Rang fünf für Lewis Hamilton beim Rennen in Barcelona, ein konkurrenzfähiger Silberpfeil – bei Mercedes kehrt Hoffnung zurück, doch ganz über den Berg ist der Rekordweltmeister noch nicht.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Es kommt eher selten vor, dass Lewis Hamilton „Fahrer des Tages“ der Formel 1 ist. Seit die Publikumswahl 2016 eingeführt wurde, um junge Motorsportfans übers Internet anzulocken, hat der Brite zehnmal gewonnen. Bei 127 Wahlen entspricht das einer Quote von 7,9 Prozent. Da ist der Siegquotient des Rekordweltmeisters bei Großen Preisen weit höher, in 294 Rennen triumphierte er 103-mal, was gut 35 Prozent sind. Es könnte daran gelegen haben, dass es bei dem Mercedes-Mann bis 2021 oft so anmutete, als sei ein Erfolg im Cockpit auf Asphalt für ihn leichter zu erringen als einer mit der Konsole im Wohnzimmer an der Playstation. Weshalb also den gefühlten Dauerdominator zum Fahrer des Tages küren?

 

Beim Großen Preis von Spanien hat Hamilton den Publikumstitel zum zehnten Mal erobert, nachdem er wegen einer Kollision mit Kevin Magnussen wegen eines Reifenschadens an die Box und das Rennen von Platz 19 wieder aufnehmen musste – am Ende landete der Mercedes-Star auf Platz fünf. Die Fans lieben solche Aufholjagden, wenn einer wie mit einem Schneepflug durchs Feld rast und die Konkurrenten rechts wie links liegen lässt; wenn einer trotz Aussichtslosigkeit nicht aufgibt, das Herz in beide Hände nimmt und sich an seiner Ehre als Berufskraftfahrer gepackt fühlt. „Das war richtig gut. Ein Rennen wie dieses, in dem du von so weit hinten kommst, ist wie ein Sieg“, frohlockte Hamilton hinterher. Für den 37-Jährigen sind Glücksgefühle so selten geworden wie WM-Punkte für den Williams-Rennstall.

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Selbst wenn Hamilton nach dem Grand Prix in Barcelona die Sonne über dem Motorhome von Mercedes aufgehen sah, so scheint sein mentales Gleichgewicht ein ziemlich fragiles zu sein. Nachdem er das Rennen von Rang 19 wieder aufnehmen musste, hatte er nach fünf Runden keine echte Lust mehr, wieder mal hinterherzufahren. Angesäuert wollte er den Silberpfeil in der Garage parken, wurde aber von seinem Renningenieur Peter Bonnington und dem Team gerade noch davon abgehalten – was belegt, dass der Stachel der Chancenlosigkeit tief im Fleisch des Rekordweltmeisters steckt. Dass sein junger Teamkollege George Russell (24) die jahrelange interne Hierarchie bei Mercedes infrage stellt, indem er häufig vor Hamilton liegt, tut sein Übriges.

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Bonnington sei Dank. Dieser Grand Prix könnte die sehnlichst erwartete Wende zum Guten, sprich: hin zum Erfolg für Hamilton wie Mercedes bedeutet haben. „Das ist ein großartiges Zeichen, dass wir uns in die richtige Richtung bewegen“, sagte der Ex-Weltmeister, „wir haben das Auto sehr verbessert.“ Teamchef Toto Wolff meinte gar, dass „Lewis um den Rennsieg mitgefahren wäre“, wenn das Malheur mit Magnussen beim Start nicht passiert wäre – der Österreicher kam zu dem Schluss, weil Hamiltons Rückstand im Ziel 15 Sekunden geringer war als nach dem ungeplanten Stopp zu Beginn. Mit Zahlen jonglieren, das können sie in der Formel 1, denn Ferrari-Teamchef Mattia Binotto rechnete den Mercedes-Rückstand von 40 Sekunden auf 66 Runden um und kam zu der Erkenntnis: Mercedes noch immer „sechs, sieben Zehntel pro Runde zur Spitze“.

Welches Zahlenspiel die Realität am besten abbildet, könnte sich schon am nächsten Wochenende in Monaco zeigen. Bis neue interpretierbare Daten vorliegen, ist bei Lewis Hamilton und Mercedes der Optimismus zurückgekehrt. Und das ist auch schon was.