Die Landesregierung ist froh, dass die Bund-Länder-Runde überhaupt zu Beschlüssen gekommen ist. Sie hält sich mit Kritik zurück, aber die Landkreise werden deutlich.

Winfried Kretschmann (Grüne) war nach der Ministerpräsidentenkonferenz vom Mittwoch regelrecht erleichtert, dass die Blockade nun aufgelöst sei. Er sagte: „Ich bin froh, dass wir endlich Klarheit über die dringend nötigen Entlastungen für die Menschen und Unternehmen im Land geschaffen haben.“ Beide Seiten hätten sich aufeinander zubewegt. „Jetzt geht es darum, dass wir die Beschlüsse zügig umsetzen und sie ihre Wirkung entfalten“, erklärte Kretschmann.

 

Mehrkosten fürs Land

Der Grünen-Finanzminister Danyal Bayaz lobte zwar auch, dass es „endlich eine Einigung“ gibt – „alles andere wäre den Menschen auch nicht zu vermitteln gewesen“. Die Auswirkungen der Beschlüsse bereiten dem Finanzminister aber Kopfzerbrechen: „Das wird alles andere als einfach. Wir werden sowohl bei der Unterbringung von Geflüchteten als auch beim öffentlichen Nahverkehr mit deutlich weniger Geld als notwendig aus Berlin klarkommen müssen.“

Landkreise enttäuscht

Die Landkreise kritisieren: „Bei den Flüchtlingskosten und beim öffentlichen Nahverkehr haben sich die Befürchtungen der Landkreise vollauf bewahrheitet. Die Länder haben sich mit Finanzzusagen des Bundes zufriedengegeben, die meilenweit von dem entfernt sind, was sie selbst für erforderlich halten“, klagt Landkreistagspräsident Joachim Walter. Die Kreise verlangen vom Land weiterhin die Erstattung aller Kosten.

Flüchtlingskosten

Ein Großteil der stark gestiegenen Kosten für Geflüchtete aus der Ukraine werde am Land und an den Kommunen hängen bleiben, erwartet der Finanzminister. Für dieses und nächstes Jahr sollen noch einmal knapp 200 Millionen Euro vom Bund kommen. Allein die Kommunen kalkulieren aber mit mehr als 900 Millionen Euro Kosten, und das Land schätzt die Zusatzkosten bei Erstaufnahme, Beschulung und Integration überschlägig auf mehr als 500 Millionen. Für die sonstigen Geflüchteten erwartet Baden-Württemberg im kommenden Jahr noch gerade mal 84 Millionen Euro vom Bund.

49-Euro-Ticket

Zwiespältig reagiert Winfried Hermann, der Verkehrsminister des Landes, auf die Entscheidung. „Das 49-Euro-Ticket wird zweifellos ein Gamechanger“, erklärte er. „Es ist günstig und wunderbar einfach. Es leitet das Ende des Tarifdschungels in Deutschland ein. Es lädt zum Um- und Einsteigen ein.“ Hermann bleibt aber bei seinen erheblichen Zweifeln, dass das Ticket zum 1. Januar eingeführt werden könnte. Die Landkreise warnen „eindringlich“ davor, dass die Umsetzung des Tickets zulasten der Stabilisierung und des Ausbaus des ÖPNV gehen könnte. „Genau dieses Risiko besteht aber“, sagt Joachim Walter. Finanzminister Bayaz rechnet für das Ticket mit Kosten um die 180 Millionen Euro pro Jahr.

Ausbau ÖPNV

Nicht nur der Preis, sondern mehr noch die Qualität und die Dichte des Angebots entscheiden darüber, ob der Nahverkehr stärker genutzt wird. Das betont etwa der Verkehrsclub Deutschland. „Und hier sind die getroffenen Vereinbarungen nicht ausreichend“, kritisiert Matthias Lieb, der Landesvorsitzende des VCD. Durch die starken Preissteigerungen bei der Energie hätten die Verkehrsunternehmen große Probleme, ihre Finanzen im Lot zu halten. Winfried Hermann verweist darauf, dass durch höhere Nachfrage „bald mehr Busse und Bahnen und dafür mehr Mittel nötig werden“. Die Verkehrsminister aller Bundesländer sind sich einig, dass der ÖPNV mehr Geld braucht. Was sie jetzt bekommen, ist laut Hermann „leider zu wenig für einen guten und gut ausgebauten ÖPNV“. Er fragt sich bereits, wie lange der Status quo noch zu halten sei. „Zu Einschnitten im ÖPNV-Angebot darf es nicht kommen“, mahnt Thomas Dörflinger, der Verkehrsexperte der CDU-Landtagsfraktion. Die Sicherung des Status quo müsse im Vordergrund stehen. Das wird nach seiner Rechnung schwer genug, denn es entstehe ein neues strukturelles Defizit: Die Länder erhalten vom Bund eine Milliarde Euro zusätzlich pro Jahr, bezahlen aber für das Deutschlandticket 1,5 Milliarden Euro jährlich.

Wohngeld und Bürgergeld

Hier rechnet Finanzminister Bayaz mit „einem mittleren dreistelligen Millionenbetrag“, den Baden-Württemberg aufbringen müsse.