Die Stadtverwaltung möchte die sogenannten Systembauten weitere fünf Jahre nutzen.

Stuttgarter Norden - Die Zahl der Geflüchteten in Stuttgart betrug Mitte August exakt 6869 Personen. Zu Hochzeiten im Jahr 2016 lebten schon einmal mehr als 8500 Flüchtlinge in der Landeshauptstadt, sie stammten vornehmlich aus Syrien, dem Irak und aus Afghanistan. Untergekommen sind sie fast ausschließlich in sogenannten Systembauten, die an 26 verschiedenen Standorten in der ganzen Stadt aufgestellt wurden. Für diese Gebäude gab es eine zeitlich befristete Genehmigung für die Dauer von fünf Jahren – mit der Option auf weitere fünf Jahre. Diese Möglichkeit möchte die Stadtverwaltung nun wahrnehmen und alle Genehmigungen verlängern, die eigentlich zwischen 2019 und 2021 auslaufen würden.

 

Und das, obwohl die Stadtverwaltung davon ausgeht, dass bis Ende 2019 nur noch rund 5850 Geflüchtete in Stuttgart leben. „Wir brauchen aber die etwa 7000 Plätze. Freie Kapazitäten hat die Landeshauptstadt Stuttgart dadurch nicht, da zum einen die Belegungsquote bei Gemeinschaftsunterkünften durch Platzblockierungen durchschnittlich nicht über 90 Prozent liegen kann“, betont Marco-Oliver Lutz, Leiter der Abteilung Flüchtlinge beim Sozialamt. Als Beispiel führt er eine fünfköpfige Familie an, die drei Zimmer belegt. Der sechste Platz werde in diesem Fall freigehalten, um die Privatsphäre der Familie zu gewährleisten. „Auch Krankheitssituationen der Geflüchteten erfordern ein besonders sensibles Belegungsmanagement.“

Die Unterkunft an der Zazenhäuser Straße wird im September 2019 geräumt

Dass eigentlich auf keinen der Systembauten verzichtet werden kann, hat auch mit den Veränderungen im Flüchtlingsaufnahmegesetz zu tun. Seit 1. Januar stehen den Menschen in den Unterkünften sieben statt den bislang 4,5 Quadratmetern an Wohn- und Schlaffläche zu. „Bedingt durch die Umstellung im Bestand wird die gesamte Realisierung in einem ,fließenden System‘ bis mindestens in das Jahr 2019 hinein andauern“, heißt es im jüngsten Stuttgarter Flüchtlingsbericht. Und selbst dann wird der Prozess noch nicht abgeschlossen sein, ergänzt Luz. „Die Umstellung wird weiterhin im Kontext der abnehmenden Flüchtlingszahlen erfolgen. Dabei tut die Landeshauptstadt Stuttgart weit mehr als sie müsste.“

Umgesetzt wurde die neue Regelung auch schon in einzelnen Unterkünften im Stuttgarter Norden – zum Beispiel an der Kameralamtstraße in Stammheim. In den drei Gebäuden war Platz für 321 Menschen. Nach der Umstellung können dort noch 218 Personen leben. An der Furtwänglerstraße in Botnang können maximal noch 106 Menschen unterkommen. Zuvor waren es 159. Im Anbau an der Gottfried-Keller-Straße hat sich die Platzzahl von 84 auf 56 reduziert. Zusammen mit dem nebenstehenden, angemieteten Gebäude, das auch noch einmal weitere fünf Jahre gepachtet werden soll, wohnen aktuell rund 160 Flüchtlinge am Standort.

Auch an der Zazenhäuser Straße kommt die Sieben-Quadratmeter-Regelung schon zum Tragen. Statt der ursprünglich 156 Plätze gibt es jetzt nur noch 104. Derzeit leben 91 Menschen dort. Allerdings werden die beiden Gebäude Ende 2019 zurückgebaut. Es sind die einzigen beiden Systembauten in Stuttgart, die nach fünf Jahren ihre Schuldigkeit getan haben. „Die Baugenehmigung für diesen Standort kann aufgrund einer nachbarschaftlichen Vereinbarung nicht verlängert werden“, heißt es in einer Vorlage an den Gemeinderat. Bis September kommenden Jahres kann die Unterkunft genutzt werden. „Wir haben uns noch nicht im Detail mit diesem Szenario beschäftigt“, sagt einer der Sprecher des Freundeskreises Zazenhäuser Straße, Volker Schmidt. Am 30. Oktober, im Rahmen der nächsten öffentlichen Sitzung des Plenums, werde man das Thema ansprechen. „Wir müssen uns ja auch überlegen, was hier mit der einen oder anderen Anschaffung dann passiert.“