München rückt zusammen, um den Flüchtlingsstrom zu bewältigen. Der Hauptbahnhof ist weiterhin ein Ort des Willkommens. Die Polizei freut sich über die reibungslose Zusammenarbeit – nur der bayerische Innenminister Joachim Herrmann murrt.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

München - Javi Martínez, einer der überteuren Großeinkäufe des FC Bayern in den letzten Jahren, ist am Hauptbahnhof gewesen, um den Flüchtlingskindern ein paar Bälle und Trikots in die Hand zu drücken. Er machte das sehr nett. Martínez ist schon länger verletzt, er hat einigermaßen viel freie Zeit, trotzdem hätte er nicht kommen müssen. Fußballer verlassen selten ihre geschützten Reservate. Martínez stand am Starnberger Bahnhof, wo dann auch der Münchner Kardinal Reinhard Marx auftauchte. Er ist gewissermaßen der Oberpriester der Stadt, und es ist höchste Zeit, dass er sich sehen lässt, denn München ist seit Wochen und besonders intensiv seit vorigem Montag mit Massen von Menschen konfrontiert, die via Ungarn und Österreich hier anlangen: Rund 7000 waren es allein am Samstag, 2000 mehr sind es in der Nacht auf Sonntag geworden.

 

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann hat ein wenig barsch darauf hingewiesen, dass seine Leute die Herausforderung schon noch annehmen könnten, aber bestimmt nicht mehr lange. Gegen 23 Uhr am Freitag, sagte Herrmann dem Bayerischen Rundfunk, sei den bayerischen Stellen vom Bundesamt für Migration (BAMF) ultimativ mitgeteilt worden, „dass Flüchtlinge aus Syrien auf keinen Fall zurückgeschickt werden“. Diesen Beschluss hatten kurz zuvor Österreichs Bundeskanzler, Werner Faymann (SPÖ) und Kanzlerin Angela Merkel als Rahmen ausgehandelt; von da an verfügte das BAMF allein. Danach schulterten zuerst die Behörden im Burgenland eine logistische Herausforderung, der sich die Ungarn nicht stellen wollten. Abertausende Flüchtlinge mussten in Busse verteilt und in Züge gesetzt werden. Die Richtung war klar, in Wien würde keiner aussteigen: „Germany!“ Hermann hatte sich wenigstens gewünscht, dass „man vorher mit den Ländern darüber gesprochen hätte“, was auf sie zukommen würde.

Dieter Reiter, der Münchner Oberbürgermeister (SPD), möchte am Sonntagnachmittag die Entscheidung von Angela Merkel und Werner Faymann nicht im Kern kritisieren, aber auch seine Rede, die immer noch vom Stolz auf die tatsächlich große Hilfsbereitschaft der Münchner geprägt ist , bekommt allmählich skeptische Züge.

Gegen Abend sind nach den 7000 Menschen vom Samstag schon wieder ungefähr gleich viele Flüchtlinge eingetroffen, und die Kapazitäten der Aufnahmeeinrichtungen würden nun zügig überschritten, sagen nacheinander der Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle und der Regierungspräsident Christoph Hillenbrand. „Wir laufen hier voll“, sagt Hillenbrand. Und: „Lasst München nicht allein!“

Hillenbrand und Blume-Beyerle erklären und erläutern, dass in München hauptsächlich eine „nationale Aufgabe“ gestemmt werde, allerdings dann doch nur städtische und regionale Ressourcen zur Verfügung stünden. Blume-Beyerle drängt darauf, dass man im Innenministerium dazu übergehen möge, die Verteilung auf alle Bundesländer einheitlich zu regeln. Kritisiert wird weiterhin die Deutsche Bahn, die nicht genügend Sonderzüge bereitstellt. Stadt und Region befinden sich im Freistaat täglich in anstrengenden Verhandlungen mit lokalen Anbietern und Subunternehmen.