Flüchtlinge aus der Landeserstaufnahmestelle in Ellwangen werden übergangsweise in Neuenstadt/Kocher auf dem Gelände einer ehemaligen Autobahnmeisterei in Zelten untergebracht. Für Betten und Nahrung ist gesorgt, die Situation ist mitunter dennoch schwierig.

Neuenstadt/Kocher - Die immer dringlichere Suche nach einer Unterbringung für die wachsende Zahl von Flüchtlingen gebiert kuriose Lösungen. So ist Anfang des Monats in Neuenstadt/Kocher (Kreis Heilbronn) eine Art Zwischenlager für die völlig überfüllte Landeserstaufnahmeeinrichtung in Ellwangen (Ostalbkreis) errichtet worden. Das Wort Lager ist wörtlich zu nehmen: Erstmals werden im Land Flüchtlinge in Zelten untergebracht – die Einrichtung auf dem Gelände einer ehemaligen Autobahnmeisterei liegt hundert Kilometer von Ellwangen entfernt.

 

Berthold Weiß, der Leiter der Landeserstaufnahmestelle in Ellwangen, besucht das „Notzeltlager“, wie er es nennt, und lässt sich von der Leiterin Bericht erstatten. Roxana Suaiga und ihre fünf Mitarbeiter arbeiten für European Homecare – eine Essener Firma, die mit „sozialen Dienstleistungen“, wie es auf ihrer Homepage heißt, ihr Geld macht und deutschlandweit rund 50 unterschiedliche Einrichtungen mit Flüchtlingen und Asylbewerbern betreut. Auch in Ellwangen sind übrigens Mitarbeiter des Unternehmens tätig, das im vergangenen Jahr wegen der Misshandlung von Flüchtlingen im nordrhein-westfälischen Burbach Schlagzeilen machte.

Die meisten der hier untergebrachten Männer stammen aus Syrien

Die will man hier natürlich nicht, und so ist die Wortwahl betont höflich – die Stimmung unter den „Gästen“ sei gut, berichtet die Leiterin. Weiß und Suaiga gleichen die Zahlen ab: 106 Flüchtlinge befinden sich derzeit im Zeltlager; an diesem Abend werden noch einmal 33 Ausquartierte aus Ellwangen dazukommen. Es sind ausschließlich Männer jedweden Alters, die meisten stammen aus Syrien, einige aus Albanien, Pakistan und Indien. Untergebracht sind sie in sieben großen wetterfesten Zelten, die mittlerweile gegen die dünnen Notzelte der ersten Wochen ausgetauscht wurden. Die Doppelstockbetten eines Zelts bieten Platz für etwa 60 Flüchtlinge.

Die Zeltstadt wirkt ausgestorben; die meisten sitzen in der mittlerweile fertig eingerichteten Mensa beim Mittagessen: Hähnchenfilets in einer Curry-Frucht-Soße mit Reis, dazu ein Apfel und ein Brötchen. Nebenan laufen die zehn Maschinen in der Wäscherei; die Neuankömmlinge brauchen Bettwäsche und Handtücher. Am sogenannten Infopoint wird den Flüchtlingen Geld ausbezahlt für Arbeiten, die sie im Zeltlager verrichten: Stockbetten aufbauen beispielsweise. 1,05 Euro bekommen sie pro Stunde – das reicht für Zigaretten. „Arbeitskräfte haben wir genug“, sagt Ako Schauki und grinst. Der Dolmetscher und Sozialarbeiter ist 1985 selbst aus dem Irak geflüchtet und versteht die Nöte der Flüchtlinge. Das oft monatelange Warten auf die Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mache sie mürbe, beklagt er.

Auch Freizeitangebote sind in der Zeltstadt in Vorbereitung

Essen, Schlafen – für die Grundexistenz ist in Neuenstadt ordentlich gesorgt. Die vielen Männer teilen sich derzeit vier Duschen, zwei weitere, verspricht man, sollen hinzukommen. Freizeitangebote wie Filme und ein Sprachkurs, Angebote von Freiwilligen aus Neuenstadt, sind in Vorbereitung. Freies Wlan für den Kontakt zur Heimat gibt’s freilich nicht. Und da fängt für viele, die alles – auch ihre Liebsten – zurücklassen mussten, die Not wirklich an. „Wir sind in Gesprächen“, versichert Suaiga. Diesen Satz hört man hier öfter. Diejenigen, die jetzt zu Ende gegessen haben, haben davon nichts mehr. Nach rund einer Woche in Neuenstadt werden sie in die ihnen zugewiesenen Landkreise verlegt.

Seit Donnerstag ist Neuenstadt kein Einzelfall mehr: auch in Oberstenfeld (Kreis Ludwigsburg) sollen hundert Flüchtlinge in einer Zeltstadt untergebracht werden. Das teilte Bürgermeister Markus Kleemann mit.