr 2015 wurden Korntal-Münchingen rund 440 Personen zugewiesen – die Zahl schließt die 25 Personen dieses Jahr ein. Obwohl die Zuweisungszahlen seit dem Jahr 2017 „stark rückläufig“ seien, sei weiter mit geschätzt 20 bis 30 Geflüchteten pro Jahr zu rechnen. Viele Flüchtlinge haben sich in der Stadt eingelebt. So gehen zum Beispiel alle 40 Mädchen und Jungen im Kindergartenalter in eine entsprechende Einrichtung. Lediglich ein Kind besucht die Vorschulklasse der Grundschule. „Die meisten Kinder schaffen den Sprung vom Kindergarten in die Grundschule problemlos“, sagt Integrationsmanagerin Victoria Ater.

Dagegen könnte die Zahl der Erwachsenen, die einen Deutschkurs besuchen, höher liegen. 85 der Geflüchteten (42 Prozent) haben kein Sprachzertifikat, 21 machen einen Kurs. Für das Nichtbesuchen gebe es viele Gründe, erläutert Victoria Ater: Gesundheitliche Einschränkungen, etwa wegen traumatischer Erfahrungen im Heimatland oder auf der Flucht. Manchen fehlt die Bildung, die Genehmigung oder die Motivation. Keine Genehmigung erhalten Menschen mit schlechter Bleibeperspektive, etwa aus Gambia oder zuletzt auch Afghanistan.

Rassismus auch in der Stadt zu spüren

Andere haben zu wenig Zeit, weil sie sich um ihre Kinder kümmern müssen oder eine Arbeit, die keine Deutschkenntnisse erfordert. Von den 197 Erwerbsfähigen, die die Stadt betreut, gehen 82 Geflüchtete einer Beschäftigung nach. 61 Personen leben in einer Privat- und nicht mehr in einer Fürsorgewohnung der Stadt. Mitglied in einem Verein sind nur sechs Prozent aller Flüchtlinge. Victoria Ater erklärt das nicht nur mit Corona: Die Mitgliedschaft in einem Verein sei eine „typisch deutsche Art“ der gesellschaftlichen Teilhabe. Mit der müssten die Geflüchteten unter Umständen erst noch vertraut gemacht werden.

Vor allem aber sei Rassismus „traurige Realität“: Viele, nämlich 138 Flüchtlinge, hätten angegeben, schon einmal rassistische Begegnungen gehabt zu haben. „Das zeigt, dass weiter an der Akzeptanz in der Bevölkerung gearbeitet werden muss, um Begegnungen solcher Art entgegenzuwirken“, heißt es im Integrationsbericht. Ohnehin handele es sich bei der Integrationsarbeit „nicht um einen abgeschlossenen Prozess, sondern um eine fortlaufende Entwicklung“.