Die Universität Hohenheim ist an einem EU-Projekt zur Gewinnung von Bio-Rohöl aus Biomasse beteiligt. Das in den Nebenprodukten enthaltene Phosphat ist ein weltweit begehrter Rohstoff.

Hohenheim -

 

Weltweit laufen Forschungsprojekte zu Themen wie Rohstoffmangel oder Kreislaufwirtschaft nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip, also von der Wiege bis zur Wiege. In einer perfekten Kreislaufwirtschaft werden keine Ressourcen verschwendet oder weggeworfen. Deswegen wird der Begriff Abfall auch vermieden, stattdessen wird von Nebenprodukten gesprochen, auch bei der Produktion von Bio-Rohöl aus Biomasse in dem EU-Forschungsprojekt „HyFlexFuel“, an dem auch die Uni Hohenheim beteiligt ist. In dem Projekt ist es gelungen, aus Klärschlamm eine Art Bio-Rohöl herzustellen, das zu Kerosin oder Diesel weiterverarbeitet werden kann. An der Universität Hohenheim wurden aus den „Abfall“-Produkten hingegen Nährstoffe zurückgewonnen, die beispielsweise als Dünger verwendet werden können. Im Mittelpunkt steht dabei Phosphat, das weltweit knapp und begehrt ist. Auch die Uni Stuttgart und das Hauptklärwerk Stuttgart-Mühlhausen beschäftigen sich mit dem Thema.

Geld aus dem EU-Forschungsprogramm Horizon 2020

An dem Projekt sind Forschungseinrichtungen und Unternehmen beteiligt, die führend auf dem Gebiet der Hydrothermalen Verflüssigung sind. Dazu gehören der Verein Bauhaus Luftfahrt als Koordinator, die Aalborg Universitet in Dänemark sowie weitere Partner in Deutschland, der Schweiz, Belgien und Italien. Ermöglicht wurde HyFlexFuel durch eine Förderung aus dem EU-Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020. 443 000 Euro davon flossen nach Hohenheim. Das Projekt begann im Jahr 2017 und endet in diesem September.

In der Pilot-Anlage in Aalborg wurde aus Biomasse wie Klärschlamm, Gülle, Stroh und Algen mit Hilfe von hohem Druck und hohen Temperaturen eine Art Bio-Rohöl gewonnen. Dabei fallen Nebenprodukte in flüssiger und fester Form an. Darin befinden sich die ursprünglich im Klärschlamm enthaltenen Nährstoffe wie das begehrte Phosphat. Aufgabe der Universität Hohenheim war, dieses Phosphat zurückzugewinnen. Dafür schickten die Aalborger Wissenschaftler die Nebenprodukte per Paketdienst nach Stuttgart, wo sie am Institut für Agrartechnik von einer russischen Wissenschaftlerin in Empfang genommen wurden.

Phosphat ist knapp und wird noch viel knapper

Ekaterina Ovsyannikova ist 36 Jahre alt, stammt aus der zentralrussischen Stadt Twer, hat in Moskau Umweltschutz und in Dresden Verfahrenstechnik studiert. In Hohenheim arbeitet sie am Lehrstuhl von Professorin Andrea Kruse, Fachgebietsleiterin Konversionstechnologien nachwachsender Rohstoffe, an ihrer Doktorarbeit. Thema ist die Phosphatrückgewinnung.

Phosphat ist ein nicht erneuerbarer Rohstoff, der meist aus Erzen gewonnen wird. Phosphate sind wichtig für den menschlichen Körper, eingesetzt werden sie unter anderem in der Medizin, in Lebens- und Futtermitteln und vor allem als Dünger. Der weltweite Bedarf steigt ständig und könnte nach aktuellen Studien bereits in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts nicht mehr gedeckt sein. Ganz Europa ist vom Import von Rohphosphat abhängig. Deswegen wurde Phosphatgestein von der Europäischen Kommission schon 2014 in die Liste der „kritischen Rohstoffe“ aufgenommen, und deswegen werden intensiv Möglichkeiten gesucht, Phosphate beispielsweise aus Klärschlamm zurückzugewinnen.

1,5 Millionen Tonnen Klärschlamm in Deutschland

Pro Jahr fallen in Deutschland mehr als 1,5 Millionen Tonnen Klärschlamm an, auch das Stuttgarter Hauptklärwerk in Mühlhausen trägt dazu bei. Bis vor wenigen Jahren wurde etwa ein Fünftel davon als Dünger in der Landwirtschaft eingesetzt, was allerdings wegen der darin enthaltenen Schadstoffe beendet werden soll. Ein beträchtlicher Teil wird „thermisch verwertet“, also wie beispielsweise in Stuttgart-Mühlhausen für die Stromerzeugung im Klärwerk verbrannt. Klärschlamm enthält aber eben auch wertvolle Phosphate. Nach einer Veröffentlichung des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2018 könnte durch Recycling theoretisch ein wesentlicher Teil des Phosphatbedarfs in Deutschland gedeckt werden.

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An der Uni Hohenheim gelang es im Rahmen von HyFlexFuel, aus den Rohöl-Nebenprodukten Struvit zurückzugewinnen, das beispielsweise als Düngemittel wieder eingesetzt werden kann. „Es funktioniert“, sagt Ekaterina Ovsyannikova. Sie hofft jetzt auf weitere Anschlussprojekte, um die Abläufe weiter verfeinern zu können.

Fraunhofer hatte auch ein Phosphor-Projekt

Auch andere Stuttgarter Forschungseinrichtungen beschäftigen sich schon länger mit dem Thema. Das Stuttgarter Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik hat sich bereits vor einigen Jahren intensiv mit der Rückgewinnung von Phosphaten aus Kläranlagen-Abwässern beschäftigt. Unter der Leitung der Universität Stuttgart begann erst vor Kurzem das ebenfalls von der EU finanzierte Projekt „FlashPhos“, in dem durch thermochemisches Recycling Phosphor aus Klärschlamm zurückgewonnen werden soll. Und auch im Hauptklärwerk Stuttgart-Mühlhausen laufen Machbarkeitsstudien zur „großtechnischen Phosphor-Rückgewinnung“.