Es steckt bereits im Namen: Regenwürmer brauchen Regen. Doch was passiert mit ihnen, wenn Dürreperioden häufiger werden? Und kann man Regenwürmer tatsächlich in der Mitte durchschneiden, ohne dass sie sterben? Sven Marhan von der Universität Hohenheim gibt Antworten.

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Hohenheim - Es steckt bereits im Namen: Regenwürmer brauchen Regen. Doch was passiert mit ihnen, wenn lang anhaltende Dürreperioden immer häufiger werden? Und wäre es überhaupt schlimm, wenn es weniger oder gar keine Regenwürmer mehr gäbe? Sven Marhan ist Agrarbiologe und forscht an der Universität Hohenheim im Bereich Bodenbiologie – und damit auch über Regenwürmer.

 

Herr Marhan, im April und Mai hat es hier auf den Fildern kaum geregnet. Was macht diese Trockenheit mit Regenwürmern?

Die Hauptaktivität von Regenwürmern ist im Frühjahr und im Herbst, wenn der Boden schon beziehungsweise noch warm und zugleich feucht ist. Wenn in diesen Jahreszeiten ungünstige Wetterbedingungen herrschen, es also sehr wenig Niederschlag gibt, gehen viele Regenwürmer früher in die sogenannte Diapause, ein Ruhestadium. Das heißt, sie vergraben sich rund 30 Zentimeter tief in der Erde und verknoten sich und fahren ihre Körperfunktionen stark herunter. Normalerweise passiert dies erst im Sommer. Wenn das bereits im Frühjahr der Fall ist, haben die Regenwürmer weniger Zeit, um Nahrung aufzunehmen und sich zu reproduzieren.

Das heißt, anhaltende Trockenheit führt dazu, dass es langfristig weniger Regenwürmer gibt?

Genau. Für das Jahr 2018, als es den Rekordsommer gab, gibt es Indizien, dass die Population auf den landwirtschaftlichen Flächen stark dezimiert wurde. Ob das dieses Jahr auch so sein wird, kann man noch nicht sicher sagen. Regenwürmer haben eine gewisse Toleranz, aber hin und wieder benötigen sie Regen.

Braucht es überhaupt Regenwürmer?

Es gibt zwei bedeutsame Gründe, warum Regenwürmer für unsere Ökosysteme wichtig sind. Zum einen lockern sie den Boden auf, sind so etwas wie der Antagonist des Traktors. Wenn ein Traktor über ein Feld fährt, verdichtet er den Boden. Ein Regenwurm lockert den Boden so auf, dass Wasser besser einsickern und es in der Erde verweilen kann. Zum anderen arbeiten Regenwürmer herabfallendes Laub in den Boden ein. Dadurch kommen Pflanzen leichter an Nährstoffe.

Für den Anbau von Gemüse oder Getreide sind also zwingend Regenwürmer nötig . . .

Nicht zwingend, Regenwürmer verbessern aber das Pflanzenwachstum, indem sie den Boden umgraben und somit auflockern und Nährstoffe für Pflanzen leichter verfügbar machen. Ohne sie würde sich der Boden dauerhaft verdichten, und es kann zu Staunässe kommen. Außerdem nutzen Pflanzen die von Regenwürmern gegrabenen Gänge, um ihre Wurzeln tiefer in den Boden zu schieben.

Wie viele verschiedene Regenwürmer gibt es eigentlich?

In Deutschland sind aktuell um die 40 Arten bekannt. Innerhalb eines Habitats kommen aber maximal acht Arten vor. Manche leben zum Beispiel nur im Gebirge, andere nur im Kompost, wieder andere nur auf Feldern. Einige Arten sind hierzulande durch die zunehmende Trockenheit gefährdet. Aber möglicherweise siedeln sich dadurch langfristig auch neue Arten an, die bisher vor allem im mediterranen Raum vertreten waren.

Es gibt ein verbreitetes Gerücht: Wenn man einen Regenwurm in der Mitte durchschneidet, können die beiden Einzelteile weiterleben.

Regenwürmer haben ein gutes Regenerationsvermögen, aber es können nicht beide Enden überleben, wenn man sie in der Mitte durchschneidet. Manchmal überlebt das Vorderende, denn das hintere Ende kann theoretisch nachwachsen. Der Grund, warum so viele Menschen glauben, dass beide Teile weiterleben können, liegt darin begründet, dass die Enden manchmal noch zwei oder drei Tage lang weiterzappeln, wenn sie durchtrennt wurden.

Was kann man denn selbst tun, um Regenwürmer zu unterstützen?

Wichtig ist es, das Gartenbeet nicht „totzuputzen“, also im Herbst Laub ruhig auch mal liegen zu lassen, um Regenwürmern einen Unterschlupf und Nahrung zu bieten. Denn letztlich profitieren wir alle von ihnen.