Fernando Alonso wird mit seinem Aston Martin beim Saisonauftakt der Formel 1 überraschend Dritter. Es gibt Gründe, warum das Team plötzlich so gut ist.

Der Auftaktsieg von Max Verstappen beim Großen Preis von Bahrain war schnell abgehakt. Es gab hinterher nur ein paar Anstandsfragen an den Titelverteidiger, der mit angezogener Handbremse zum Triumph fahren konnte. Ausführlicher und unterhaltsamer war die Fragerunde an den Senior der Formel 1, Fernando Alonso.

 

Mit seinem dritten Platz, dem 99. Podiumsbesuch seiner Karriere, ist er schon jetzt der Mann der Rennsaison. Mercedes, Ferrari, Renault – alle hat er sie schon durchgehabt bei seinem verzweifelten Versuch, doch noch zum dritten Mal Weltmeister zu werden. Und nun soll das ausgerechnet in einem Aston Martin klappen?

Sebastian Vettel, sein Vorgänger im britischen Team, muss sich grün ärgern. Plötzlich ist der als Spielzeug eines Milliardärs verhöhnte Rennstall die zweite Kraft im Feld, zumindest fürs Erste. Natürlich kommen da noch andere Strecken, aber es wird immer der gleiche Alonso sein. Mercedes und Ferrari, den großen Verlierern des Wüstenabends, bleibt nur das Konzernjammern. Aber Alonso scheint das richtige Näschen gehabt zu haben: „Vor acht Monaten war mein Wechsel nur eine Wette gewesen.“

Zum 99. Mal in seiner Karriere steht der Kämpfer aus Asturien damit auf dem Podium, erlebt mit 41 Jahren seinen x-ten Frühling und findet selbst, dass sich das „unwirklich“ anfühle. Dann reißt er aber die Augen auf, lacht sein das ganze Gesicht umspannendes Lachen, und stellt sich der neuen Wirklichkeit: „Wir leben unseren Traum.“

Zu viel Monotonie

Vor allem hat der Grand-Prix-Sport einen Geheimfavoriten, das ist sehr gut gegen die sich einstellende Monotonie ganz vorne. Natürlich ist Bahrain nicht der Archetyp aller Rennstrecken, aber die Basis des Autos, an dem 95 Prozent aller Teile neu sind, stimmt schon – obwohl Alonso ankündigt, dass bis zum Sommer noch mehr Weiterentwicklungen aus dem Windkanal kommen. Ganz offiziell, und ob der Seelenverwandtschaft bei radikalen Überholmanövern begrüßt ihn Max Verstappen im Kreis der Titelkandidaten. Und der Lauf, den Aston Martin plötzlich hat, ist nicht zu unterschätzen. Alonso war schon immer auch ein Magier der Gefühle.

Zur Erinnerung: Die beiden Weltmeistertitel, die dem Mann aus Asturien bis heute zu wenig sind, resultieren aus einer Zeit, als er gegen Michael Schumacher im Ferrari kämpfte. Danach fehlte ihm ein gutes Händchen bei der Wahl seines Arbeitsplatzes, und seine Kampfstärke im Cockpit neutralisierte er meist selbst durch seinen schwierigen Charakter. Als Sebastian Vettel im letzten Sommer nach zwei Jahren eher erfolgloser Aufbauarbeit seinen Abschied von Aston Martin bekannt gab, traf sich Alonso wenig später heimlich mit dem kanadischen Multimilliardär Lawrence Stroll, der das ursprünglich zum Wohl seines Sohnes Lance gekaufte Team zu einem „Sechssternerennstall“ ausbauen will. Aber wer wechselt schon ohne Not zu einem Team, das bloß Siebter der Konstrukteurswertung war?

Erstmal schauen, wer kommt

Gesetzt hatte der Rennfahrer bei seinem Poker vor allem auf die Personalien, die vor seinem Wechsel beschlossen worden waren und die entscheidenden Positionen hinter der Boxenmauer betreffen. Aston Martin hatte mit Dan Fallows einen Cheftechniker bei Red Bull abgeworben, der vom genialen Adrian Newey ausgebildet worden war. Von Mercedes kam Aerodynamiker Eric Blandin, und beide brachten noch weitere Vertraute mit. So setzt sich das Auto aus Ansätzen der beiden führenden Teams des letzten Jahrzehnts zusammen. Süffisant sprechen sie bei Red Bull vom guten Gedächtnis, das ihre ehemaligen Beschäftigten offenbar hätten.

Aber nur so konnte auf die Schnelle etwas möglich werden, was selbst Alonso nicht für möglich gehalten hatte: „Normalerweise dauert so ein Sprung zwei Jahre. Es sieht so aus, dass das Team ihn in acht Monaten geschafft hat.“ Als Beweis dafür dient auch der sechste Platz von Lance Stroll, der nach einem Fahrradunfall frisch am Handgelenk operiert worden war und mit gebrochenem Zeh fuhr. Im Getümmel der ersten Runde hatten sich die beiden Aston Martin sogar berührt, ehe die Fahrt wieder nach vorn ging. Das unterstreicht das große Comeback von Alonso in seiner 20. Saison.

Was besonders peinlich ist für das Mercedes-Werksteam. Im grünen Auto steckt der gleiche Antriebsstrang wie beim ehemaligen Abonnementssieger, die Heckpartie ist praktisch deckungsgleich, Aston Martin testet im gleichen Windkanal – und dann muss der erfolgsverwöhnte Mercedes-Teamchef Toto Wolff eingestehen: „Wir haben die Seuche, und Aston ist eigentlich die zweite Kraft. Ich muss zugeben, dass sie einen außergewöhnlichen Job gemacht haben.“ Der AMR 23 ist ein sehr berechenbares Auto, weshalb sein Chauffeur Alonso frohlockt: „Ich hätte noch eine Stunde so weiterfahren können.“

Fernando Alonso sieht als treibende Kraft vor allem den Ehrgeiz von Rennstallboss Lawrence Stroll – da zollt ein Alphatier dem anderen Respekt. Seine eigene Aggressivität im Cockpit muss sich dahinter gewiss nicht verstecken. „Lasst sie uns unter Druck setzen, mal sehen, was sie machen“, funkte er prophetisch während des Rennens, als er zur Spitzengruppe aufgeschlossen hatte. Die Verunsicherung wirkte, Alonso gilt noch immer als einer der härtesten Angreifer im Feld. Und der Teamchef Mike Krack lobt das Kraftwerk Alonso dafür, dass er „mit seiner Energie den ganzen Rennstall ansteckt“.