Die SPD schäumt, die Opposition höhnt, die Kanzlerin rügt ihren Agrarminister. Der Glyphosat-Alleingang von Christian Schmidt macht die Situation von Angela Merkel noch schwieriger. Sie hat nur die Wahl zwischen Regen und Traufe.

Berlin - Es ist eigentlich ein Tag wie aus dem Bilderbuch, um zu demonstrieren, dass die geschäftsführende Bundesregierung nicht eingeschränkt ist in ihrer Funktionsfähigkeit. Vormittags empfängt Angela Merkel im Kanzleramt kommunale Vertreter, um den Kampf gegen die Abgasbelastung in ihren Städten zu verstärken. Anschließend trifft sie den Franzosen Michel Barnier, der im Namen der restlichen EU-Staaten mit der Regierung Großbritanniens über dessen Austritt verhandelt. Und am Abend hebt vom Flughafen Berlin-Tegel die Kanzlermaschine in Richtung Elfenbeinküste zum EU-Afrika-Gipfel ab.

 

Die scheinbare Normalität in der Geschäftsführung wird aber überlagert von den Ereignissen des Vortags, als Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt von der CSU in Brüssel für eine längere Zulassung des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat gestimmt hat – gegen den ausdrücklichen Willen von SPD-Umweltministerin Barbara Hendricks. Der Ärger ist groß.

Schmidt Sprengsatz

Im Berliner Regierungsviertel hat die Nachricht über Schmidts Abstimmungsverhalten eingeschlagen wie ein Sprengsatz. In der Sache laufen die Umweltverbände Sturm. Die Form aber ist es, die massiven Unmut in allen politischen Parteien hervorruft. Nicht nur die SPD, der die Bundeskanzlerin am Tag zuvor noch „ernsthafte, engagierte und redliche Gespräche“ über die Bildung einer großen Koalition in Aussicht gestellt hat, fühlt sich düpiert. „Man kann so nicht regieren, das geht einfach nicht“, sagt die derart ignorierte Umweltministerin und bringt die Entlassung des Agrarkollegen als mögliche vertrauensbildende Maßnahme ins Spiel. Die Kanzlerin müsse „etwas unternehmen, um diesen Vertrauensverlust zu heilen“, betont Hendricks. Schmidt habe den Dissens im Kabinett ignoriert und mit seinem Stimmverhalten in Brüssel die Geschäftsordnung der Bundesregierung mit Füßen getreten.

Eine Hypothek für die Gespräche

Auch der Chefin des Umweltressorts dürfte es bei ihrem Kommentar nicht ausschließlich um die Funktionsfähigkeit der geschäftsführenden Bundesregierung gegangen sein. Die gesamte SPD spuckt Gift und Galle. „Schmidt wird damit zum Problem für Merkel und Seehofer, insbesondere bei den weiteren Gesprächen mit dem Bundespräsidenten und unserem SPD-Vorsitzenden über eine eventuelle Regierungsbildung“, wettert die Stuttgarter Abgeordnete Ute Vogt. Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel spricht von einer „echten Hypothek für jede Form von Gesprächen“.