Chaos am Himmel und Flugärger: Zwischen Schein und Sein beim Fliegen liegen oft Welten, meint unser Kommentator Thomas Wüpper. Kann der „Fluggifel“ von Bundesverkehrs­minister Andreas Scheuer (CSU) Anfang Oktober für Besserung sorgen?

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Stuttgart - Ein paar Klicks am Computer, einige Wischer auf dem Handy – und schon ist der nächste Bade- oder Städteurlaub gebucht. In digitalen Zeiten ist der Kauf von Flügen oder Pauschalreisen so einfach wie nie. Jeden Tag locken unzählige Schnäppchen-Portale mit bunten Bildern, Super-Sonderangeboten und der schönen Illusion, mit dem Flieger billig, bequem und blitzschnell an die tollsten Orte der Welt zu kommen.

 

Die Realität im Luftverkehr sieht oft anders aus. Am Himmel und am Boden herrscht immer häufiger Chaos. Der Ärger wegen Verspätungen, Flugausfällen und überbuchten Maschinen hat massiv zugenommen und nervt die Reisenden wie selten zuvor. Allein bei der Schlichtungsstelle für Öffentlichen Personenverkehr (SÖP) in Berlin, die Streitfälle für Passagiere kostenlos klären kann, hat sich die Zahl der Beschwerden über Airlines im Juli im Vergleich zum Vorjahresmonat fast verdreifacht und im August nahezu vervierfacht.

Besserung nach „Fluggipfel“ Anfang Oktober?

Wetterextreme sind sicher eine Ursache, die meisten Probleme aber haben die Airlines und Flughäfen selbst zu verantworten. So sind Streiks wie bei Ryanair oder bei privaten Dienstleistern für die Gepäckabwicklung keine höhere Gewalt, sondern zwangsläufige Folge von dauerhaft mieser Bezahlung des Flug- und Bodenpersonals. Auch die erschreckenden Defizite bei den Sicherheitskontrollen in jüngerer Zeit werfen ein denkbar schlechtes Licht auf die Verantwortlichen. Leidtragende sind vor allem die Reisenden, die oft unnütz viele Stunden warten müssen, bis klar ist, ob und wann ihr Flug startet. Die Informationen und die Betreuung der Passagiere sind nicht selten dürftig und allzu häufig versuchen Airlines, sich um fällige Entschädigungen zu drücken.

Die Probleme sind seit langem virulent, umso erstaunlicher ist, wie lange die Politik weitgehend untätig geblieben ist. Nun will Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) mit einem „Fluggipfel“ Anfang Oktober für Besserung sorgen. Auf die Ergebnisse darf man gespannt sein. Die schwarz-rote Bundesregierung trägt erhebliche Mitverantwortung für die Turbulenzen am Himmel, denn bei der Pleite der vormals zweitgrößten deutschen Fluglinie Air Berlin haben die Ministerien wenig überzeugend agiert. So dauerte es unnötig lange, bis die Flotte unter den Wettbewerben verteilt und der Markt neu strukturiert war. Die Airlines beklagen zudem zu Recht, dass die Flugsicherung in Europa schlecht koordiniert ist, auch hier gibt es politischen Handlungsbedarf.

Der aufgeklärte Verbraucher ist gefragt

Es fehlt nicht an guten Ideen, die Rechte der Passagiere zu stärken. So schlägt der CDU-Abgeordnete und Anwalt Stephan Harbarth vor, die Airlines per Gesetz zu mehr Transparenz und besserer Information der Kunden über ihre Rechte zu verpflichten. So könnte von den Anbietern verlangt werden, zeitnah und regelmäßig die Zahl verspäteter und annullierter Flüge, die Summen der Entschädigungsforderungen von Fluggästen und der tatsächlichen Zahlungen zu veröffentlichen. Wer verärgerten Kunden über Monate hinweg Entschädigungszahlungen vorenthält und darauf spekuliert, dass sie den Gang vor Gericht scheuen, beschädigt den Ruf der Branche.

Der aufgeklärte Verbraucher ist gefragt. Wer nur auf den Preis und nicht auf Ruf und Qualität der Airline schaut, der er sich anvertraut, muss sich nicht wundern, wenn der Schnäppchenflug zum Ärgernis wird. Jeder trägt zuallererst selbst Verantwortung für seine Entscheidungen, zumal Fliegen die mit Abstand umweltschädlichste Art des Reisens ist – und ganz gewiss nicht jeder Flug unbedingt sein muss.

wirtschaft@stzn.de