Die Baden-Württemberg-Stiftung unterstützt Kulturprojekte in der Coronakrise. Doch wie geht es weiter, wenn die Kassen nach der Pandemie knapper sind?

S-Mitte - Die Fördermittel der Baden-Württemberg-Stiftung seien „unglaublich wichtig“ , meint Hans Christ, Direktor des Württembergischen Kunstvereins (WKV). Er beschreibt den Zustand der derzeitigen Ausstellung „Actually, the dead are not dead“ mit einem Wort, das auf vieles zu passen scheint im endlosen Coronalockdown. Sie schlafe, meint er. Die Pforten des WKV am Schlossplatz sind wie alle Kultureinrichtungen derzeit geschlossen.

 

Dass die Ausstellung nun dank digitaler Formate erlebbar sei, verdanke der Kunstverein in erheblichem Maße dem Geld aus dem Fördertopf der landeseigenen Baden-Württemberg-Stiftung, meint Christ. Er spricht von einem „Shutdownprogramm“ mit eigenem Podcast. Die Zuhörer können sich zur Zeit mit dem zweiten Teil einer Ausstellungsreihe beschäftigen. Es geht um die Flamenco-Kultur und die Selbstbehauptungen der spanischen Roma gegen ihre Diskriminierung als „Gitanos“.

Es gibt Pläne für den Sommer

„Actually, the dead are not dead“ könnte auch der Leitspruch sein für die Bemühungen Christs, den Kunstbetrieb in der Pandemie aufrechtzuerhalten. Der Direktor des WKV schildert Pläne für den Sommer für eine stärkere Nutzung von Außenflächen. All das wird bewerkstelligt, obwohl Einnahmen durch Eintritte seit Monaten fehlen. Laut Angaben der Baden-Württemberg-Stiftung sind 2020 im Frühjahr überdurchschnittlich viele Anträge auf eine Kulturförderung quer durch alle Sparten gestellt worden. Der Stiftung sei es ein Anliegen, Kulturprojekten Planungssicherheit in ungewisser Zeit zu ermöglichen, betont ein Sprecher. „Bei der Umsetzung zeigen wir uns flexibel, wenn Projekte verschoben oder an die Coronamaßnahmen angepasst oder verändert werden müssen“, heißt es in einer Erklärung der Stiftung. Interessant ist, dass es 2020 in der Summe laut Angaben des Stiftungssprechers genauso viele Anträge gab wie 2019. Auch in der aktuellen Runde in diesem Jahr zeige sich eine durchschnittliche Zahl an Anträgen für Kulturprojekte, teilt die Stiftung mit.

Ein Grund könnte sein, dass der pandemiebedingte Wegfall von Eigeneinnahmen etwa durch Eintritte ohnehin nur eine überschaubare Rolle bei der Finanzierung von Kunstbetrieben spielt. Ohne Subventionen kam Kultur nie über die Runden.

Es drohen ungemütlichere Zeiten

Für Hans Christ hat die Coronakrise nur deutlich gemacht, dass die Kultur am Tropf von Fördermitteln hängt. Für Institutionen gebe es derzeit noch ein Sicherheitsnetz. Vielen freischaffenden Künstlern hingegen habe die Pandemie brutal ihre prekären Arbeitsbedingungen vor Augen geführt. Christ sorgt sich, dass nach der Pandemie etwa die Fachkräfte fehlen könnten, die er für den Aufbau von Ausstellungen benötigt. Aber auch den Institutionen drohen angesichts der durch die Pandemie bedingten Staatsverschuldung ungemütlichere Zeiten. Er wünscht sich eine antizyklische Reaktion auf die Krise. Sprich: mehr öffentliches Geld sollte seiner Meinung nach die Finanzierung von Kultur in der Krise absichern. „Ich bin Realist und weiß, dass Kürzungen wahrscheinlicher sind“, sagt Christ.

Öffentliche Kulturförderung als demokratische Errungenschaft

Die Einschnitte zeichnen sich bereits ab. Der Einbruch der Kapitalmärkte zu Beginn der Coronapandemie im vergangenen März hat die Finanzlage der Baden-Württemberg-Stiftung belastet. Ein hoher Anteil des Stiftungsvermögens von 2,3 Milliarden Euro ist nach Angaben der Stiftung angelegt. Auch der Immobilienmarkt als weitere Kapitalanlage der Stiftung hat unter der Pandemie gelitten. Der anhaltende Negativzins verschärft das Problem. „Die langfristig sichergestellte Finanzierung von Projekten bleibt weiterhin unser oberstes Ziel“, beruhigt Rainer Moser, Geschäftsführer der Stiftung. Auch das Alt-Musik-Ensemble „Il Gusto Barocco“ gehört zu den von der Baden-Württemberg-Stiftung Geförderten. Ohne die Unterstützung wäre die Opernreihe „Händel-deutsch?!“ im Pandemiejahr nicht umsetzbar gewesen, meint Julia Schwarz, Künstlerische Produktionsleitung des Ensembles. Auch sie rechnet mit Einschnitten in den Budgetmitteln der öffentlicher Geldgeber. Private Sponsoren könnten in die Bresche springen, meint sie. „Stuttgart ist dafür ein dankbarer Standort.“

Eine private Förderung von Kultur durch Mäzene sei eher der historische Normalfall, die öffentliche Kulturförderung eine demokratische Errungenschaft, meint Schwarz. „Sie verhindert, dass Einzelne bestimmen, was als Kultur gefördert wird und was nicht“, sagt sie. Die Gesellschaft müsse in der Krise nun abwägen, wie viel eine öffentliche Kultur ihr anhand von knappen Kassen künftig wert sei, findet die Musikerin.