Vor dem Formel-1-Rennen am Sonntag in Portugal dreht sich viel um Kimi Räikkönen und seine Zukunft.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Wer hätte es gedacht? Kim Räikkönen spielt derzeit eine zentrale Rolle in der Formel 1. Mit 41 Jahren und dem Ruf, dass ihm ohnehin alles wurscht ist. Bleibt er bei Alfa Romeo? Hört er auf? Erst wenn diese Frage geklärt ist, dürfen sich zahlreiche andere Piloten gezielt auf Jobsuche begeben. „Einige wollen mich wohl loswerden“, sagt der Finne mit einem Lächeln – wohl wissend, dass ihm auch das ziemlich egal wäre.

 

Den Verhandlungsstand mit seinem Schweizer Team Sauber, das unter der Etikette Alfa Romeo fährt, beschreibt er in seiner ihm eigenen Art. „Es laufen Gespräche, wir werden sehen, was passiert“, sagt der PS-Oldie. Beobachter der Szene freuen sich schon auf ein mögliches Szenario, wie ein alter Weggefährte seines Vaters den Nachwuchsmann Mick Schumacher bei Alfa im kommenden Jahr fit macht für die Zukunft. Schumacher/Räikkönen, der Sohn des Rekordweltmeisters als Partner des Rekordfahrers – das wäre was! Die Suche nach schönen Geschichten geht trotz der Corona-Pandemie ungebremst weiter in der Formel 1.

Der neue Rekormann

Die Fans von Kimi Räikkönen wird es ohnehin geärgert haben, dass sie beim vergangenen Rennen am Nürburgring nicht dabei sein konnten. Ihr Held absolvierte seinen 324. Grand Prix, damit löste er Rubens Barrichello als Rekordmann ab. Dass der Finne auf diese imposante Zahl kommen würde, obwohl er sich 2010 spürbar gelangweilt vom Acker machte und für zwei Jahre sein Glück im Rallyesport suchte – es ist erstaunlich. Er hat zwei bezaubernde Kinder zu Hause, hätte sich längst für ein Dasein als Vollzeit-Familienmensch entscheiden können, aber das füllt ja auch nicht immer aus. Man benötigt Aufgaben. Und das Gaspedal herunterzudrücken ist noch immer Räikkönens Leidenschaft. Auf die Frage, was das Beste an seinem Beruf sei, antwortete der Weltmeister des Jahres 2007 ruppig: „Bestimmt nicht, mit den Medien zu sprechen. Ich bin kein großer Fan beschissener Fragen.“

Wäre Kimi Räikkönen der richtige Lehrmeister für den Schumi-Sohn? Aus gemeinsamen Anfangszeiten bei Sauber ist bekannt, dass Nick Heidfeld so seine Probleme hatte mit dem Mann aus Espoo. Der an technischen Details interessierte Deutsche verbesserte den Rennwagen – aber der coole blonde Partner fuhr die schnelleren Runden und holte sich das Lob ab. Weil Räikkönen ein gnadenloser Gasfußfahrer ist und ein außergewöhnliches Talent besitzt. Er ist kein Fahrzeugentwickler, kein akribischer Arbeiter. Er ist Instinktfahrer. Und Instinkt ist einem jüngeren Piloten nur schwer bis gar nicht vermittelbar. Sicher könnte Räikkönen Tipps geben – doch die Frage ist auch, ob er darauf immer Lust hat.

Mick Schumacher, immerhin das, den findet Kimi Räikkönen sehr in Ordnung. „Er ist ein wirklich netter Kerl und in vielerlei Hinsicht eine Kopie seines Vaters“, sagt er. Es sei „großartig“, den Sohn seines ehemaligen Rivalen an der Rennstrecke zu sehen, meinte der Iceman vor Mick Schumachers Testfahrt am Nürburgring und gab damit ein für ihn ungewöhnlich emotionales Urteil ab.

Beliebt wie eh und je

Räikkönen ist noch immer der beliebteste Rennfahrer der Formel 1. Dazu muss man sich nur mal vergegenwärtigen, wie viele Fanclubs des Finnen tatsächlich unterwegs waren, als es Corona noch nicht gab. Das „Kimi go!“-Transparent fehlte auf keiner Haupttribüne des Grand-Prix-Sports. Was man so an ihm mag? Dass er ist, wie er ist, sich niemals verstellt. Im Prinzip pfeift er auch auf den aufgeblasenen Rennzirkus. Er will im Auto sitzen, Gas geben – immer volles Rohr. Am liebsten wäre er in den 1970er Jahren unterwegs gewesen, als Rennfahrer noch wie Rockstars gefeiert wurden oder Partytiger waren wie James Hunt.

James Hunt war der Playboy, der das Leben in vollen Zügen genossen hat. Lewis Hamilton steht dagegen für die Gegenwart: ernährt sich vegan, ist durchtrainiert, modebewusst, politisch engagiert. Über den Unterschied zwischen den beiden Engländern machte sich Räikkönen im Internet kürzlich lustig, indem er Hamilton in schlafanzugähnlichem Outfit mit passender Mütze zeigte und daneben Hunt, wie man ihn kannte: mit Kippe, Bier und freiem Oberkörper. Darüber stand der Satz: „Die Evolution eines Formel-1-Fahrers.“ Der Gag wurde bejubelt – aber auch kritisiert.

Der letzte James Hunt

Im Prinzip ist Kimi Räikkönen der letzte James Hunt und auch der letzte Pilot alter Schule, eine Art Dinosaurier, den die Fans gerade deshalb so lieben. „Mein Leben wäre viel einfacher, wenn ich mit den Jungs der 70er Formel 1 fahren würde – ich bin definitiv in der falschen Zeit geboren“, sagt er. Aber schön, dass er noch mitmacht.