Die Bundesligisten der Region machen sich große Sorgen um die finanziellen Folgen der durch das Coronavirus bedingten Spielausfälle. Sie setzen auf die Unterstützung durch die Politik, doch viele Fragen bleiben offen.

Stuttgart - Auch bei den Bundesligisten in der Region herrscht Unsicherheit wegen des Coronavirus. Wir haben uns umgehört und geben einen Überblick über die möglichen Folgen.

 

TVB Stuttgart und Frisch Auf Göppingen

Bei den Handballern hat der Ligaverband HBL festgelegt: Mindestens bis zum 22. April wird der Spielbetrieb in der ersten und zweiten Liga eingestellt. Die ausgefallenen Spiele müssten im Mai nachgeholt werden, die Saison – der letzte Spieltag war ursprünglich für den 14. Mai geplant – müsste verlängert werden. Doch die wenigsten in der Branche würde es wundern, wenn es in dieser Runde gar nicht mehr weitergehen würde. „Wir sind mit der Handball-Bundesliga ständig in Kontakt, alles ist noch sehr vage. Fest steht nur: Das gesundheitliche Wohl der Bevölkerung hat im Moment oberste Priorität, und es gilt, die Ruhe zu bewahren“, sagt Jürgen Schweikardt, der Geschäftsführer und Trainer des Bundesligisten TVB Stuttgart.

An diesem Montag wird er entscheiden, ob und gegebenenfalls wie lange die Mannschaft mit dem Training aussetzt. „Das wird aber auf keinen Fall ein Urlaub, die Spieler müssen Gewehr bei Fuß stehen“, stellt Schweikardt klar. Von den sieben noch ausstehenden Punktspielen hat der TVB noch drei zu Hause. „Zum Glück ist kein Spiel mehr in der Porsche-Arena angesetzt, sondern alle in der Scharrena“, sagt Schweikardt. Wie hart seinen Club die Ausnahmesituation trifft? Natürlich sei das auch für seinen Verein „eine kritische Situation und Phase“, aber man müsse „ganz sicher nicht den Verein schließen“.

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Mindestens sechsstellige Beträge gehen den Handball-Bundesligisten durch die Lappen. Da es eine vergleichbare Situation noch nie gab, bleiben (juristische) Fragen offen: Wie reagieren Sponsoren, Dauerkarteninhaber auf nicht erbrachte Leistungen des Vereins, die diese gar nicht erbringen können und dürfen? Welche Handlungsoptionen gibt es, um Kosten zu reduzieren? Kann es die Möglichkeit der Kurzarbeit beim wichtigsten Posten, den Profispielern, geben? „Viele Dinge werden hinter den Kulissen derzeit diskutiert“, sagt Christian Schöne, der Sportliche Leiter von Frisch Auf Göppingen. Wird die Saison abgebrochen, würden seinem Club fünf Heimspiele durch die Lappen gehen. „Wir wissen nicht, was auf uns zukommt, doch es muss Hilfe von der Politik kommen, sonst müssen wir – überspitzt formuliert – die Handball-Bundesliga schließen“, sagt Schöne. Sorgen um den Bestand des Unternehmens Frisch Auf gibt es zwar keine, doch „es gibt Vereine, für die die Lage existenzbedrohend sein kann“, sagt Göppingens Geschäftsführer Gerd Hofele, der auch als Vizepräsident Finanzen der Handball-Bundesliga (HBL) fungiert. Es gehe jetzt nur darum, den Schaden zu minimieren.

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Hofele bringt in diesen tristen Zeiten mit ungewissem Ende aber auch noch einen positiven Aspekt ins Spiel: „Wenn wir diese Krise überstehen, bietet sie auch eine Chance.“ Er setzt auf eine bessere Zusammenarbeit der Handballclubs. „Wir sind derzeit keine Wettbewerber, sondern Partner. Alle haben das gleiche Problem. Dieser Bewusstseinswandel könnte sich auch auf den künftigen Umgang zum Beispiel beim Abwerben von Spielern auswirken.“ Dass sich der geänderte Spielbetrieb auf die Trainingspläne auswirkt, steht auch bei Frisch Auf fest. In welcher Form, werden die Grün-Weißen, genauso wie der TVB, an diesem Montag entscheiden. Sollte mit dem Training mehrere Tage ausgesetzt werden, wird es Reisebeschränkungen für die Spieler geben. Doch das ist derzeit wahrlich nicht das größte Problem.

Allianz MTV Stuttgart

Stuttgart - Die Saison ist vorbei, die Enttäuschung bleibt. Nicht über die Entscheidung der Volleyball-Bundesliga, den Spielbetrieb mit sofortiger Wirkung einzustellen – diese Maßnahme halten die Verantwortlichen von Allianz MTV Stuttgart nach wie vor für richtig und wichtig. Sondern darüber, dass nach Monaten harter Arbeit nun das Gefühl bleibt, ein unvollendetes Projekt zurücklassen zu müssen und trotzdem noch einige wichtige Aufgaben vor sich zu haben.

Eigentlich hätte das Team am Freitag zum letzten Duell der Hauptrunde nach Schwerin reisen sollen. Stattdessen trafen sich Spielerinnen und Management am Abend zu einem letzten gemeinsamen Essen. „Wir wollten eine Art Abschluss haben“, sagte Sportchefin Kim Renkema, „denn die Situation ist so außergewöhnlich, dass niemand weiß, was nun kommt. Es ist, als befände sich die ganze Welt in einem schlechten Film.“ Ähnlich denkt Aurel Irion. „Die Mannschaft ist komplett down, ratlos, hilflos“, meinte der Geschäftsführer, „wir alle stehen neben uns.“

Zumindest bis Montag werden die Spielerinnen noch in Stuttgart sein, diese Zeit will Renkema nutzen, um Gespräche zu führen – vor allem über die nächste Saison. Die Sportchefin hat einen Plan, mit wem sie gerne weiterarbeiten würde, und sie hofft, übers Wochenende die ersten Zusagen zu erhalten. Einen Kontrakt über den 31. Mai 2020 hinaus haben Roosa Koskelo (Libera), Pia Kästner (Zuspielerin) und Annie Cesar (Libera), zudem auch Diagonalangreiferin Krystal Rivers, die 25 Jahre alte Kapitänin allerdings mit Ausstiegsklausel. „Ich habe die starke Hoffnung, dass sie uns erhalten bleibt“, sagte Renkema über ihre Starangreiferin, „die festgeschriebene Ablösesumme ist hoch, deshalb liegt der Vorteil in der momentanen Situation bei uns.“

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Wobei natürlich völlig offen ist, welche finanziellen Auswirkungen die Corona-Krise haben wird. Für den Sport. Für Volleyball. Für die Frauen-Bundesliga. „Ich kann nicht einschätzen, was wirtschaftlich passieren wird“, sagte Renkema, „aber ich mache mir schon große Sorgen. Ich weiß nicht, ob alle Vereine gut durch diese schwierige Zeit kommen werden.“

Allianz MTV Stuttgart steht stabil da, aber natürlich stellen sich auch bei dem Bundesliga-Topverein und aktuellen Tabellenzweiten sehr wichtige Fragen. Dass die Play-offs abgesagt worden sind, ist nicht das Problem – in dieser Endphase der Saison sind zwar normalerweise die Umsätze hoch, allerdings auch die Reisekosten.

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Selbst in den Play-offs 2019, die mit dem Gewinn des deutschen Meistertitels endeten, blieb unter dem Strich nicht viel übrig. Deshalb sind die Gehälter, die noch bis Ende Mai bezahlt werden müssen, im normalen Saisonetat von rund 1,7 Millionen Euro gegenfinanziert.

Außerdem will der Verein prüfen, ob eventuell Kurzarbeit angemeldet werden kann. Offen ist, wie die Sponsoren auf die Lage reagieren werden, zudem sollte auch noch Ersatz für den insolventen Hauptpartner DeinBus.de gefunden werden.

„Ich bin mir sicher, dass unsere Sponsoren uns den weiterhin Rücken stärken werden – solange sie es können“, sagte Allianz-MTV-Geschäftsführer Aurel Irion, „doch klar ist, dass diese Krise natürlich auch uns im Volleyballsport hart treffen wird. Und das bereitet auch mir selbstverständlich große Sorgen.“

MHP Riesen Ludwigsburg

Die große nordamerikanische Profiliga NBA hat es am Donnerstag vorgemacht, wenige Stunden später haben dann auch die Verantwortlichen der Basketball-Bundesliga (BBL) den Spielbetrieb ausgesetzt nach einem Treffen am Stuttgarter Flughafen. Auf Reisen gehen die 17 Clubs bis auf Weiteres nicht mehr. Davon sind die MHP Riesen Ludwigsburg besonders hart betroffen.

Nach zuletzt vier Auswärtspartien hätte an diesem Sonntag das mit Spannung erwartete württembergische Derby gegen den Tabellendritten Crailsheim Merlins auf dem Programm gestanden, zudem noch zwei weitere Partien in der heimischen MHP-Arena in diesem Monat. Einnahmen, die fehlen. Und da in dieser Saison nicht zuletzt wegen des sportlichen Erfolges als Tabellenzweiter die Halle mit gut 4000 Zuschauern meist ausverkauft war, reden wir über einen sechsstelligen Betrag pro Spiel. „150 000 Euro, eher noch etwas mehr“, sagt der Ludwigsburger Vorsitzende Alexander Reil. Das bedeutet, dass allein im Monat März etwa eine halbe Million Euro aus dem Spielbetrieb fehlen – bei einem Etat von rund fünf Millionen Euro entspricht das schon einmal zehn Prozent.

Wie lange die MHP Riesen Ludwigsburg das durchhalten können? Alexander Reil sagt nur so viel: „Dieses Thema kommt für jeden überraschend, und da haben wir keine fertigen Antworten parat.“ Nur eines ist klar: „Hier geht es um Existenzen – für alle Vereine.“ Zumal der Anteil der Zuschauereinnahmen am Budget, im Vergleich etwa zum Fußball, doch höher liegt, in Ludwigsburg bei rund einem Viertel. Deshalb waren Spiele unter Ausschluss der Öffentlichkeit auch keine wirkliche Option.

Geschäftsführer Gunnar Wöbke vom Bundesliga-Konkurrenten Frankfurt Skyliners betont stellvertretend: „Wir finanzieren uns zu 98 Prozent aus Sponsoring und Tickets. Leere Ränge wären katastrophal, das könnte unser Sport auf Dauer nicht überstehen.“

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Zu dieser Saison wurde der Mindestetat für die Bundesligisten auf drei Millionen Euro erhöht, die Eisbären Bremerhaven konnten die wirtschaftlichen Bedingungen nicht erfüllen und bekamen keine Lizenz, so dass die Liga aktuell nur mit 17 Clubs antritt. Zwar gibt es einen Sicherungsfonds (für den Fall, dass ein Club in der Saison insolvent wird), „aber in einer Größenordnung, der für dieses Ausmaß nicht gewappnet ist“, wie Reil in seiner Funktion als Präsident der Basketball-Bundesliga zugibt.

Wie es nun weitergeht? Die Liga verkündete am Donnerstag, es sei das Ziel, „die Saison zu einem späteren Zeitpunkt geordnet zu Ende zu spielen“. Die Botschaft hör ich wohl, allein es fehlt der Glaube – und das von vielen Seiten.

Aktuell trainiert die Bundesliga-Mannschaft der Riesen, wenn auch unter reduzierten Bedingungen weiter. Wie lange noch? „Das müssen wir abwarten“, sagt Alexander Reil, der auch nicht ausschließen will, dass der eine oder andere (ausländische) Spieler vorzeitig nach Hause reisen möchte.

Zumindest in einem Punkt hat der Verein aktuell noch Geld gespart. Das Hallenheft für diesen Sonntag mit einer Auflage von 4000 Stück lag zwar fix und fertig vor, ging in weiser Voraussicht aber nicht in den Druck. Das ist jedoch nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.