Liberty Media, neuer Eigentümer der Formel 1, verhandelt den neuen TV-Vertrag für Deutschland von 2018 an. Mercedes-Teamchef Toto Wolff legt Wert auf gute Quoten.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Spielberg - Motoren und Musik, Spektakel und Spaß. Das Leben ist ein Spiel am Formel-1-Berg von Österreich. Stars auf der Piste und der Bühne, Bungee-Jumping für Mutige, Bierzelt-Stimmung für Selige. Servus in Spielberg, die einen geben Geld aus, die anderen nehmen’s. 770 000 Besucher zieht der Red-Bull-Ring jährlich an, 103 Millionen Euro Wertschöpfung bleiben in der Steiermark. Nur Dietrich Mateschitz, der Red-Bull-Impresario, der den Kurs für 250 Millionen Euro sanieren ließ, bekommt rote Zahlen – auf diese Farbengleichheit mit seinem Bullen könnte er verzichten. 2015 lag das Defizit bei 17,8 Millionen Euro, 2016, als kumuliert nur 85 000 Fans ins Murtal pilgerten, wurden 30 Millionen Euro draufgelegt.

 

So möchte Chase Carey nicht bilanzieren. Sein Arbeitgeber Liberty Media hat die Rennserie nicht gekauft, um Abwechslung ins Arbeitsleben zu bringen. „Unser Fokus liegt darauf, aus den Rennen alles herauszuholen, und dem Fan das bestmögliche Paket zu bieten“, sagte Carey. Deutlicher: Liberty will Geld verdienen. Deshalb soll Carey die Formel 1 medial aufpolieren nach der verstaubten Politik von Bernie Ecclestone. Der neue Formel-1-Boss gibt Gas. „Wir möchten so viele Zuschauer wie möglich auf allen Plattformen erreichen. Ob Free-TV, Pay-TV, digitale oder soziale Medien – alles gehört zum Mix“, erklärte der US-Manager.

70 Prozent der Rennen könnten ins Pay-TV wandern

Hybrid nennt er den Mix plakativ. Hybrid, wie bei den Autos der Formel 1, die mit Benzin fahren, die aber zeitlich begrenzt elektrische Energie zuschießen können. Im Fernsehmarkt, dem Leitmedium im Sport, erachten die neuen Eigentümer eine 30:70-Mixtur als zumutbar für Motorsport-Freunde. 30 Prozent der Rennen im Free-TV, 70 Prozent im Pay-TV. Die Ausschreibung für den deutschen Markt für die nächste Saison endete am Freitag. Das Angebot von RTL lag schon länger vor, es heißt, unter Ecclestone wären die Unterschriften unterm neuen Vertrag längst trocken. Seit 26 Jahren überträgt der Sender alle Rennen live, und er möchte dies auch künftig tun. Jedoch, so ist in Spielberg zu hören, könnten sich die Kölner nicht mit Careys Plänen anfreunden. Hybrid ist keine Option – für RTL gelte die Maßgabe: alles oder nichts. Carey in der Zwickmühle.

Die rasante Fahrt gen Pay-TV ist so riskant wie das Überholen beim Grand Prix in Monaco. Über das noch von Ecclestone geschlossene Werk, das die Rennen in Großbritannien von 2019 an bis 2024 ins Pay-TV verbannt, ist selbst Liberty unglücklich.

Die Rennställe haben kein Mitspracherecht bei den Verhandlungen

In Frankreich sank das Interesse nach der Verlagerung ins Pay-TV von acht Millionen auf 700 000 Fans. In Deutschland sehen unbestätigten Quellen zufolge etwa 250 000 PS-Freunde die Formel 1 live auf Sky. Der Bezahlsender spricht in dieser Saison von 387 000 Zusehern. Welche Zahl auch zutrifft: Im Vergleich zu den über fünf Millionen Zuschauern, die die RTL-Taste am Sonntag drücken, ein extrem geringer Wert.

Zwar haben die Rennställe kein Mitspracherecht bei den Verhandlungen, dass ihnen das Ergebnis nicht irgendwo vorbeigeht, liegt auf der Hand. Nichts geht über Reichweite und Marktanteile, damit die Sponsoren wissen, wofür sie ihre Millionen ausgeben. „Wir benötigen eine Evaluation für alle wichtigen Länder“, betont Mercedes-Teamchef Toto Wolff, „wenn wir in Deutschland hinter der Paywall verschwinden, verlieren wir viel Publikum. Man muss das den Einnahmen aus den TV-Rechten gegenüberstellen.“ Andere Teamchefs stimmen ihm zu – im Gespräch betonen aber alle, dass sie den Medienexperten von Liberty absolut vertrauen.

Jedoch wäre es ungewöhnlich, wenn Hersteller wie Mercedes, Ferrari und Renault ihre Interessen hinter verschlossenen Türen nicht massiv kommunizieren würden. Dass die Königsklasse des Motorsports wie die Königsklasse des Fußballs in Deutschland ins Pay-TV wandert, dürfte keiner von ihnen wollen. Um Geld zu verdienen muss nicht nur Dietrich Mateschitz in Spielberg dicke Bretter bohren, sondern auch Chase Carey.