Viele Sportstars und Proficlubs wie der VfB Stuttgart, Borussia Dortmund oder der FC Bayern München setzen angesichts der Flüchtlingskrise Zeichen gegen den Fremdenhass und engagieren sich für Flüchtlinge.

Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Stuttgart - Das eine oder andere deutsche Wort hat im Laufe der Jahre internationale Karriere gemacht. Begriffe wie „Fahrvergnügen“, „Zeitgeist“ oder „Kindergarten“ haben es in den englischen Sprachgebrauch geschafft, auch weniger schöne deutsche Wörter wie „Blitzkrieg“ sind weltweit verbreitet. In diesen Tagen nun, so hat der britische „Guardian“ festgestellt, macht sich ein neues Wort made in Germany in seiner Originalversion auf den Weg um die Welt: „Willkommenskultur“.

 

Überschrieben war der Artikel über die vielfältige Hilfe für Flüchtlinge sowie die Bilder vom warmherzigen Empfang in vielen Städten und die Aktionen gegen Fremdenhass mit „Deutschlands Antwort auf die  Flüchtlingskrise ist bewundernswert“ (verbunden mit dem Nachsatz, dass man fürchte, es werde nicht dauerhaft so bleiben); bebildert wurde der Text im Netz mit einem Foto aus der Dortmunder Fankurve. „Refugees Welcome“, stand dort auf einem Transparent. Flüchtlinge willkommen.

So war es vor dem Länderspielwochenende auf Transparenten in Dortmund zu lesen, in Bremen, in München, in Frankfurt. Und es geht wohl so weiter. Wie selten zuvor nutzt der Profisport in der Flüchtlingskrise – Vereine, Spieler wie auch Fans – seine hervorgehobene Stellung und seinen Einfluss als wichtiger Teil der Gesellschaft. Die Aushängeschilder nehmen ihre Verantwortung wahr, es ist Symbolpolitik und eine gute PR, natürlich, aber das Engagement ist in seiner Wirkung nicht zu unterschätzen: als Leuchttürme gegen Dunkeldeutschland, gegen Fremdenhass. Für Toleranz, für Solidarität, für Menschlichkeit, für den Wertekanon des Sports.

Der Sport als Teil der Gegenbewegung zu den Exzessen

Als der FC Bayern München vor einigen Tagen verkündete, dass man eine Million Euro für die Flüchtlingshilfe spenden wolle sowie Trainingscamps und Sprachkurse anbieten werde, ging das Beispiel um die Welt, und zahllose Menschen in sozialen Netzwerken dankten dem Club für das Engagement und bekundeten ihren Respekt. Für die Bayern, für Deutschland. Im Heimspiel gegen den FC Augsburg an diesem Samstag werden die Spieler mit deutschen Kindern und Flüchtlingskindern an der Hand einlaufen. „Der FC Bayern sieht es als    seine gesellschaftspolitische Verantwortung, den geflohenen, Not leidenden Kindern, Frauen und Männern zu helfen, sie zu unterstützen und sie in Deutschland zu begleiten“, sagt Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandsvorsitzender des FC Bayern.

Der Sport ist ein Teil der Gegenbewegung zu den Exzessen in diesem Land – und das Engagement der Proficlubs wie auch vor allem von Teilen der Bevölkerung haben nicht nur weltweit dem Ansehen der

Bundesrepublik einen großen Dienst erwiesen. Nein, sie wirken nach innen: Viele Menschen im eigenen Land überkommt angesichts der wunderbaren Reaktion der Zivilgesellschaft und dieser warmherzigen Willkommenskultur Stolz. „Wenn ich daran denke, wie zuletzt Flüchtlinge in Deutschland willkommen geheißen wurden, kriege ich Gänsehaut“, sagt stellvertretend Neven Subotic, der Verteidiger des Fußball-Erstligisten Borussia Dortmund.

Der Kroate weiß aus Erfahrung, wie es ist, als Flüchtling in ein fremdes Land zu kommen: Seine Eltern waren vor dem Krieg in Jugoslawien nach Deutschland geflohen, als er zwei Jahre alt war. Am Dienstag hat Subotic mit dem BVB ein Benefizspiel unter dem Motto „Refugees Welcome“ am Hamburger Millerntor gegen den FC St. Pauli bestritten. Zu der Partie wurden mehr als 1000 Flüchtlinge eingeladen. Aber: „Es reicht nicht, nur ein Banner hochzuhalten. Wir müssen das auch im Alltag umsetzen. Auch bei uns gibt es Spieler und Trainer, die sich sehr engagieren und zum Beispiel Trainingseinheiten mit Flüchtlingen machen. Es ist unsere Aufgabe, sie hier willkommen zu heißen“, sagt St.  Paulis Trainer Ewald Lienen.

Auch der VfB Stuttgart zeigt großes Engagement

Viele Fußballclubs laden an diesem Wochenende Flüchtlinge zu ihren Heimspielen ein, einige Profivereine bieten zusätzlich spezielle Trainingscamps für sie an, darunter zum Beispiel auch der VfB Stuttgart: Der Club hat bereits im April mit dem Theaterhaus Stuttgart, der Stadt Stuttgart und der Mercedes-Benz-Bank das soziale Projekt „Fußball verbindet – eine Initiative für Flüchtlinge“ ins Leben gerufen und bietet Training für Jugendliche und Erwachsene an sowie die Ausrüstung. Regelmäßig werden auch Flüchtlinge zu Spielen eingeladen. „Der Bedarf an Unterstützung für Flüchtlinge ist größer als je zuvor. In den Trainingseinheiten mit ihnen sieht man, welche Begeisterung der Fußball auslösen kann und damit die Nöte der Betroffenen für kurze Zeit ein wenig vergessen lässt“, sagt der VfB-Präsident Bernd Wahler.

Auch viele andere Profi-Ligen machen mit

Die Volleyballliga wiederum stellt Flüchtlingsheimen Bälle zur Verfügung und denkt weitere Aktion an – und sie genehmigte ganz unbürokratisch dem Leipziger Zweitligisten L.E. Volleys, dessen Spielstätte als Notunterkunft für Flüchtlinge dient, eine andere Halle, die eigentlich nicht dem Lizenzstatut entspricht. Andere helfen mit Geld, wie zum Beispiel die deutsche Basketball-Nationalmannschaft, die 25 000 Euro gespendet hat, oder Real Madrid, das eine Million Euro an die Flüchtlingshilfe übergab. Das Internationale Olympische Komitee unterstützt Organisationen mit zwei Millionen Dollar: „Der Sport kann humanitäre Hilfe leisten“, sagt der IOC-Präsident Thomas Bach. Auch der DFB unterstützt mit rund 1,2 Millionen Euro die Arbeit seiner Vereine für die Flüchtlinge.

Furore hat zuletzt ein Vorschlag des FC Porto gemacht: Der portugiesische Spitzenclub appellierte an die anderen 31 Teilnehmer der Champions League, von jedem verkauften Ticket im ersten

Heimspiel einen Euro für Flüchtlinge zu spenden. „Es ist unmöglich, die Augen vor dem Drama um die Migranten und Flüchtlinge, die europäischen Boden betreten, zu verschließen“, schrieb Portos Präsident Jorge Nuno Pinto da Costa in einem Brief an Michel Platini, den Präsidenten der europäischen Fußballunion Uefa. Mittlerweile haben alle Vereine der Idee zugestimmt.

Es ist die eine Seite der Hilfe. Auf der anderen Seite nutzen unzählige prominente Sportler und Ex-Sportler ihren Bekanntheitsgrad und erheben ihre Stimme gegen Rassismus und für Solidarität – von Lionel Messi über Mario Götze bis Hans Sarpei.

Das gilt auch für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft: Die DFB-Elf ist ein wichtiger Botschafter des Landes und hat diese Rolle in den vergangenen Jahren immer stärker auch abseits des Platzes angenommen. Dieser Tage hat sie ein Video gedreht, in dem sie sich für Weltoffenheit, Hilfsbereitschaft und Fairplay einsetzt. „Die Mannschaft tritt seit Jahren für Integration, Toleranz und Respekt und gegen Gewalt ein. Wir wollten ein Statement abgeben. Wir wollten ein Zeichen setzen, dass wir das Thema offensiv angehen“, sagt der DFB-Teammanager Oliver Bierhoff. Auch der FC Schalke setzt auf die Kraft der Bilder und hat ein Video ins Netz gestellt, in dem die Spieler um Respekt und Hilfe für Flüchtlinge werben. „Steht auf, wenn ihr Menschen seid“: Das ist die Botschaft.

Robert Hilbert kämpft seit Jahren gegen Fremdenhass

Einer, der regelmäßig seine Stimme gegen Rassismus und für Toleranz erhebt, ist der frühere VfB-Spieler und heutige Leverkusener Roberto Hilbert: „Gerade wir als populäre Personen können noch mehr in der Öffentlichkeit bewirken und müssen mehr sensibilisieren“, sagt Hilbert, der mit einer gebürtigen Eritreerin verheiratet ist: „Warum flüchten diese Menschen nach Deutschland? Doch nicht, weil sie darauf Bock haben, sondern weil in ihren Ländern Krieg herrscht. Wir müssen den Menschen helfen und nicht ihre Häuser anzünden.“

Neben diesem Engagement der Spitze der Sportbewegung, die ihre Prominenz nutzt, engagieren sich neben vielen anderen Menschen und Organisationen auch „normale“ Sportvereine in der Flüchtlingskrise und leisten eine wichtige Arbeit, indem sie versuchen, mit ihren Möglichkeiten den Alltag der Geflohenen zu verbessern und so bei der Integration zu helfen.

Der „Guardian“ konstatiert wiederum: „Es scheint, als wollten die Deutschen ein Jahr nach dem WM-Triumph in Rio wieder mit aller Macht Weltmeister werden – diesmal als das Land, in dem Flüchtlinge weltweit am willkommensten sind.“