Beim Formel-1-Grand-Prix von Bahrain will das Williams-Team für Furore sorgen. Allerdings knistert es zwischen den Piloten Felipe Massa und Valtteri Bottas.

Sakhir - Wer hätte das gedacht. Der erste Stallkrieg fand beim kreuzbraven Williams-Team statt. Nicht bei Ferrari, nicht bei Mercedes. Da bieten die Paarungen Fernando Alonso gegen Kimi Räikkönen oder Lewis Hamilton gegen Nico Rosberg viel mehr Zündstoff.

 

Doch auch die Williams-Kombination Felipe Massa gegen Valtteri Bottas hat eben Konfliktpotenzial. Alt gegen Jung. Ein Mann, der sich nach vier Jahren im Schatten von Alonso rehabilitieren will, gegen einen, der in seinem zweiten Jahr seine Vorschusslorbeeren einlösen muss. Beide wissen: der eine kann den anderen in die Rente schicken. Zwischen Massa und Bottas ging es beim Rennen in Malaysia nicht um den Sieg, sondern um die Plätze sieben und acht. Und trotzdem gab der Einsatzchef Rod Nelson eine Stallorder aus. Und das auch noch mit den Worten, die Massa seit seiner Ferrari-Zeit wie ein böser Fluch ins Gedächtnis gebrannt sind: „Bottas ist schneller als du. Lass ihn vorbei.“

Für Massa steht seine Ehre als Rennfahrer auf dem Spiel

Mit dem gleichen Satz wurde er 2010 in Hockenheim und später noch bei anderen Gelegenheiten von Ferrari aufgefordert, Alonso den Vortritt zu lassen. „Ich bin seit Ferrari vorbelastet und reagiere sensibel darauf“, gibt Massa zu. Felipe Massa ignorierte den Stallbefehl. Er musste es wohl tun. Hätte er gehorcht, hätte er seine Ehre als Rennfahrer verloren. Keiner hätte den kleinen Brasilianer mehr ernst genommen. Er wäre bis an sein Karriereende als Nummer zwei abgestempelt worden.

Der Williams-Kommandostand sah seinen Fehler noch während des Rennens ein und fügte noch einen zweiten hinzu. Zwei Runden vor Schluss bekamen beide Fahrer den Befehl: „Positionen halten.“ Das stieß bei Bottas sauer auf: „Wenn das Team dir sagt, dass du nicht mehr angreifen darfst, ist es hart. Es wäre eine Chance gewesen, mehr Punkte für das Team zu holen.“

Aussprache zwischen Fahrer und Ingenieuren

Inzwischen haben sich Fahrer und Ingenieure ausgesprochen. Man kam zu dem Fazit, dass die Anordnung von der Boxenmauer in Malaysia zum falschen Zeitpunkt kam. Massa fühlte sich bestätigt. Sein 24-jähriger finnischer Kollege grummelt immer noch: „Ich hätte es an Button vorbeigeschafft, hätte ich Massa überholen dürfen.“ Bottas hatte frischere Reifen als Massa und war schneller. Doch muss man deshalb gleich im zweiten Rennen das Betriebsklima aufs Spiel setzen?

Selbst der Teambesitzer Frank Williams gibt Massa recht: „Wenn Valtteri drei Sekunden pro Runde schneller gewesen wäre, hätte ich den Funkspruch verstanden. Es waren aber nur drei Zehntel.“ Stallregie ist ein Wort, das bei Williams traditionell tabu ist. Frank Williams war berühmt dafür, seine Fahrer aufeinander zu hetzen. Er hat wegen seiner Sturheit und seines britischen Verständnisses von Fairplay schon Weltmeisterschaften und Motorenpartner verloren. 1981 zum Beispiel, als Alan Jones sich nicht darum scherte, dass Teamkollege Carlos Reutemann um den Titel fuhr, er aber längst aus dem WM-Rennen war. Jones machte sich einen Spaß daraus, dem Argentinier Punkte wegzunehmen. Und Frank Williams ließ seinen Lieblingsfahrer gewähren. Oder 1986, als sich Nelson Piquet und Nigel Mansell gegenseitig das Leben schwer machten und Alain Prost als lachender Dritter zum WM-Titel kam. Williams bekam die Quittung zwei Jahre später. Honda ging zu McLaren.

An der Williams-Basis in Grove weht ein neuer Wind

Der neue Chef im Rennstall heißt Claire Williams. Die alten Schlachtrösser Frank Williams und Patrick Head sind in den Hintergrund getreten. Es weht ein neuer Wind an der Basis in Grove. Die Tochter des Rollstuhl-Generals hat sich der Zeit angepasst. Effizienz, Teamwork, politische Korrektheit haben Priorität. Williams ist jetzt ein moderner Rennstall. Einer, in dem der Spruch „Das haben wir schon immer so gemacht“ verboten ist. Doch manchmal wäre die Erfahrung der alten Hasen dann doch ganz hilfreich. Hätte der Technikchef Pat Symonds in Malaysia an der Boxenmauer gestanden, hätte es die Funksprüche nicht gegeben. Das Urgestein sagt: „Es war der falsche Moment für eine Stallorder.“

Massa hat so neues Selbstvertrauen getankt und sich in der Szene wieder Respekt verschafft: „Ich habe alles richtig gemacht. Es war das, was ich für mein Rennen tun musste. Und Williams hat als Team nichts verloren. Williams hat mich verpflichtet, weil sie mich als Rennfahrer respektieren.“ Eine Stallregie so früh in der Saison zeugt nicht von Respekt. „Man kann das machen, wenn zwei Fahrer unterschiedliche Strategien fahren oder später in der Saison.“

Stallorder gibt es nur noch in Ausnahmefällen

Williams hat seinen Fahrern versprochen, dass es Stallorder nur noch in genau spezifizierten Ausnahmefällen geben wird. Der Teamfrieden ist oberstes Gebot, denn zum ersten Mal seit Jahren hat das Traditionsteam ein konkurrenzfähiges Paket. Der FW36 ist das schnellste Auto auf der Geraden und der Beste im Benzinverbrauch. Wer hätte das gedacht.