Den Formel-1-Teams ist es mittlerweile am liebsten, wenn ihre Piloten keine eigene Meinung haben. Das zeigt sich auch vor dem Grand-Prix von Malaysia am Sonntag.

Sepang - Damon Hill ist mittlerweile TV-Kommentator. Der Ex-Weltmeister hat wie so viele seiner früheren Formel-1-Kollegen Zuflucht in einem anderen Job der Szene gefunden, die ihn einst reich und berühmt gemacht hat. Die Liste der Rennfahrerveteranen, die sich jetzt am Mikrofon versuchen, ist lang. Niki Lauda, Martin Brundle, David Coulthard, Christian Danner, Marc Surer, Ivan Capelli und Jaime Alguersuari verdienen sich als Experten ein Zubrot. Für sie ist der Kontakt mit der aktuellen Formel 1 allerdings das Eintauchen in eine andere Welt.

 

Damon Hill blickt vor dem Malaysia-Grand-Prix am Sonntag (10 Uhr/RTL) 18 Jahre zurück, auf jene turbulente Saison 1994, die mit dem tödlichen Unfall seines Williams-Teamkollegen Ayrton Senna so tragisch begann und mit seiner Rivalität mit Michael Schumacher im Streit endete. „Es war damals unvermeidlich, dass sich die Spitzenfahrer angefeindet haben. Wir sind in der Ära Prost, Piquet und Senna so erzogen worden. Zu meiner Zeit wurden die Konflikte offen ausgetragen.“ Heute ist es ruhig. Die Fahrer vertragen sich. Wenn es Unstimmigkeiten gibt, werden sie unter den Teppich gekehrt. Es hat sich die Meinung verfestigt, dass schlechte Nachrichten schlecht fürs Geschäft sind. Das kann auch ein Trugschluss sein.

Die Teams haben den Beteiligten Sprachlosigkeit verordnet

Wenn Australiens größte Tageszeitung „The Australian“ zwei Tage nach dem Saisonauftakt in Melbourne nicht eine Zeile mehr über eine der größten Sportveranstaltungen des Landes bringt, obwohl in diesem Rennen zwei Australier in die Punkteränge gefahren sind, sollten im Grand-Prix-Zirkus die Alarmglocken schrillen. Offenbar gibt es nicht genug Stoff, der die Zeitungen füllen würde. Oder das Fernsehen hat mit seiner Rundumberichterstattung alles bereits totgesendet. Die Marketingabteilungen der Teams haben den Beteiligten Sprachlosigkeit verordnet. Keiner traut sich, eine eigene Meinung zu haben, weil er damit anecken könnte. „Die Rennfahrer werden heute von Sportpsychologen so erzogen, dass sie möglichst unverbindliche Sachen sagen. Sie müssen nichts mehr dementieren oder kommentieren, und das spart ihnen Zeit, sich auf ihren Job zu konzentrieren. Bei uns gab es so etwas nicht“, berichtet Damon Hill.

Er muss es wissen. Einer seiner Söhne beginnt gerade eine Rennfahrerkarriere. Als die unvermeidliche Frage nach der Sinnhaftigkeit eines Grand Prix in der Krisenregion Bahrain aufkam, stellte sich die eine Hälfte der Formel-1-Piloten stumm. Die andere antwortete mit dem Standardsatz: „Wir vertrauen denen, die diese Entscheidung für uns treffen.“ Bahrain ist ein Thema, bei dem man sich den Mund verbrennen könnte. Mark Webber hat die Ansetzung des Rennens im Vorjahr kritisiert und war dafür teamintern gerügt worden. So ändern sich die Zeiten. Der Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz hatte beim Debüt seines Rennstalls 2005 noch versprochen, dass bei ihm im Gegensatz zu der spießigen Kommunikationspolitik der Automobilhersteller jeder seine Meinung sagen dürfe. Das war einmal.

Eine heile Motorsportwelt gibt es nicht

Der Versuch, der Öffentlichkeit eine heile Welt zu präsentieren, nimmt mitunter lächerliche Züge an. Seit Saisonbeginn streiten sich die Teams über die Legalität bestimmter technischer Entwicklungen. Red Bull und Lotus setzen alle Hebel in Bewegung, um den „F-Schacht“ von Mercedes beim Weltverband Fia anzuschwärzen, in der Hoffnung, der Trick mit dem vom Fahrer aktivierten Strömungsabriss am Frontflügel möge bald verboten werden. Mercedes glaubt, dass Renault mit verbotenen Motorkennfeldern fährt, um die Traktion und den Gasfluss aus dem Auspuff zum Nutzen der Aerodynamik zu verbessern. Nach Meinung von Mercedes dürften dazu vier der acht Zylinder nur auf einer Bank oder in V-Form abgeschaltet werden, Renault aber lege die vier Zylinder querbeet lahm. Die Fia erklärte bisher allerdings beides für legal: den Mercedes F-Schacht und das Motorenmanagement von Renault.

Spricht man die Beteiligten darauf an, so kommt nur heiße Luft als Antwort. Natürlich handele es sich nur um Klarstellungen hinsichtlich der Fairness und nicht um Lobbyarbeit beim Verband. Und der Lotus-Teamchef Eric Boullier bat allen Ernstes von einer Berichterstattung abzusehen, weil es nicht gut für den Sport sei. Wenn alles entschieden ist, wäre immer noch Zeit, darüber zu schreiben. Eine heile Motorsportwelt gibt es nicht, alles andere ist die Vortäuschung falscher Tatsachen. Die Formel 1 ist Hauen und Stechen. Das liegt in der Natur dieses Wettstreits, der auf sportlicher, technischer und politischer Ebene stattfindet. Das macht die Formel 1 attraktiv. Wer die Wahrheit totschweigen will, tut diesem Sport überhaupt keinen Gefallen.