Auch in Ungarn sieht Sebastian Vettel nur die Rücklichter seines Teamkollegen. Daniel Ricciardo hat in Budapest einen Schritt weiter in Richtung eines großen Rennfahrers gemacht.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Mit dem Rucksack auf dem Rücken marschierte Sebastian Vettel aus dem Fahrerlager des Hungarorings. Er drehte sich noch einmal um und winkte mit ernstem Blick seinen Fans. Es ging flott die Treppe hinunter – dann war er verschwunden in die Ferien. Da machte sich einer ziemlich hurtig auf den Weg.

 

Auch Vettels Teamkollege Daniel Ricciardo war in Budapest seinen Weg gegangen – und zwar den in Richtung eines großen Rennfahrers. Während sich der Deutsche auch wegen eines unnötigen Drehers auf Platz sieben verirrte, gewann der Australier eines der unterhaltsamsten Rennen der Formel-1-Geschichte. Im viertletzten Umlauf überholte er erst den Weltmeister Lewis Hamilton – und nur eine Runde später war der Doppelchampion Fernando Alonso dran. Danach setzte sich Ricciardo ab und schaukelte seinen zweiten Formel-1-Sieg nach Hause. Das war eine Vorführung auf Senna-Niveau. Spätestens seit Sonntag gehört Ricciardo in der stets recht flott euphorisierten Szene die Zukunft.

Von Vettel spricht dieser Tage keiner mehr

Die Kollegen überschlugen sich mit Lob für den neuen Supermann. „Er wird immer stärker“, sagte Hamilton. „Daniel macht einen fantastischen Job und ist der Chef im Weltmeisterteam“, würdigte auch Alonso den Hochbegabten. Er werde mit Ricciardo in den nächsten Jahren tolle Kämpfe haben, gab der Spanier im Ferrari dazu noch eine interessante Prognose ab. Und Vettel? Von ihm spricht dieser Tage keiner mehr.

Lewis Hamilton und Fernando Alonso sind auch nicht gerade das, was man ausgewiesene Sebastian-Vettel-Fans bezeichnen könnte. Sie haben seine fahrerische Klasse in den vier Jahren, in denen er sie auf der Strecke zum Narren hielt, nie wirklich akzeptiert. Die Dominanz? Liegt am Auto, das war die zwischen den Zeilen herauszulesende Botschaft. In der Tat stellt sich nun, da Ricciardo im Red Bull seinem Kollegen so deutlich die Grenzen aufzeigt, in der Branche die aus Sicht des Hessens doch sehr ungemütliche Frage nach seinem tatsächlichen Niveau. Ist der Heppenheimer womöglich gar nicht so gut?

Ricciardo tritt höflich, bescheiden und auch lustig auf

Ricciardo kommt denjenigen, die an Vettel wohl auch von Neid begleitete Zweifel hegen, nun wie gerufen. Er ist der Beweis dafür, dass der viermalige Weltmeister entzaubert werden kann. Mit 131 Punkten ist Ricciardo WM-Dritter mit minimierter Titelchance, weil Mercedes so dominiert. Vettel befindet sich dagegen mit 88 Punkten auf Platz sechs der Wertung. Ricciardo gewann in Kanada und jetzt in Ungarn – Vettel in diesem Jahr noch kein einziges Rennen. Bislang siegt immer nur ein Mercedes – oder der 25 Jahre alte Australier.

Der Red-Bull-Berater Helmut Marko bezeichnete Ricciardos Auftritt als „Sensationsrennen“. Der so Gelobte, der mit seinem Lächeln frischen Wind in die zum Teil auch verdruckste Formel-1-Szene bringt, gab das Lob selbstlos weiter an das Team. Er ist höflich, bescheiden und auch lustig – als ein ähnlich wohltuendes Greenhorn präsentierte sich am Anfang seiner Laufbahn auch Sebastian Vettel. „So Mitte des Rennens hörte sich der Motor ziemlich schwach an. Dann habe ich jede Menge Knöpfe gedrückt und zum Glück eine gute Einstellung gefunden“, sagte Ricciardo, der wie Vettel im Red-Bull-Schwesterteam Toro Rosso seine Fahrschule absolvierte. Und er hörte bei seinen Erklärungen gar nicht mehr auf zu lächeln.

Schon machen Abwanderungsgerüchte die Runde

Der in Perth geborene Rennfahrer ist erst seit diesem Jahr Vettels Partner im Team. Anders als Mark Webber, der sich an der Seite des Hessen nicht selten benachteiligt fühlte und mit seinem Schicksal als Nummer zwei haderte, steht der sympathische Ricciardo im Team selbstbewusst seinen Mann. Er ist unterhaltsam – doch er weiß auch, was er kann und nimmt die Mannschaft mit. Vettel bekam da einen dicken Brocken vor die Nase gesetzt. Das spürt er.

Und so machen schon Abwanderungsgerüchte die Runde. Mercedes soll bei ihm angeklopft haben, und der im nächsten Jahr erwartete Neueinsteiger Honda möchte noch fehlendes Know-how mit einem Topmann kompensieren. Mit einem wie Alonso oder einem wie Vettel. Der sagt zwar, dass er mit Red Bull zufrieden sei und sich über einen Wechsel keine Gedanken mache – aber wer weiß schon, wo der Weg des Sebastian V. tatsächlich hinführt: wieder nach oben – oder weg.