Die Stadt Stuttgart sucht weiter nach Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge aus den Krisengebieten der Welt. Das Martinushaus bleibt jetzt vorerst eine Notaufnahmeeinrichtung des Landes.

Stuttgart - Angesichts des nicht abebbenden Flüchtlingstrecks in Richtung Deutschland suchen das Land und die Stadt fieberhaft nach Möglichkeiten, die Asylsuchenden unterzubringen. So soll nun das ursprünglich als reguläre Flüchtlingsunterkunft vorgesehene Martinushaus der Caritas in der Olgastraße fürs Erste weiterhin als Notaufnahmeeinrichtung des Landes dienen, um für Situationen wie jene am vergangenen Wochenende gewappnet zu sein (die StZ berichtete).

 

Am Sonntag hatten die Staaten Ungarn und Österreich ihre Grenzen nach Rücksprache mit der Bundesregierung geöffnet, um tausenden von Flüchtlingen die Einreise nach Deutschland zu ermöglichen und so für Entlastung in den eigenen Sammelstellen zu sorgen. Der Chef der Staatskanzlei, Klaus Peter Murawski (Grüne), bestätigte gegenüber der Stuttgarter Zeitung, dass man bereits Gespräche mit der Stadt aufgenommen habe, um unter anderem Fragen des Brandschutzes in dem eigentlich zum Abriss vorgesehenen Gebäude zu klären. Die Stadt, so heißt es, werde sich einem solchen Wunsch des Landes nicht verschließen, erwarte aber im Gegenzug, dass die dann für die dauerhafte Unterbringung von Flüchtlingen verlorenen Räume bei der Zuweisungsquote entsprechend angerechnet werden.

Parallel dazu ist das Land offenbar weiterhin mit Hochdruck auf der Suche nach einer geeigneten Liegenschaft für die Einrichtung einer Landeserstaufnahmestelle (Lea) auf Stuttgarter Markung. Man müsse die bereits bestehenden vier Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes, die derzeit überfüllt sind, entlasten, um das Prozedere der Registrierung der Flüchtlinge zu beschleunigen und so auch die Asylanträge schneller bescheiden zu können, heißt es beim Land. In anderen, deutlich kleineren Kommunen werde durchaus immer lauter die Frage aufgeworfen, warum es ausgerechnet in der Landeshauptstadt keine Erstaufnahmestelle gebe.

Sozialministerium wird erst mittelfristig frei

Nach StZ-Informationen ist unter anderem das Gebäude des Sozialministeriums in der Schellingstraße als Lea im Gespräch. Allerdings würde der Bau frühestens Ende 2016 oder erst Mitte 2017 frei. Dann sollen die Beamten wie geplant ins bis dahin fertig gestellte Dorotheenquartier am Karlsplatz umziehen. Weil also das Sozialministerium eher eine mittelfristige Lösung darstellt, bleibt Recherchen der StZ zufolge auch das unter Denkmalschutz stehende Eiermann-Areal in Vaihingen auf der Agenda.

Die Task Force Flüchtlinge des Landes unter Murawskis Leitung hatte die Nutzung des früheren IBM-Geländes, das zur Insolvenzmasse des Immobilienfonds CB Richard Ellis SPE III gehört, schon vor einigen Tagen prüfen lassen. Die hinzugezogene Beratungsfirma Drees & Sommer hatte seinerzeit den finanziellen Aufwand für den Kauf und den Umbau des Bürokomplexes auf rund 400 Millionen Euro taxiert, das Land hatte daraufhin zunächst abgewunken. Doch angesichts des wachsenden Drucks gibt es nun neue Überlegungen, das Areal wenigstens teilweise zu nutzen. Der Chef der Grünen-Fraktion im Stuttgarter Gemeinderat, Andreas Winter, bestätigte auf Anfrage, er könne sich vorstellen, nur einen Teil der Büroräume als Flüchtlingsunterkünfte umzugestalten und darüber hinaus auf den Parkplätzen zusätzliche Wohncontainer aufzustellen. „Man sollte das zumindest prüfen lassen“, sagte Winter. Die Fraktion SÖS-Linke-Plus hatte das Eiermann-Gelände bereits vor zwei Wochen als Landeserstaufnahmeeinrichtung vorgeschlagen.

Derweil tut sich die Stadt offenbar schwer bei der Schaffung weiterer Flüchtlingsquartiere für Notfälle. Die Fraktion der SÖS-Linken im Obertürkheimer Bezirksbeirat etwa hatte vorgeschlagen, die seit Monaten leer stehende Neuapostolische Kirche an der Asangstraße als Notaufnahmestelle zu nutzen. Auf dem angrenzenden Spielplatz könnten kurzfristig auch mobile Sanitäranlagen gebaut werden, sagte der SÖS-Bezirksbeirat Christoph Hofrichter. Doch das Liegenschaftsamt der Stadt Stuttgart erteilte der Idee eine Absage: Das Objekt sei bereits geprüft und als ungeeignet beurteilt worden, so die Antwort der Behörde.

Stadt prüft Waldheime als Flüchtlingsunterkünfte

Amtschef Thomas Zügel wird auf Anfrage dieser Zeitung konkret: „Das Gebäude gehört uns nicht, ist sicherlich auch zu klein und müsste erst einmal entsprechend umgebaut werden.“ Zudem habe man in Untertürkheim in der Württembergstraße gerade erst einen Standort für ein Flüchtlingswohnheim ausgewiesen.

Die Stadtverwaltung prüft aktuell, welche Waldheime in Stuttgart möglichst kurzfristig zu provisorischen Flüchtlingsunterkünften umgewidmet werden können. Am Mittwoch haben Sozialamtschef Stefan Spatz und der Leiter des städtischen Liegenschaftsamts Thomas Zügel mit Vertretern der katholischen und der evangelischen Kirche erste Gespräche darüber geführt. Die Mehrzahl der mehr als 30 Stuttgarter Waldheime befinden sich in kirchlichem Besitz. Zunächst sollen die in Frage kommenden Objekte inspiziert werden, danach werde eine Prioritätenliste erstellt, teilte ein Sprecher der Stadt mit.