Charles Leclerc fährt Sebastian Vettel ins Auto, damit ist das Rennen in Spielberg für die Ferrari-Piloten früh beendet. Die Scuderia stürzt immer mehr in die Krise.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Spielberg - Der Große Preis der Steiermark hatte gerade erst begonnen, da sorgten die Rotkäppchen Charles Leclerc und Sebastian Vettel für beste Unterhaltung. Jetzt fahren sie sich auch noch gegenseitig in die Autos – als wäre die momentan erkennbare Unterlegenheit ihrer Rennwagen nicht schon Strafe genug. Leclerc wollte ziemlich ungestüm in eine Lücke stoßen, die keine war. Dabei rammte er seinen Teampartner Vettel – und so war das Rennen für die beiden Piloten bei Kaiserwetter in Österreich früh beendet.

 

Der Heckflügel an Vettels Auto war futsch, bei Leclerc der Unterboden zu stark beschädigt – und das rote Desaster perfekt. Also wurden beide Fahrzeuge rückwärts in die Garagen gerollt. Die roten Piloten waren damit nur Zuschauer eines Rennens, das der Mercedes-Gigant Lewis Hamilton vor seinem Partner Valtteri Bottas und Max Verstappen im Red Bull gewann. Wenn die Ferrari-Fahrer denn überhaupt in der Verfassung waren, das Rennen entspannt am Bildschirm zu verfolgen. Vermutlich hatten sie andere Sorgen.

Nur ein Lichtblick

Nichts läuft zurzeit rund bei der Scuderia, man muss es so sagen. Der zweite Platz von Leclerc beim ersten Rennen in Spielberg vor gut einer Woche war noch der einzige Lichtblick. Beim zweiten Rennen in der traumhaften Steiermark machte der Ferrari-Teamchef Mattia Binotto dann am Kommandostand den Eindruck, als wäre er am liebsten im Boden versunken nach diesem ersten Doppelausfall der Scuderia seit Singapur 2017. Immerhin war Leclerc Manns genug, sich mit der Corona-Maske vor die Kamera zu stellen und alle Schuld an dem peinlichen Crash auf sich zu nehmen. „Es war mein Fehler, Sebastian hat nichts falsch gemacht“, sagte der Monegasse. „Ich bin über mich selbst enttäuscht, weil ich mir, Sebastian und dem Team eine Chance genommen habe. Es tut mir wirklich leid.“

Die italienische Mannschaft, sie kommt nicht zur Ruhe und zerlegt sich jetzt auch noch selbst. Seit Sebastian Vettel keinen neuen Vertrag mehr angeboten bekam und darüber extrem enttäuscht war, läuft Vieles aus dem Ruder. Im ersten Saisonrennen vor einer Woche in der Steiermark leistete sich noch Vettel selbst einen unnötigen Dreher. Die Urteile der italienischen Medien kannten keine Gnade und sprachen von einem stümperhaften Anfängerfehler, den man möglicherweise auch auf die unbefriedigende Situation des Piloten bei seinem (Noch)Arbeitgeber zurückführen konnte. Nun war es eine Woche später Leclerc, der patzte. Vettel sei beim ersten Rennen ein Anfängerfehler vorgeworfen worden, das müsste man bei Leclerc jetzt auch tun, meinte der RTL-Kommentator Christian Danner. Leclerc ist zwar gut – aber schon ein Supermann? Dafür fehlt ihm noch die Reife.

Vettel ist erleichtert

Als Sebastian Vettel mit der Schuldfrage konfrontiert wurde, da konterte er lässig mit der Gegenfrage. „Was glauben Sie denn?“ Als ihm dann mitgeteilt wurde, dass der Fauxpas auf die Kappe des 11 Jahre jüngeren Teampartners gehe, zeigte sich der Heppenheimer erleichtert. „Da habe ich ja mal Glück gehabt, dann sind die Experten ja ausnahmsweise mal auf meiner Seite.“ Damit spielte er auf den vergangenen Grand Prix an selber Stelle an, als die Experten nur so über ihn hergefallen waren. „Das war eine eklatante Fehleinschätzung der gesamten Situation. Immer wieder diese Fehler, wenn er sich beim Überholen nach innen dreht“, schimpfte etwa der Ex-Weltmeister Nico Rosberg. Vettel fiel dazu nur das ein: „Gut, der Nico lehnt sich jedes Mal aus dem Fenster, egal bei wem.“

Kleinlaut präsentierte sich nach dem Doppelausfall der Teamchef Binotto. „Es tut schon weh, wenn beide Autos ausfallen, das ist der denkbar schlechteste Abschluss eines mittelmäßigen Wochenendes“, sagte der Italiener. Bereits am Samstag machte er nach den enttäuschenden Qualifying-Ergebnissen (Vettel startete von Platz zehn, Leclerc von Rang 14) seinem Ärger ordentlich Luft. „Wir müssen arbeiten und diesen Zustand verändern, denn das ist einfach nicht gut genug für ein Team wie Ferrari“, sagte Binotto. Die neuen Updates, die früher an die Rennwagen kamen als geplant, sie zeigten an diesem Wochenende keinerlei Wirkung.

Schwere Zeiten

Sie gehen in Maranello schweren Zeiten entgegen. Es gilt, das Auto so schnell wie möglich konkurrenzfähig zu machen – sonst rasen die Silberpfeile vorzeitig auf und davon. Vettel glaubt ohnehin, dass mit dem Ferrari zurzeit Platzierungen zwischen Rang sieben und Platz fünf möglich wären, mehr aber wohl nicht. Im Hinblick auf Leclercs zweiten Platz im ersten Rennen wurde diese Aussage als teaminterne Provokation aufgefasst. Auto zu langsam, ein unzufriedner Mehrfach-Weltmeister in den eigenen Reihen – und jetzt verliert in Leclerc auch noch der Mann der Zukunft die Nerven. Geht es schlimmer? Vermutlich nicht.