Die Polizei geht auf Nummer sicher: Was vier Männer, die teilweise zu Kreisen islamistischer Gefährder zählen sollen, im Schilde führen, ist unklar.

Lokales: Wolf-Dieter Obst (wdo)

Stuttgart - Die Polizisten mit Schutzwesten und Maschinenpistolen oben auf der Balustrade sind nicht zu übersehen. Sie beobachten das Treiben drunten im Terminal, und gelegentlich sind dort auch Zweiertrupps unter den Passagieren und Besuchern unterwegs. Die Lautsprecherdurchsage weist darauf hin, dass es in Terminal 3 Linsen mit Saitenwürstchen „heute für nur für 4,99 Euro“ gibt. So sieht er aus, der Terroralarm im Gebäude des Stuttgarter Flughafens. Aufpasser mit Schutzwesten und Maschinenpistolen – aber unbehelligte Passagiere. „Das ist ganz wichtig“, sagt Flughafensprecher Johannes Schumm, „der Flugbetrieb läuft einwandfrei, es gibt keinerlei Beeinträchtigung für die Passagiere.“

 

Und doch herrscht beim zuständigen Polizeipräsidium und der Bundespolizei erhöhte, wenn auch nicht höchste Alarmstufe. Und das noch auf unbestimmte Zeit. Im neuen Führungs- und Lagezentrum in Reutlingen ist am Mittwochabend eine sogenannte Besondere Aufbauorganisation eingerichtet worden, bei der alle Drähte zusammenlaufen. „Jumbo“ nennt sich diese Sondereinheit in der Zentrale, die sich um die Präsenz- und Kontrollmaßnahmen am Stuttgarter Flughafen, aber auch an den Flughäfen Friedrichshafen, Karlsruhe/Baden-Baden und Mannheim kümmert.

Eine Zeugin will die Männer auch gesehen haben

Was aber war passiert? Darüber macht Polizeisprecherin Andrea Kopp am Donnerstag „aus ermittlungstaktischen Gründen“ nur spärliche Angaben: „Wir haben Hinweise darauf, dass der Flughafen ausgespäht worden ist“, sagt sie. Durch weitere Ermittlungen sei man zum Schluss gekommen, die Sicherheitsmaßnahmen vorsorglich zu erhöhen.

Im Flughafen findet sich am Donnerstag auch eine Zeugin, die erklärt, einen der verdächtigen Männer in der vergangenen Woche gesehen und dies mitgeteilt zu haben. Sie sei nun gespannt, was daraus geworden sei, sagt sie. Immerhin: Unübersehbar sind die Konsequenzen nicht, wie an den aufgerüsteten Einsatzbeamten von Landes- und Bundespolizei zu sehen ist.

Und dann herrscht Alarmstufe

Die Polizei sucht nun im Südwesten Deutschlands vier Personen. Sicherheitskreise bestätigten am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur entsprechende Informationen.

Zuvor hatte der Südwestrundfunk (SWR) darüber berichtet. Zwei der gesuchten seien Vater und Sohn und stammten aus Nordrhein-Westfalen. Sie seien bereits vergangene Woche der französischen Polizei aufgefallen, als sie am Pariser Flughafen Charles-de-Gaulle Fotos vom Terminal machten.

Das waren nach den SWR-Angaben auch die beiden Männer, die am Stuttgarter Flughafen gesichtet wurden. Sie konnten demnach anhand von Videoaufzeichnungen identifiziert werden. Das zuständige Polizeipräsidium in Reutlingen wollte den Bericht nicht kommentieren. Die Ermittlungen führt die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart. Dort war zunächst niemand für eine Stellungnahme erreichbar.

Am Mittwoch gegen 19 Uhr richtete die Bundespolizei, die für die Gefahrenabwehr auf dem Flughafen zuständig ist, dann ihre Sonderzentrale ein und setzte ihre hochgerüsteten Spezialeinheiten in Gang. Im Polizeipräsidium Reutlingen, zu dessen Revier der Kreis Esslingen und damit auch der Flughafen gehört, wurde „Jumbo“ aktiviert.

Papiere bitte, Kofferraum auf!

Am Flughafen Stuttgart wurden die Videoaufnahmen aus Überwachungskameras ausgewertet – alle Erkenntnisse laufen bei „Jumbo“ zusammen. Ist ein islamistischer Anschlag tatsächlich konkret geplant gewesen?

„In Deutschland gibt es seit langem eine abstrakte Gefahr eines islamistischen Anschlags“, sagt Polizeisprecherin Andrea Kopp, „diese Gefahr ist aber immer noch abstrakt.“ Auch wenn die Wahrnehmung auf dem Flughafen jetzt eine andere sei. Konkret sind etwa die Fahrzeugkontrollen auf der Zufahrtsstraße zum Flughafen. Auf Höhe der Messe-West werden Fahrspuren verengt und Fahrzeuge herausgewinkt.

Dabei wird deutlich, wen die Polizei da näher begutachtet. Die Kennzeichen reichen von Waiblingen über Frankfurt bis zum österreichischen Bludenz. Papiere bitte, Kofferraum auf. Auffallend ist, dass stets mehrere Insassen in den Fahrzeugen sitzen, die dunkle Haare und dunkle Augen haben. Warum aber die Flughafenzufahrt von Osten her ohne erkennbare Kontrollstelle ist, darüber macht die Polizei keine Angaben.

Bisher war alles meist harmlos

Freilich: Alarme sind am Stuttgarter Flughafen bisher meist harmlos gewesen. Oft wurden sie von Scherzbolden ausgelöst, die beim Sicherheitscheck behaupteten, Bomben dabei zu haben. Allein wegen herrenloser Gegenstände herrscht am Airport ständig Bombenalarm: Die Bundespolizei wurde bis Ende November 175-mal alarmiert, im Vorjahr hatte es 193 Fälle gegeben.