Die Bildungsgewerkschaft VBE ist besorgt: Laut einer von ihr in Auftrag gegebenen Forsa-Umfrage nimmt die psychische und körperliche Gewalt von Schülern gegen Lehrer zu – auch im Südwesten.

Stuttgart - Eine im Auftrag des Verbandes Erziehung und Wissenschaft (VBE) – eine Bildungsgewerkschaft – erstellte Umfrage unter Schulrektoren legt eine Zunahme der Gewalt gegen Lehrer offen. Die vom Institut Forsa vorgelegte Befragung von bundesweit 1303 Schulleitern war im Januar und Februar durchgeführt worden, 251 der Befragten arbeiten in Baden-Württemberg.

 

Die Umfrage bringt auch Vergleichswerte einer ähnlichen Befragung aus dem Jahr 2018 und belegt eindeutig, dass nach Ansicht der Befragten sowohl die psychische Gewalt wie Bedrohung und Beleidigungen im Klassenzimmer oder auf dem Schulhof, die verbale Gewalt im Internet und die körperliche Gewalt gegen Lehrkräfte zugenommen hat. Das gilt für den Bundesdurchschnitt ebenso wie für die Lage in Baden-Württemberg.

Im Südwesten ist es etwas friedlicher als im Rest der Republik

Auffällig ist allerdings auch, dass die Situation in Baden-Württemberg sich für die Lehrer noch etwas besser darstellt als im Rest der Republik. Die Zahlen der gewalttätigen Vorfälle sind niedriger als im Bundesdurchschnitt. Ein zunehmendes Problem stellt sich aber auch im Südwesten dar. Die Frage, ob sie in den vergangenen fünf Jahren an ihrer Schule Fälle von psychischer Gewalt gegen Lehrer erfahren hätten, also direkte Beschimpfungen, Beleidigungen oder Bedrohungen, ist von 58 Prozent der Schulrektoren in Baden-Württemberg bejaht worden.

Das ist eine Steigerung im Vergleich zu 2018 um 13 Prozentpunkte. Über Fälle von Mobbing oder verbalen Angriffen im Internet gegen Lehrer berichteten 23 Prozent der Rektoren (2018 waren es 16 Prozent). Am gravierendsten sind sicherlich die Fälle von körperlicher Gewalt zu werten: Davon berichteten ebenfalls 23 Prozent der Befragten in Baden-Württemberg (2018 waren es 16 Prozent). Im Bundesdurchschnitt liegt die Quote der körperlichen Angriffe auf Lehrer allerdings höher. Gut ein Drittel der Rektoren berichten davon (34 Prozent), im Jahr 2018 waren es lediglich 26 Prozent.

Auffällig ist die schwindende Solidarität im Kollegenkreis

Fast die Hälfte der befragten Rektoren an allgemeinbildenden Schulen ist der Ansicht, dass mit dem Thema Gewalt gegen Lehrkräfte an ihren Schulen „offen“ umgegangen werde. Da unterscheiden sich die Bundeszahlen von denen in Baden-Württemberg nur wenig. Ins Auge fällt allerdings ein anderer Aspekt, der sich um die Solidarität im Kollegium dreht – und da scheint sich sowohl im Bundestrend als auch im Südwesten eine Verschlechterung der Lage abzuzeichnen.

Die Frage, ob die Lehrer im Falle von Gewalt in den allermeisten Fällen „ausreichend“ von den Kollegen unterstützt werden, bejahen in Baden-Württemberg nur noch 52 Prozent der befragten Rektoren. Im Jahr 2018 lag die Solidaritätsrate wesentlich höher: bei 85 Prozent.

Der VBE-Landesvorsitzende Gerhard Brand äußerte sich am Donnerstag bei der Vorstellung der Studie in Stuttgart erschüttert: „Was wir an den Schulen erleben, ist eine sprachliche Verrohung gepaart mit einer immer niedrigeren Hemmschwelle, Lehrerinnen und Lehrer verbal zu diffamieren.“ Das Cybermobbing im Internet gegen Lehrer bediene sich nur anderer Methoden als das klassische Mobbing. „Viele Kinder und Jugendliche trauen sich in der anonymen virtuellen Welt eher, andere Menschen anzugreifen, zu beleidigen oder bloßzustellen.“ Dabei gebe es einen fließenden Übergang von Spaß oder Neckereien zur Gewaltausübung.

Der Bildungsverband VBE verlangt kleinere Lerngruppen

Aussagen wie „Das ist nicht ernst gemeint“ oder „das Mobbing sei nur ein Spaß“ zeigten ein fehlendes Unrechtsbewusstsein und mangelnde Sensibilität. „Was wir an den Schulen daher dringend benötigen, ist die Vermittlung von Medienkompetenz als Prävention gegen Cybermobbing“, so Brand. „Dramatisch“ aber sei die Entwicklung bei der körperlichen Gewalt, fast an jeder vierten Schule in Baden-Württemberg habe es einen körperlichen Angriff auf eine Lehrkraft gegeben. „Auf Bundesebene ist die Entwicklung noch dramatischer, hier sprechen wir bereits von jeder dritten Schule.“

Lehrkräfte, die Gewalt gegen sich erlebt haben, müssten die volle Unterstützung ihres Dienstherrn erhalten, so Brand. „Aber die Bedingungen vor Ort stimmen einfach nicht. Zu viele Kinder in zu kleinen Klassenzimmern mit Lehrkräften, die alle individuell fordern und fördern sollen: Das kann nicht funktionieren“, so Brand. Der VBE fordere „dauerhaft kleinere Lerngruppen“ und die Unterstützung der Lehrer durch Teams von Sozialarbeitern, Sozialpädagogen und Psychologen.