Der Spanier übersteht den Horrorunfall in Australien fast unbeschadet. Das ist einerseits ein Wunder, zum anderen aber auchden hohen Sicherheitsstandards der Rennwagen geschuldet. Doch das Risiko fährt immer mit.

Melbourne - Die Angelegenheit, bei der der ganzen (Renn-)Welt der Atem stockte, ist für die Streckenkommissare schnell ad acta gelegt. „Normaler Unfall. Keine weiteren Ermittlungen“, das schreiben sie über die Szene, die zum Sinnbild eines ziemlich aufregenden Saisonstarts der Formel 1 wurde. Die Kollegen vom „Herald Sun“ haben da schon das bessere Gespür. Sie haben die erste Seite freigeräumt, zeigen einen kopfüber mit seinem Rennwagen durch den Albert Park fliegenden Fernando Alonso und titeln: „Der glücklichste Mensch auf Erden.“

 

Den berüchtigten Turn 3 beim Großen Preis von Australien haben sie auch gleich umbenannt. Obwohl dem Schock des Auffahrunfalls mit 310 Stundenkilometer und einem völlig zerstörten McLaren das Wunder folgte, dass der Spanier sich ohne Kratzer selbst befreien konnte, nennen sie den scharfen Rechtsknick aufgrund seiner dunklen Geschichte jetzt nur noch „die Höllenkurve“. 2001 kollidierten dort Jacques Villeneuve und Ralf Schumacher, ein Streckenposten wurde getötet, 1996 zerbrach der Jordan des Briten Martin Brundle nach einer ähnlichen, unfreiwilligen Flugeinlage in zwei Teile. Passiert ist den Fahrern nie was. Auch Alonso schmerzen nur das Knie und die Rippen etwas. Schlecht geschlafen habe er auch, erzählt er am Montag am Strand von St. Kilda.

Der 34-Jährige, der den Saisonauftakt im Vorjahr wegen einer Gehirnerschütterung nach einem mysteriösen Unfall bei Testfahrten verpasst hatte, versuchte die doppelte Schraube seines McLaren samt Abschlusssalto sofort zu verniedlichen. „Ich bin so schnell da rausgekrabbelt, weil ich wusste, dass meine Mutter zuhause in Spanien zuguckt, und sich sonst Sorgen gemacht hätte. Sie sollte sehen, dass es mir gut geht.“ Dem Formel-1-Veteran ist diese trotzige Haltung wichtig, denn einen Horror müssen Rennfahrer immer sofort aus dem Kopf bekommen – die Angst vorm nächsten Crash. Sie dürfen auch nicht an Schicksal glauben, sondern müssen der Unfehlbarkeit der Technik huldigen. Defätismus und Pragmatismus verbinden sich zu Professionalismus.

Auslöser ist frühes Bremsen des Vordermanns gewesen

Formel-1-Rennwagen sind Überlebenszellen aus Kohlefaser, Monocoques genannt. Alles andere ist zerbrechlich und fliegt weg, aber der High-Tech-Kokon um den Fahrer ist kaum zerstörbar. Das ist wichtig in Situation wie dem Aufprall von Alonso auf den Haas-Ferrari des Mexikaners Esteban Gutierrez. „Wenn die Sache bei so einem Tempo schief geht, geht sie richtig schief“, sagt Alonso. An die Überschläge hat er nur eine Erinnerung: „Man sieht den Himmel, dann wieder den Boden, dann wieder den Himmel und dann wieder den Boden. Es hat gar nicht aufgehört. Du willst es irgendwie stoppen, aber es geht einfach immer so weiter.“ Etwa 100 Meter betrug die Flugstrecke. „Ich wusste erst gar nicht, wo ich bin. Ich lag so weit von der Strecke weg“, gab der Iberer zu Protokoll.

Auslöser des Crashs war nicht etwa zu frühes Bremsen von Gutierrez, sondern ein kurioses Detail der Hybrid-Technik. Am Ende der Geraden setzte der Power-Reduzierungsmodus im Ferrari-Antriebsstrang ein, um die Batterie wieder aufzuladen. Das ergibt laut „Auto, Motor und Sport“ einen plötzlichen Verlust von 150 PS inklusive Abbremsung. Den nachfolgenden Fahrer soll in diesem Fall ein blinkendes Rotlicht warnen. Aber Alonso sah nur die Chance, sich aus dem Windschatten heraus an Gutierrez vorbeizuschieben – er verpasste den Bremspunkt und wurde zum Passagier.

Neben dem Lob der aktuellen Sicherheitsmaßnahmen für die Rennwagen – in diesem Punkt wird nicht so viel unnütz diskutiert wie über Motorensound oder Qualifikationsreglement – ist das Thema im Fahrerlager die für 2017 diskutierte Einführung der Pilotenkanzeln. Die Fahrer sollen damit vor umherfliegenden Fahrzeugteilen geschützt werden, auch Alonso wäre fast von einem Vorderrad getroffen worden. Entsprechende Versuche hat es Anfang März in Barcelona gegeben, die Pilotengilde ist gespalten. Zum einen würde die Mittelstrebe die Sicht behindern, zum anderen würde es das Rennwagendesign zerstören.

Der Unfall zeigt, wie sicher die Autos sind

Ein Argument, das Sebastian Vettel, Beisitzer der Fahrergewerkschaft GPDA nun gar nicht gelten lassen will: „Bei der Diskussion, ob das hässlich ist oder nicht, sollten wir immer an die beiden Piloten denken, die nicht mehr unter uns sind.“ Henry Surtees und Justin Wilson wurden Opfer herumfliegender Fahrzeugteile.

„Alonsos Crash zeigt, wie sicher diese Autos sind. Wir sind da schon sehr weit gekommen“, sagt Jenson Button, „nichtsdestotrotz gibt es aber immer noch viele Gefahren, vor allem in der Bremszone. Dann wird das Auto zum unkontrollierbaren Geschoss.“ Zu sicher darf man sich einfach nie sein in diesem Sport.